Politik in Demokratien kann nur stattfinden, wenn es Parteien mit unterschiedlichen Haltungen und Programmen gibt. Nur klare Positionen können im demokratischen Prozess auf ihre Güte und ihren Nutzen überprüft werden. Parteien sollten daher grundsätzlich solche klaren Standpunkte beziehen.
Trotzdem beobachten wir im Polit-Panorama eine stetig breiter werdende diffuse Mitte, die längst zum offiziellen Desiderat der noch immer staatstragenden ehemaligen Großparteien SPÖ und ÖVP geworden ist. Obwohl der ständige Drang zur Mitte keine klaren politischen Aussagen mehr zulässt und diese Mitte sich eigentlich nur als Raum zur Kompromissfindung zwischen gegensätzlichen Positionen eignet, stellt sie doch das Ziel aller Sehnsüchte von Rot und Schwarz dar. Seit Jahren generieren die "Altparteien“ demzufolge eine immer amorpher werdende Mischung aus den Resten ihrer einst konturierten Weltanschauungen. Gar nicht selten werden die derzeitigen Regierungsparteien daher in den Medien auch als SPÖVP bezeichnet.
Die Vertreter beider Parteien besitzen keine speziellen Kennungen mehr, ihr einziges Merkmal ist ihre Austauschbarkeit. Endlose Wiederholungen tausendfach gebrauchter Phrasen und Schlagworte, deren wichtigste und am häufigsten benutzte die Soziale Gerechtigkeit, die Sicherung der Arbeitsplätze und der Wohlfahrtsstaat sind, kennzeichnen ihre spezifische Rhetorik. Appeasement mittels antrainierter Stehsätze ist ihr oberstes Gebot. Niemals wird man aus ihrem Munde eine klare Antwort auf klare Fragen erhalten und niemals wird einer von ihnen ein Statement abgeben, das nicht auch sein einstiger politischer Gegner, der folgerichtig heute Mitbewerber heißt, hätte sagen können.
Dieser Befund ist dramatisch. Die in der Mitte zwangsläufig auftretende Unmöglichkeit, Positionen zu beziehen, führt nämlich letzten Endes zum Totalverlust des Politischen in der Gesellschaft. Die Debatte hat immer schon aufgehört, bevor sie noch begonnen hat. Wenn sich alle in der Mitte befinden, gibt es nichts mehr zu diskutieren und daher letztlich keine Politik mehr. Übrig bleibt dann nur noch das Ressentiment. Und das wird von ganz anderen bedient.
Je länger die Sozialdemokraten, die einmal kämpferische Sozialisten waren, und je länger die noch immer als bürgerlich daherkommenden „Schwarzen“, die einst hohe Werte und klare Haltungen besaßen, ihren Marsch auf die Mitte fortsetzen, desto mehr verlieren sie ihr Profil und desto weniger werden sie voneinander unterscheidbar. Gleichzeitig werden aber durch dieses Streben zur Mitte der linke und der rechte Rand des politischen Spektrums preisgegeben und diese Ränder verhärten in demselben Tempo wie die Weichheit und Schwammigkeit der Mitte zunimmt.
Anders gesagt: Die Erneuerung der Politik wird nicht von der Mitte aus zu erreichen sein. Sie wird von außen kommen (müssen). An diesem Faktum wird weder der aktuelle als Erneuerungs-Event daherkommende Programm-Parteitag der ÖVP etwas ändern noch wird die ewigselbe Floskel der Sozialdemokraten, man sei ja eh „für die Menschen“ da, der ausgelaugten SPÖ eine wirklich neue Politik ermöglichen. Und somit wird die Mitte jeden Tag noch ein bisschen sumpfiger werden.