Ich fühle mich geschmeichelt. Endlich einmal ein Politiker, der mich auf meine äußeren Merkmale reduziert, ohne das ganze intellektuelle Klimbim. Und der auch noch in der Öffentlichkeit honoriert, dass ich drei (gesunden und tüchtigen) Kindern das Leben schenkte und das zur Norm erheben möchte, damit wir im Globalisierungsdschungel, der uns bedroht, nicht untergehen. Herr Weinzinger, das ist mir noch nie passiert, obwohl ich die österreichische Innenpolitik jetzt schon seit längerer Zeit verfolge.
Da Sie sich darauf verlassen können, dass FPÖ-WählerInnen kein Gedächtnis haben, sich also weder an die unschuldsvermuteten Machenschaften von Schwarz-Blau erinnern noch daran, dass das mit dem Blond und den blauen Augen vor längerer Zeit im schlimmsten Völkermassaker der Menschheitsgeschichte endete, ist ja alles in bester Ordnung. Welche Augenfarbe haben eigentlich Sie?
Mich wundert, dass die Mütter, die ich kenne, ausnahmslos nicht Ihre Partei wählen. Vielleicht hilft ja mein kleiner Artikel, sie umzustimmen. Obwohl. Die FPÖ tut sich ja in den sogenannten Frauenfragen ein bisschen schwer. Sie will das Frauenministerium abschaffen, war in Oberösterreich maßgeblich daran beteiligt, dass Alleinerziehende, beim Antrag auf Wohnbeihilfe jetzt auch die oftmals spärlichen Alimentationszahlungen dazurechnen müssen, wodurch viele ihren Anspruch verloren haben. Jetzt mal ganz unter uns: da sind sie wirklich selber schuld, sie müssen ja nur wieder heiraten.
Kennen Sie das Mutterkreuz? Das sollten Sie im Wahlkampf schnell noch erwähnen! Da hatten die Nazis nämlich ein tolles Instrument geschaffen, um die Familienplanung blondundblaueaugenfreundlich zu gestalten. Nicht nur, dass es ins rechte Weltbild passte, die Frau aus der Öffentlichkeit zu verbannen damit sie ihrer angeborenen Rolle als Gebärende und Mutter frönen konnte, nein, die deutsche Frau fand endlich ihre persönliche Erhöhung für ihre Verdienste am Volk. Da war es sehr hilfreich, blauäugig und blond sein, da sie dann als besonders „erbtüchtig“ galt und mit der Auszeichnung als „anständig“ und „sittlich einwandfrei“ befunden wurde, vorausgesetzt natürlich, dass ihre Kinder lebend geboren wurden. Damit alles seine Ordnung hatte, gab es das Ehrenkreuz in drei Stufen und drei Farben: die dritte, bronzegetönte Stufe, wenn sie vier oder fünf Kinder hatte (drei reichten nicht, das haben Sie wohl vergessen, was sie allerdings als treuen FPÖ-Mann ausweist), die zweite, versilberte Stufe, wenn sie sechs oder sieben Kinder hatte und die erste, vergoldete Stufe, wenn sie acht oder mehr Kindern das Leben schenkte. Frage: mit meinem Mann zusammen (blaugrüne Augen und ergrautes Haar) hab ich sechs Kinder. Gilt das auch?
Sie haben übrigens vergessen (schon wieder) zu erwähnen, was mit den Müttern zu geschehen hat, die nicht blond und blauäugig sind. Also z.B. muslimische Frauen, die mit ihrer Reproduktionsfähigkeit derzeit Europa bedrohen. Das war Hitler nicht passiert, der auch sofortige Maßnahmen zur Eugenik beschlossen hatte: Sterilisation und Zwangsabtreibung. Das Kluge an der Sache: Hitler beschränkte seine Maßnahmen nicht nur auf nicht-arische Frauen sondern machte Nägel mit Köpfen: auch „das Bettelvolk und die umherziehenden Armen“ durften keine Kinder bekommen. Da ist die FPÖ mit ihrem Bettelverbot und der Flüchtlingshetze ja schon mal auf dem richtigen Weg.
Ich stehe täglich im Badezimmer und bin stolz auf meine blonden Haare. Mein Mann liebt mich wegen meiner blauen Augen. Finden Sie es schlimm, dass ich nicht nur deutsch spreche? Jedes Mal, wenn ich meine gesunden Kinder sehe, wird mir bewusst, wie wichtig meine Gebärfähigkeit für Österreich ist und hoffe inständig, dass meine zahlreichen Enkelkinder so blond werden wie ich.