Die öffentliche medizinische Versorgung wird aus Kostengründen stückweise rationiert und immer mehr unter die Hoheit der Politiker und Verwalter gestellt. Vor allem Letztere wollen nur eines: Bei der Medizin sparen und die Verwaltung ausdehnen. Wo früher Ärzte versucht haben, sinnvolle medizinische Organisation und patientennahe Versorgung zu betreiben, regieren jetzt die wuchernde Bürokratie und der Rotstift der Kostenrechner. Natürlich gibt das kein politisch Verantwortlicher jemals zu, denn überall steht ja angeblich der Patient im Mittelpunkt. Und für den wird politisch alles getan - auf jeden Fall in der Bürokratie.
Die angestellten Ärzte müssen aus naheliegenden Gründen dazu schweigen, wenn die Verwaltungen stetig mächtiger werden, die Ressourcen in Dokumentation, EDV und Stabsstellen wandern und die Ärzte selbst immer mehr bürokratische Aufgaben erledigen müssen. Und wenn sie nicht schweigen, haben sie das Lied desjenigen zu singen, dessen Brot sie essen. Ansonsten war's das mit der Spitalskarriere.
In der Öffentlichkeit fällt die Reduktion der medizinischen Versorgung zugunsten einer fortwährenden Aufblähung des Verwaltungsapparates zunächst noch wenig auf: Die Patienten sind froh, wenn sie nach elenden Wartezeiten endlich doch noch versorgt werden. Bei den Medien gibt es zuwenig Journalisten, die sich im Gesundheitswesen wirklich gut auskennen und die Zeichen der Degeneration richtig deuten können. Und es gibt seitens der definitiv Verantwortlichen für die Verschleierung der verwalterischen Sparwut, die immer nur die Medizin betrifft, jede Menge phraseologischer Nebelgranaten. Dasselbe gilt für die gleichzeitig immer zunehmende Bürokratie: Die lässt sich stets gut argumentieren.
Den Managern, Verwaltern, Stadt- und Landesräten sowie den sonstigen bürokratisch und politisch ausgerichteten Führungskräften stehen verschiedene Verkaufstechniken für die Lobpreisung dieser für die Patienten nachteiligen Veränderung zur Verfügung. Das Volk, das ja in den Augen der Obrigkeit stets nur ein tumbes ist, soll tunlichst nicht merken, wenn die medizinische Versorgung downgegradet und die Kontrollapparate hochgefahren werden.
Also hat man für Einsparungen und verwaltungstechnische Restrukturierungen aller Art diverse Decknamen und Euphemismen erfunden: Die Begriffe Effizienzsteigerung, Kostendämpfung, Qualitätssicherung, Controlling, Arbeitszeitflexibilisierung, bedarfsorientierte Personalplanung, Optimierungsprozess, Evaluation, Assessment und ähnliches anderes professionell klingendes BlaBla findet man heute in jedem x-beliebigen Papier, in dem es um Verwaltung, Kosten und Effizienz im Gesundheitswesen geht.
Freilich: Gegen die sinnvolle und verantwortungsbewusste Verwendung der naturgemäß immer begrenzten Mittel ist nichts einzuwenden und ein gutes Management ist zweifellos vonnöten. Es ist sogar die Pflicht von uns allen, gerade in der Medizin sorgsam mit den Ressourcen umzugehen und alle medizinischen Handlungen auf Kosten und Nutzen zu überprüfen.
Rechtfertigt diese Gegebenheit aber die Tatsache, dass die Strukturierung der medizinischen Versorgung sukzessive von Nicht-Medizinern übernommen wird und dass die systemerhaltenden und maßgeblichen Spezialisten der Medizin (und das sind nun einmal die Ärzte) immer mehr an den Rand gedrängt werden? Dort sollen sie zwar weiterarbeiten, in immer kürzeren Zeiträumen immer mehr erledigen und natürlich vor allem die direkte Verantwortung für die Medizin tragen. Aber sie sollen bitte ja nicht mehr federführend und organisierend ins System eingreifen. Ist das klug? Wird das System dadurch günstiger? Und: Nützt das den Patienten?
Die Antwort ist ein ganz klares Nein. Wenn die Politik und die von ihr eingesetzten Verwalter die Ärzte nur noch als Kostentreiber sehen, die man kontrollieren und einschränken muss und die man auf keinen Fall mehr mitreden lassen darf, dann wird die Versorgung definitiv schlechter werden und das System wird vor allem im stationären Bereich paradoxerweise auch teurer.
Dafür gibt es wissenschaftliche Belege: http://www.aerztekammer.at/nft-datenundzahlen/-/asset_publisher/veJ7/content/id/5240114
Klares Ergebnis dieser internationalen Studien: Den besten Outcome haben diejenigen Krankenhäuser, deren oberster Chef ein Arzt ist - und nicht ein Bürokrat. In Österreich haben wir die absurde Situation, dass nur in ganz wenigen Spitälern leitende Ärzte auch als Geschäftsführer tätig sind. Der politisch opportune und medizinisch kaum ausgebildete Verwalter ist in den Chef-Etagen wesentlich häufiger zu finden als ein erfahrener Arzt mit ökonomischem Wissen (obwohl es heute genug solche Ärzte gibt).
Zusätzlich finden wir in unseren Krankenhäusern noch das unselige Konstrukt der sogenannten Kollegialen Führung vor: Das ist ein Trio aus Arzt, Pflege und Verwaltung, die laut Gesetz gleichberechtigt die Entscheidungen treffen sollen. Dass das nicht funktioniert und fast immer zugunsten der Verwaltung ausgeht, ist nach dem oben Gesagten klar. Die Selbstlähmung der kränkelnden medizinischen Institutionen namens Spitäler, deren Heilung offenbar nur im weiteren Ausbau der Verwaltung besteht, schreitet damit munter fort.
Fazit: Der Wasserkopf Verwaltung und die Entmachtung der medizinischen Berufe (auch der Pflege wird natürlich dauernd am Zeug geflickt) führen zu einer kontinuierlichen Verschlechterung der Gesamtsituation.
Ich erspare dem Leser Zahlen- und Datenmaterial, das ist alles im Internet zu finden. Lieber rate ich jedem an der Gesundheitsversorgung Interessierten, einmal "off the records" mit Spitalsärzten oder Pflegekräften zu reden, wie diese die Zukunft der überverwalteten und in bürokratischen Exzessen erstickenden öffentlichen Krankenhäuser sehen.