Österreich ist eine repräsentative Demokratie. Die Gesetze werden im Parlament von den Nationalratsabgeordneten, also von den gewählten Repräsentanten des Volkes, beschlossen. Gesetzes-Anträge werden im Nationalrat angenommen oder abgelehnt, so will es die Verfassung. Zusätzlich gibt es eine Reihe von Instrumenten der direkten Demokratie: Petition, Volksbegehren, Volksbefragung, Volksabstimmung. Mit diesen Tools können Bürger aktiv Gesetze und Entscheidungen beeinflussen oder einfordern.
Mit den drei Säulen der bewährten demokratischen Gewaltentrennung unterscheiden wir grundsätzlich die Legislative (also das Parlament bzw die Gesetzgebung) von der Judikatur (der Gerichtsbarkeit) und der Verwaltung. Diese Konstruktionen haben sich über Jahrzehnte bewährt, weil sie ihren Zweck erfüllen und Österreich dadurch seit langem ein weltweit anerkannter Rechtsstaat ist.
Zusätzlich zu diesen drei Säulen der Demokratie gibt es die sogenannte "Vierte Macht im Staate" - die Medien. Diese haben zwar keine demokratische Legitimation (sie sind nicht gewählt), sie besitzen aber nach allgemeiner Übereinkunft die Aufgabe, neben der Informationsweitergabe auch eine gewisse Kontrolle über die politisch-demokratische Gebarung ausüben zu müssen. Böswillige Zungen sprechen heute sogar von der "Mediokratie", weil durch die Errungenschaften des Kommunikationszeitalters das, was im TV, in der Zeitung oder in einem online-Medium gebracht wird, wichtiger und fundamentaler scheint als die demokratisch geschaffenen Fakten. Andererseits ist somit das, was nicht medial erscheint, auch nicht existent.
Die Wähler und Bürger sind daher in hohem Maße von der Art der Informationsweitergabe und von der Korrektheit der Inhalte abhängig und vielleicht noch mehr von der Interpretation derselben, welche von den Medienleuten vorgenommen wird. Durch das Internet haben die Bürger aber mittlerweile auch die Möglichkeit, sich selbst ein Bild von den Geschehnissen und vom politischen Entscheidungsprozess zu machen. Die Social Media laufen den klassischen Informations-Medien immer mehr den Rang ab.
Das ist ein Hauptgrund dafür, dass viele Zeitungen und TV-Sender heute vor allem vom Kommentar- und Meinungs-Journalismus leben und nicht mehr wie früher in erster Linie vom schnellen Report. Diese Entwicklung ist gut und schlecht zugleich: Medienleute können auf diese Weise ganz gezielt Informationen gewichten, kommentieren und je nach ihrer eigenen ideologischen Ausrichtung interpretieren und in ihren Medien dann entsprechend präsentieren. Gut ist das insofern, als der Leser/Rezipient dadurch Zugang zu vielen Meinungen erhält.
Schlecht ist es, wenn die Medien absichtlich Informationen verkürzen oder gar weglassen, Tatsachen einseitig beleuchten und/oder Fakten einfach übergehen. Gänzlich übel wird es, wenn der Meinungs-Journalismus tendenziös und wertend daherkommt - sei es aus pekuniären Gründen, weil man brave politische Inseratenkunden nicht vergraulen will, sei es aus meta-politischen Gründen, weil man etwa bestimmte andere Meinungen vorsätzlich verändern oder gar totschweigen will. Einfach nur deswegen, weil sie einem selbst oder einer nahestehenden Lobby nicht passen. Wenn ein Kommentator oder ein Medium eine große Reichweite besitzt, kann so ein Verhalten durchaus manipulativ wirken und damit Stimmung für oder gegen etwas gemacht werden. Der Anstand und die Professionalität verlangen es, dass persönliche Meinungen von professionellen Autoren explizit und gut erkennbar auch als solche bezeichnet werden. Das geschieht leider nicht immer.
Freilich ist auch bei einer erklärten persönlichen Meinungskundgebung eine subtile Manipulationstendenz gegeben - einfach aufgrund der medialen Reichweite einzelner Medien und Personen. In diesen Fällen ist es dann auch irgendwie ein bisschen unsauber und nicht sehr mutig, wenn man Meinungs-Bildung über die Medien-Orgeln betreibt statt dass man persönlichen Mumm beweist, selber in die Politik respektive in die demokratische Arena geht und dort seine Meinung vertritt.
