Was genau ist eigentlich militant?
Nie hat mich ein militanter Raucher gezwungen, eine Zigarette zu rauchen. Das stimmt. Im Gegenteil haben mir Angehörige meiner Familie sogar das Rauchen verboten. War ja auch gar nicht nötig, dass ich rauchte. Wenn ich inmitten der Familie spielte, atmete ich sowieso genug Nikotin ein. Bis auf meine Großmutter, rauchten nämlich alle. Vermutlich hatte ich mehr Nikotin im But, als die erwachsenen Raucher. Damals war das normal. Ging man in ein Kaffeehaus, roch man danach wie eine alte Pfeife, auch wenn man selbst keine einzige Zigarette geraucht hatte.
Militant sind die anderen, die es wagen, sich gegen die traditionellen Werte aufzulehnen, indem sie diese ablehnen. Wobei man in diesem Zusammenhang wohl kaum von Werten sprechen kann. Eher von Gewohnheiten und von Süchten.
Leider treten immer wieder solche Ablehner auf. Sie kommen aus dem Nichts und ehe man sichs versieht, vermehren sie sich und werden zur Bedrohung. Es begann mit den militanten Nichtrauchern, die den netten, geselligen Rauchern verboten haben, überall zu qualmen. Jetzt darf man nicht einmal mehr im eigenen PKW rauchen, wenn Kinder im Auto sind! Was war das für eine Aufregung!
Beim Alkohol sah es etwas anders aus. Als ich etwas älter wurde kam es schon mitunter vor, dass man mich aufforderte: "Na ein Gläschen kannst du doch mit uns trinken!" Ich habe mich zwar manchmal überreden lassen, überzeugt hat mich der Alkohol jedoch nicht. Richtig gezwungen wurde ich zum Trinken nicht. Bis heute verstehe ich nicht, was am Alkohol gut schmecken soll. Eines wurde mir jedoch klar, die Leute werden lustig, wenn sie trinken. Besonders lustig ist es, wenn sie dann ins Auto steigen und in Schlangenlinien die gerade Straße entlang donnern. Vor allem wenn man auf der Rückbank sitzt, oder man ihnen in die Quere kommt. Ich habe einige derartige Erfahrungen gemacht. Bis heute fühle ich mich schlecht, wenn jemand anderer den Wagen lenkt.
Die militanten Antialkoholiker konnten sich bisher noch nicht so recht durchsetzen. Wahrscheinlich, weil die meisten Politiker einem Gläschen auch nicht gerade abgeneigt sind. Aber man wurde auch immer mehr eingeschränkt. Die Promillegrenze beim Autofahren wurde zwar nicht - wie in anderen Ländern - auf 0 gesetzt, das haben sie sich nicht getraut, aber sie wurde niedriger. Zum Glück gibt es wenigstens noch immer einen Strafnachlass, wenn man betrunken ein Verbrechen begeht. Wird man das auch irgendwann aufweichen?
Jetzt tauchen plötzlich militante Klimaschützer auf. In Deutschland zittert man vor ihnen, weil sie den Verkehr behindern, indem sie sich auf die Straße kleben. Sie werden zur terroristischen Vereinigung erklärt. Die Wut der Bevölkerung kocht hoch, die Angeklebten werden von Passanten verprügelt, wenn sie Pech haben, oder man schleift sie nur von der Fahrbahn, wenn sie Glück haben. Die Polizei muss die Militanten, vor den netten Autofahrern schützen. Im Stau stehen ist hingegen ein rieisger Spaß, wenn er durch andere und das eigene Auto verursacht wird. Ich stand schon oft im Stau. Menschen die vor einem Autoe stehen, oder sitzen, werden als gefährlich empfunden. Es gehört auch großer Mut dazu, sich einem Auto in den Weg zu stellen. Im normalen Straßenverkehr geht das ja auch selten gut aus.
Was ist also militant? Der Wunsch, nicht verqualmt und nicht in seiner Gesundheit beeinträchtigt zu werden? Die Hoffnung, nicht von jemandem durch einen Autounfall getötet zu werden? Der Wunsch, nicht irgendwann zu verhungern, weil man alles zu betoniert und immer neue Straßen gebaut werden, statt grüne Flächen anzulegen? Die Hoffnung, nicht bei 50° C und mehr, lebend gekocht zu werden?
Junge Menschen haben das Recht, sich zu wehren, wenn man ihnen die Zukunft nimmt. Vielleicht sollte man einmal darüber nachdenken, was man mit seinen Handlungen bewirkt. Ob man nicht selbst militant ist, wenn man darauf beharrt, den Weg in die Katastrophe fort zu setzen. Schließlich geht man diesen Weg nicht alleine. Man nimmt alle anderen mit, die sich nicht dagegen wehren können.
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