Wurst versus Gendern

Conchita Wurst ist nicht nur angetreten, um zu singen, sondern auch um zu demonstrieren, dass das Geschlecht „wurscht“ ist. Auf der persönlichen Website des Sängers steht wörtlich: Aussehen, Geschlecht und Herkunft sind völlig egal. Diese Meinung kann man natürlich haben und der Zuspruch, den Conchita Wurst nicht zuletzt wegen dieser Haltung erntet, ist recht groß. Und freilich sollten weder Herkunft noch Geschlecht noch Aussehen die persönlichen Chancen im Leben negativ beeinflussen. Das sieht heute ohnehin wohl jede(r) so.

Der Anspruch auf Chancengleichheit muss und darf aber nicht heißen, dass es im Leben völlig „wurscht“ ist, ob man Frau oder Mann oder Intersexueller oder Transgender oder was auch immer ist. Zu Ende gedacht führt die Negation der Geschlechts-Bedeutung ja zur allgemeinen sozialen Aufhebung derselben und damit zum Generalversuch, biologische Gegebenheiten qua „sozialer“ Maßnahmen zu neutralisieren.

Ein Neutrum ohne echte weibliche oder männliche Attribute grinst uns da aus einer ziemlich merkwürdigen Zukunft entgegen. Und dieses Neutrum blinzelt auch ein bisschen so, wie Nietzsches letzter Mensch es tat: Dieser hatte sein Lüstchen für den Tag und eines für die Nacht, er war allem Wesentlichen gegenüber neutral und insgesamt keine sehr vorbildliche Erscheinung. Wollen wir das? Oder anders gefragt: Welch furchtbar öde und letztlich völlig entsexualisierte Einheitsgesellschaft wird denn da herbeigewünscht? Wollen wir wirklich, dass lauter Neutra in völliger Wurschtigkeit ihren kleinen Lüstchen nachgehen? Und wie traurig ist diese Vision?

Doch nicht genug mit der Vision des allgegenwärtigen Neutrums. Zeitgleich zur herbeigesehnten Geschlechts-Egalität beherrscht ein anderes, gegensätzliches Phänomen die Medien und den Alltag: Das Gendern. Die Gender-Bewegung will in zunehmender Kampfeslaune die Geschlechter durch sprachliche Begrifflichkeiten allgemein erkennbar machen. Jedes sprachliche Mittel wird dafür in Kauf genommen: Vorm wortverhunzenden Binnen-I bis hin zur Manie, an jedes Hauptwort ein –Innen anzuhängen. Dafür kämpfen besonders die Feministinnen, weil sich diese nach wie vor im gesellschaftlichen Hintertreffen fühlen respektive meinen, den Frauen ginge es sozial noch immer fast so schlecht wie vor 100 Jahren.

Und jetzt wird es paradox, wenn nicht sogar vollends verwirrend: Hier Conchita Wurst samt Epigonen und Fans mit dem bejubelten Wunsch nach geschlechtlicher Wurschtigkeit, dort der vehemente Anspruch, dass das Geschlecht klar und erkennbar wahrgenommen zu werden hat.

Ja was denn nun? Was will die Gesellschaft? Was wollen die kämpferischen Frauen? Conchita oder Gendern? Beides nebeneinander zu beklatschen und nach beidem zu streben ist wohl nicht möglich. Die Unmöglichkeit besteht zumindest solange, als wir uns in logischen Begrifflichkeiten bewegen und seriös bleiben wollen. Wenn wir jedoch alles „wurscht“ finden möchten, dann ist es natürlich machbar, einerseits für Egalität zu sein und andererseits die Geschlechter-Differenz einzufordern. Weils ja wurscht ist, was man fordert – Hauptsache, man fordert.

Solange man aber ernstgenommen werden will, kann man nicht den geschlechtlichen Einheitsbrei verlangen und simultan die Sprache so verändern wollen, dass die Geschlechter möglichst gut zu differenzieren sind. Das wird recht bald ziemlich absurd und richtet sich am Ende selbst.

5
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
4 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Andrea Walter

Andrea Walter bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Herbert Erregger

Herbert Erregger bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

Livia

Livia bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:05

6 Kommentare

Mehr von Marcus Franz