Um nicht missverstanden zu werden: Medien sind Horte der Meinungsfreiheit und sollen das auch bleiben. Aber man muss die Schattenseite namens "Manipulationsgefahr" gerade als Politiker im Auge behalten. Es muss daher eine auf Gegenseitigkeit beruhende Kritik-Kultur geben dürfen und Politiker sollten nicht auf Zuruf und je nach Belieben der Medien ihre Haltungen ändern. Das gefährdet sonst die Demokratie.
Netzwerke und Seilschaften sind längst nicht mehr die Domäne der Politik, sondern viel mehr ein Kennzeichen der Medienlandschaft geworden. Dort hat sich vor allem im sogannten Qualitätsbereich ein "Juste Milieu" gebildet, das kommunikativ gut abgestimmt eindeutig Meinung machen will. Das geht soweit, dass demokratische Prozesse und Entscheidungen durch die Art der Berichterstattung und der Kommentare beliebig etikettiert und letztlich auch geformt werden: Passen die parlamentarischen Ergebnisse zur Erwartungshaltung, werden sie gutgeheißen. Passen sie nicht, werden sie entweder "abgestochen" oder auch ganz einfach übergangen und totgeschwiegen.
Ein Paradebeispiel dafür war die parlamentarische Entscheidung am 18.6.2015 zu einem Antrag der Grünen: Die nämliche Fraktion forderte die "Ehe für alle". Die Abgeordneten des Parlaments lehnten den Antrag mit 110 zu 26 Stimmen klar ab. Der mediale Niederschlag dieses sehr eindeutigen Votums war überschaubar: dort und da ein Einzeiler, aber kein einziges Medium brachte einen substanziellen Bericht dazu, keiner der arrivierten Kommentatoren fand es der Mühe wert, seine Überlegungen dazu zu publizieren. Auf den SM war von den üblichen Proponenten der "Ehe für Alle" ein konsterniertes Grummeln zu lesen, ansonsten: Schweigen. Und das, obwohl in Irland vor kurzem ein weltweit beachtetes Referendum stattgefunden hat, mit welchem dort die "Ehe für alle" legitimiert wurde.
Man stelle sich vor, die Abstimmung in Österreich wäre umgekehrt, also für die Freigabe der Ehe ausgegangen: Die hiesige Medienlandschaft wäre vermutlich eine Woche lang Kopf gestanden.
Nach der Schweigephase wurde seitens einiger Kommentatoren dann doch versucht, die Gründe für das Scheitern des Antrages zu finden: Die Rede war etwa davon, dass der Nationalrat ja mit dem Volk nichts zu tun hätte. Oder: Der Klubzwang würde echte freie Abstimmungen ja verhindern. Und: Abgeordnete seien eben keine wirklichen Volksvertreter. Usw, usf.
Mit anderen Worten: es wurde unser eingangs beschriebenes und bestens bewährtes Instrument der Demokratie, nämlich das Österreichische Parlament, als unbrauchbar und nicht legitimiert bezeichnet, über bestimmte Fragen zu entscheiden.
Das ist eine demokratiepolitisch äusserst heikle Sicht der Dinge. Wenn dem Parlament willkürlich und aus ideologischen Gründen in gewissen Entscheidungsfragen Inkompetenz attestiert wird, müssen bei jedem echten Demokraten die Alarmglocken läuten.
Denn was bedeutet es im Klartext, wenn Medien bestimmte Informationen über demokratische Prozesse de facto zurückhalten und Kommentatoren das Hohe Haus als nicht geeignet für gewisse Abstimmungen befinden?
Soll damit Druck ausgeübt werden? Heisst das, die Demokratie soll beliebig adjustierbar sein? Soll das Parlament auf Hypes und Zurufe reagieren und auf gerade moderne Anträge das vom Juste Milieu erwartete Ergebnis erbringen? Sollen die Abgeordneten je nach Mode abstimmen? Wer soll denn in Österreich festlegen, wie demokratische Prozesse zu sein haben, wenn nicht die Verfassung? Wer soll über die reale Ergebniskompetenz verfügen? Wollen wir das Parlament getreu dem Bismarck`schen Diktum zu einer reinen "Quatschbude" ohne Entscheidungsfähigkeit machen? Oder wollen wir ein Parlament, dessen Entscheidungen wir in jedem Falle respektieren? Und wenn uns als Bürger die im Parlament getroffenen Entscheidungen nicht gefallen, warum verwenden wir dann nicht die oben beschriebenen Werkzeuge der direkten Demokratie, statt verächtlich und subversiv die demokratische Institution "Nationalrat" in Frage zu stellen?