Zu intellektuell für Österreich?

Liberal im ursprünglichen Sinn ist, wer die freie Marktwirtschaft und den freien Wettbewerb für sinnvoll hält, wer die freie Meinungsäußerung schätzt und die individuelle Freiheit als Grundnorm des Staates betrachtet. Als liberal gilt weiters derjenige, welcher staatliche Regulierungen so gering wie möglich halten will und wer die Eigenverantwortung des Bürgers befürwortet.

Der Liberale sieht die Haupt- und Grundaufgabe des Staates darin, Recht und Freiheit zu erhalten. Dem Liberalen ist aber auch bewusst, dass jedes Recht immer auch mit Pflichten verbunden ist und dass die Freiheit des Einzelnen durch die Freiheit des Anderen seine Grenzen erfährt. Liberalismus hat also grundsätzlich nichts mit jener Rücksichtslosigkeit und jenem kalten Egoismus zu tun, die den Liberalen mit dem übelmeinend gebrauchten Begriff Neo-Liberalismus heute gerne unterstellt werden.

Zum Liberalismus gehört nämlich sehr wohl auch die Verpflichtung zu sozialen und karitativen politischen Maßnahmen, beispielsweise ist etwa die Grundsicherung eine in liberalen Kreisen durchaus positiv bewertete Idee. Liberal sein ist auch in keiner Weise mit Nationalismus oder Blut-und-Boden- Ideologien vergesellschaftet, wie das fälschlich oft geglaubt und immer wieder verbreitet wird.

Der Liberale hat mit totalitären Ideologien jeglicher Färbung nichts zu schaffen, egal ob links oder rechts. Im Gegenteil, diese Systeme sind definitionsgemäß die einzigen Feindbilder des ansonsten grundsätzlich friedfertigen und toleranten Liberalismus.

In Österreich hat der genuine Liberalismus eine vergleichsweise gering ausgeprägte Tradition. Dies ist historisch einerseits durch die langfristig tief verwurzelten Feudalsysteme und andererseits durch die nach dem Sturz der Monarchie das Feudalwesen ersetzenden korporativen Elemente des Staates begründet, die auch heute noch eine echte liberale Gesinnung an ihrer Verbreitung hindern. Das körperschaftlich zusammengesetzte Österreich mit seinen paternalistischen und vereinnahmenden Grundtendenzen (wie etwa den diversen Zwangsmitgliedschaften bei den Kammern usw.), der Wohlfahrtsstaat und die daraus resultierende typisch österreichische Obrigkeitshörigkeit und Gläubigkeit an Vater Staat sind zweifellos keine liberalen Phänomene.

Im Weiteren lief der Liberalismus – nicht nur In Österreich - immer Gefahr, von rechten oder linken Strömungen vereinnahmt und missbraucht zu werden: Die Chef-Ideologen der Kommunisten, der Ur-Sozialisten wie auch der Nationalisten und Faschisten wollten (und wollen) gerne liberale Elemente in ihre Gedankengebäude einbringen, sie alle übersahen dabei aber geflissentlich, dass in jeglichen totalitären und kollektivistischen Systemen die Freiheit des Einzelnen und jeder Individualismus zwangsläufig verloren geht. Als politisches Feigenblatt und Propaganda-Slogan eignet sich jedoch der Begriff der Freiheit für alle diese Ideologien ganz vorzüglich, man braucht nur entsprechende Feindbilder zu konstruieren, die angeblich die Freiheit des Bürgers einschränken würden.

Dabei ist es egal, ob der Feind dann Kapitalist, Großkonzern, Globalisierung, EU oder Ausländer heißt. Das Ressentiment der Massen ist solcherart schnell und gut bedient. Durch diesen oftmaligen Missbrauch der liberalen Philosophie sind jenes Missverständnis und jener Hautgout entstanden, welche dem Liberalismus in Österreich leider anhaften. Und das ist schade, denn gerade die liberalen Grundsätze ermöglichen allen Bürgern eine bessere Ausgangsposition im öffentlichen und politischen Diskurs.

Man kann aber aus der Missbrauchsgeschichte auch einen Schluss ziehen: Echter Liberalismus setzt eine gewisse intellektuelle Reife und die Fähigkeit der eigenen Meinungsbildung voraus, ansonsten gerät man nur allzu leicht in Gefilde, wo außen liberal draufsteht, innen drin aber ganz andere Philosophien gepflegt werden. Und genau hier liegt der springende Punkt: Um eine Gesellschaft von mündigen Bürgern zu schaffen, muss sich der Liberalismus zumindest bis zu einem gewissen Grad durchsetzen, denn nur unter seinen Bedingungen ist ein entsprechender Ausgang des Einzelnen aus der längst nicht mehr nur selbstverschuldeten Unmündigkeit möglich.

Aus genannten Gründen hat sich der Liberalismus in Österreich bis heute nur in relativ kleinen Zirkeln behaupten können. Und das ist leider ein Armutszeugnis für die politische und intellektuelle Wirklichkeit unseres Landes.

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Martin P.

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