Die österreichische Tageszeitung "Der Standard" berichtete am 6.3.2017 über eine US-amerikanische Studie, in der die gesellschaftliche Reputation von gewollt kinderlosen Bürgern untersucht wurde. Der Artikel über dieses sozial hochrelevante Thema war leider - ähnlich wie die Studie selbst - von tendenziösen Interpretationen und von Faktenumkehr gekennzeichnet.

Kinderlose haben keinen guten Ruf

Worum es konkret geht: Die nämliche Studie ergab, dass freiwillige Kinderlosigkeit von der US-Gesellschaft als Makel empfunden und die Kinderlosen von der Mehrheit als moralisch verwerflich Handelnde gesehen würden. Überdies traute man den gewollt Kinderlosen nicht zu, ausreichend Erfüllung im Leben finden zu können. Demzufolge stand diese Botschaft auch genau so im "Standard" zu lesen.

Fehlerhafte Studie

Wenn man sich die Mühe macht, die besagte Studie näher zu betrachten, kommen darin einige recht unwissenschaftliche und methodisch verdrehte Parameter zutage. Zunächst war das Sample der Befragten a priori falsch gewählt: Es wurden 149 Frauen und nur 49 Männer interviewt. Das ist ein Verhältnis, das ganz und gar nicht dem realen Zustand in der Gesellschaft entspricht. Noch dazu waren alle Teilnehmer ausnahmslos junge Psychologie-Studenten, also ebenfalls kaum repräsentativ.

Fragwürdige Ergebnisse

Im Weiteren ist eine Befragung von nur 200 Menschen statistisch kaum valide und nicht wirklich aussagekräftig, auch wenn die Autorin eine Reihe von statistischen Tests angibt, die nach Abschluss der Studie am vorliegenden Zahlenmaterial durchgeführt wurden. Die Ergebnisse stehen zweifellos auf sehr wackeligen Beinen. Man vergleiche die Arbeit mit Wahlumfragen: Dort gilt eine Teilnehmerzahl von nur 500 Befragten schon als sehr grenzwertig.

Blasenphänomen Pseudo-Wissenschaftlichkeit

Schließlich ist das Journal, in dem die Studie publiziert wurde, nicht frei von ideologischer (also unwissenschaftlicher) Ausrichtung: Es handelt sich um das feministische Journal "Sex Roles". Erstaunlicherweise ist diese Zeitschrift international trotzdem an sechster Stelle von insgesamt 41 Journalen gereiht, die sich mit "Women`s Studies" beschäftigen. Ob da wohl ein Blasenphänomen vorliegt, in dem einen neue Art von isolierter, nach eigenen Regeln ablaufender Wissenschaftlichkeit erzeugt wird?

In normalen Journalen ohne Chance

In der Medizin oder einer anderen etablierten Naturwissenschaft hätte weder die zitierte Studie noch das Journal eine Chance, von irgend jemandem wirklich ernstgenommen zu werden. Im "Standard" hingegen scheint das anders zu sein: Da wird publiziert, was in die weltanschauliche Richtung des Blattes passt und die gegenständliche Publikation wurde kritiklos und ohne weitere Nachfrage zu Forschung und Wissenschaft erhoben. Wohl, weil die Arbeit schon das wissenschaftliche Prüfverfahren in der Feministen-Redaktion von "Sex Roles" durchlaufen hatte.

Die freiwillig Kinderlosen als Opfer

Mit der Studie und mit dem Standard-Artikel wird eine Opferrolle der freiwillig Kinderlosen kreiert. Und zwar auf eine recht perfide Art und Weise: Nicht das gewollte Dasein ohne Kinder wird moralisch hinterfragt, obwohl das die Mehrheit der Studienteilnehmer und nach Meinung der Autorin auch die Gesellschaft tun. Es wurde vielmehr die vorherrschende gesellschaftliche Haltung, die Eltern und Kindern grundsätzliches Wohlwollen entgegenbringt und die dem Hausverstand und der Tradition entspringt, als Diskriminierung der Kinderlosen denunziert.

Umkehrung der Werte

Anders gesagt: Das gesellschaftlich normale Verhalten (nämlich Kinder zu haben) und das moralisch gut zu finden wird als fragwürdige Haltung beschrieben, aus der heraus andere (nämlich gewollt Kinderlose) moralisch geächtet werden. Mit dieser Zuschreibung versuchen die Autorinnen, die realen Gegebenheiten zu dekonstruieren und über diese Technik eine neue Realität zu schaffen. In dieser neuen Wirklichkeit sollen die Leute mit Kindern zu diskriminierenden, antiliberalen und moralisierenden Übeltätern stilisiert werden.

Eine Frage der Fairness

Die Feministen empören sich künstlich über ein Stigma, das die freiwillig Kinderlosen im wirklichen Leben ja gar nicht tragen. Es geht da ganz einfach um grundlegende Fragen der sozialen Fairness und um die Frage des jeweiligen Beitrags zur Gesellschaft. Es ist jedenfalls das Recht der Kinderhabenden, ihre Lebensweise als moralisch wertvoll und die Fortpflanzung als moralischen Anspruch zu sehen. Die Mehrheit sieht das auch so.

Der Kategorische Imperativ als Richtschnur

Letztlich geht es um den Kant`schen Kategorischen Imperativ: "Handle stets so, dass die Maxime deines Handelns zum Gesetz werden könnte". Kinderhaben steht nach diesem Grundsatz ganz klar über der Entscheidung, keine haben zu wollen.

Das Stigma soll zu den Eltern wandern

Das behagt den Feministinnen nicht. Das herbeifantasierte Stigma soll daher zu den klassischen Familien und zu den Eltern wandern. Der Wille zur Weitergabe des Lebens soll durch solche Studien wie die hier besprochene pejorisiert und die gewollte Kinderlosigkeit zu einem neuen gesellschaftlichen und moralisch einwandfreien Leitbegriff erhoben werden.

Fazit: Nicht die fehlerhafte Studie ist das alleinige Problem, sondern bestürzend ist vielmehr, dass mit solchen Machwerken in linken Tageszeitungen Gesellschaftspolitik betrieben werden soll und die dekonstruktiv tätigen Meinungsbildner keine Mittel scheuen, ihre familienzerstörende Agenda umzusetzen.

(Zuerst publiziert auf meinem Blog TheDailyFranz.at )

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