Eine auf den arbeitenden Menschen und seine angebliche Opferrolle fokussierte Grundhaltung ist zum Kennzeichen unserer Arbeitswelt geworden: Der Stress am Arbeitsplatz macht alle kaputt, so lautet der tägliche Stehsatz. Das Endziel jedes Berufstätigen kann daher nur die möglichst frühe Pension sein, zumindest aber die regelmäßige und möglichst lange Auszeit: Urlaub, Freizeit, Kurzarbeit etc.
Erstaunlicherweise befindet sich aber gerade der berufstätige Österreicher in einer der besten aller möglichen Arbeitswelten. Ein ausgewogenes Arbeitsrecht, eher kurze Arbeitstage und überdurchschnittlich lange Urlaube prägen diese seine Welt. Noch dazu gehören die Österreicher zu den Pensions-Weltmeistern. Nur zwei internationale Beispiele reichen aus, dies zu belegen: In Japan beträgt der durchschnittliche Jahresurlaub 7 Tage, in den USA zwei Wochen. Die durch Arbeitsleid entstehenden Seelenbeschädigungen, gerne auch als Burn-Out-Syndrome bezeichnet, nehmen bei uns aber trotzdem dramatisch zu und die Medien sind voller Berichte über die angeblich so horriblen Zustände bei uns. Und: Noch nie zuvor gingen so viele Leute aus psychischen Gründen in den Krankenstand oder in die Frühpension.
Dieses Faktum kann aber nicht automatisch den hiesigen Arbeitsbedingungen angelastet werden. Die Diagnose "Burn-Out“ ist nämlich vor allem eines: Sehr modern und daher sehr gängig. Demzufolge wird sie auch rasch gestellt, besonders in der Selbstuntersuchung. Wiederkehrende und berechtigte Müdigkeit nach harten Arbeitstagen kann dann eben leicht mit einem Burn-Out verwechselt werden. Den Satz "Herr Doktor, ich habe ein Burn-Out!“ hören Ärzte täglich. Nur ist er halt nicht immer wahr oder auch eine Fehleinschätzung des Betroffenen, weil ihm ja permanent die Grauslichkeit der Arbeitswelt suggeriert und er förmlich in die Opferrolle samt Burn-Out gedrängt wird.
Die Diagnose wird daher gar nicht selten von Arbeitnehmern unwissentlich, hin und wieder auch vorsätzlich missbraucht. Leider, denn dies geschieht letztlich zum Nachteil der wirklich Erschöpften und vor allem zum Schaden der durch massive Arbeitsplatzprobleme psychisch krank gewordenen Menschen. Um nicht missverstanden zu werden: diese gibt es und man muss als Arzt (und auch als Arbeitgeber!) gerade auf diese Patienten ganz besonders schauen, denn sie sind oft nicht leicht zu diagnostizieren und immer gefährdet, chronisch krank zu werden.
Die Arbeitgeber und die gesamte Arbeitswelt werden durch das Burn-Out-Dilemma jedenfalls angreifbar, denn bei der Diagnose schwingt immer der Vorwurf der Überforderung und der Ausbeutung am Arbeitsplatz mit - ob man will oder nicht. Dem ungewollten Missbrauch der Burn-Out-Diagnosen kann man nur schwer Einhalt gebieten und dem gewollten Missbrauch noch viel schwerer: Er ist kaum beweisbar und die Opferrolle ist zeitgeistbedingt sowieso immer sehr nah. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind somit in einer sehr heiklen Position, denn es gilt ja, die wirklich Kranken zu finden und diesen professionell zu helfen.
Dies ist nur durch einen möglichst rationalen und gleichzeitig empathischen Zugang zur Thematik möglich. Beide Seiten der Medaille müssen objektiv betrachtet werden, eine differenzierte Herangehensweise unumgänglich. Anzumerken ist nämlich auch, dass am Arbeitsplatz einst hochgeschätzte Tugenden wie Ausdauer, Disziplin, Ehrgeiz und Pflichtgefühl heute nur mehr wenig gelten. Sich zusammen zu nehmen, Engagement und Durchhaltewillen in anstrengenden Situationen zu zeigen, das ist nur mehr was für "Streber". Leute, die etwas leisten wollen, werden deswegen mitunter heute schon scheel angesehen.
Es dämmert eine neue Arbeitsmoral in unserer von kryptomarxistischen Inhalten geprägten Arbeitswelt herauf und die heißt "Managed by Befindlichkeit". Am Ende dieser Moral steht freilich der Niedergang des Wirtschaftslebens. Befindlichkeitsphilosophen sagen dies aber tunlichst nicht dazu, wenn sie ihre Predigten über die Schlechtigkeit der Arbeitswelt halten, sondern entwerfen sozialromantische Szenarien, wo jeder Arbeitnehmer nach Gutdünken seine (oder eben keine) Leistung erbringt.
Die von der SPÖ jüngst erhobene Forderung nach 6 Wochen Urlaub ist da nur folgerichtig und passt in die neue Sicht des Arbeitsplatzes als Hort der Verdammnis.
Abgesehen davon, dass Auszeiten ohne Änderung der realen Verhältnisse am Arbeitsplatz den echten Kranken nichts bringen: Wie bezahlen wir überhaupt den zusätzlichen Urlaub ? Nach sozialistischer Auffassung ist das natürlich kein Problem - finanzieren wird das alles der Staat.
Aber... hoppla, der Staat, sind das nicht wir alle? Und wenn wir dann alle im Urlaub sind und gleichzeitig alle diesen Urlaub finanzieren müssen und keiner mehr produktiv ist - wie das gehen wird, das werden uns die Linksideologen sicher noch erklären.