Das Asylrecht ist in aller Munde und es wird offiziell Wert darauf gelegt, dieses Recht als unbegrenzt und unabänderlich darzustellen. Was dabei unter den Tisch fällt: Jedem Recht steht immer auch eine Pflicht gegenüber. Wenn wir nun ein bestimmtes Recht als unbegrenzt bezeichnen, so muss die zugehörige Pflicht das logischerweise ebenfalls sein. Wer unbegrenztes Asylrecht ernst nimmt, muss dem jeweiligen Asyl-Geber also auch eine unbegrenzte Aufnahmepflicht zumessen, ja ihm diese sogar abverlangen: Jeder, der als Asylwerber kommt und einen echten Asylgrund hat, muss bleiben können. Eine Obergrenze kann es in dieser Theorie nicht geben.
Dass diese Unbegrenztheit ab einer gewissen Zahl von Asylwerbern aber eine de facto nicht zu bewältigende Aufgabe für einen Staat ist, müsste selbst dem naivsten Sozialromantiker klar sein. Unter den bis zum Frühsommer herrschenden durchschnittlichen Bedingungen der Zuwanderung blieb diese Kernfrage des Asylthemas noch unausgesprochen. Die Unbegrenztheit gab es ja eben nur in der schönen Theorie. Bei der aktuell stark zunehmenden Asylwerber-Zahl wird aus dieser Theorie aber plötzlich Praxis und die Frage der tatsächlichen Unabänderlichkeit und Unbegrenztheit des Asylrechts wird brennend.
Unmittelbar führt sie uns zu weiteren drängenden Fragen: Sind viele hunderttausende und zukünftig vermutlich Millionen von Asylwerbern den jeweiligen Bevölkerungen und Zielstaaten Europas grundsätzlich zumutbar? Steht die propagierte Unbegrenztheit des Asylrechts nicht plötzlich durch die normative Kraft des Faktischen massiv unter Druck? Müssen die Asyl-Geber aus rein quantitativen Gründen zugunsten der Asylwerber bald von ihren eigene Rechten Abstand nehmen? Sollen sich die heimischen Bürger mit dem schon da und dort geäußerten Gedanken an Zwangsenteignungen von Wohnraum zugunsten von Ayslwerbern anfreunden? Soll Asyl überhaupt solange gewährt werden, bis die bestehenden sozialsaatlichen Strukturen gefährdet sind oder gar zusammenbrechen? Soll man die Gefahr von Unruhen, ja vielleicht sogar von bürgerkriegsähnliche Zuständen für ein sakrosanktes Asylrecht in Kauf nehmen? Und was kommt danach?
Alle diese Fragen sind zu beantworten. Und niemand braucht so zu tun, als ob es keine Antworten geben dürfe, weil uns ja das Asylrecht quasi heilig wäre. Antworten gibt es, denn das Asylrecht war ja schon früher Gegenstand von Veränderungen und Adaptionen. Rechte müssen von Zeit zu Zeit angepasst werden, die gesamte Rechtsgeschichte strotzt von Änderungen und Entwicklungen. Ein Recht zu ändern ist also nichts Schlechtes, sondern Teil der Zivilisationsentwicklung.
Prinzipiell bewegt sich die österreichische Politik bereits weg von der naiven, bisher ziemlich unkritischen und rechtlich mehr als fragwürdigen Willkommens-Kultur der offenen Grenzen hin zu einem pragmatischen Lösungsdenken, das auch und vor allem an der eigenen Bevölkerung und an der Sicherung und Erhaltung der eigenen Staatsstrukturen orientiert ist. Was wir mit ziemlicher Sicherheit wissen: Auf rein nationalstaatlicher Ebene ist die Problematik nicht zu lösen, denn das ginge nur durch eine totale Abschottung. Diese ist weder realpolitisch noch ideell möglich und auch nicht wirklich sinnvoll. Grenzkontrollen, rigorose Grenzsicherung und umfassende Registrierung und durchaus auch Kontingentierungen sind aber zweckmäßig und rechtsstaatlich geboten. Im Grunde will niemand mehr die schwedischen (und auch deutschen) Erfahrungen einer allzu freizügigen Asyl-Politik wiederholen. Sogar jüngst noch eifrige Anhänger der offenen Grenze und lauthals ihre humanitäre Haltung verkündende Personen des öffentlichen Lebens werden immer leiser und viele ändern zumindest schrittweise ihre Meinung.
Die Zeit verlangt letztlich eine gesamteuropäische und konsensuelle Neuordnung des Asylrechts. Und dabei geht es nicht darum, dieses Recht zu schmälern, sondern es geht ausschließlich darum, den völlig neuen Anforderungen adäquat zu begegnen und sich von bestimmten, die Asyl-Debatte überlagernden sozialromantischen und moralisierenden Ideen freizumachen. Jedenfalls kann die Asyl-Problematik weder ante portas noch in den jeweiligen Ziel-Ländern selbst nachhaltig entschärft werden. Probleme kann man am besten immer nur am Ort ihrer Entstehung lösen. Und der ist nicht in Europa.