Frau Innenministerin,
heute morgen erhielt ich vier Nachrichten, die mir Anlass zur Sorge geben:
1) Die Terrorattentate in Brüssel
2) Ihre Entscheidung, unsere getätigten Spenden von den Fördergeldern der Hilfsorganisationen abzuziehen
3) der offene Brief von 80 KünstlerInnen, der mich über Ihre u. U. geplante Stationierung von Panzern an der Österreichischen Südgrenze informierte
4) Ihre Androhung, in unseren Gemeinden das sogenannte „Community Policing“ einzuführen (obwohl die Kriminalitätsrate erwiesenermaßen zurückging)
Da wir seit heute wieder wissen, dass eine verstärkte, BürgerInnenrechte einschränkende Überwachung nicht geeignet ist, Terrorattentate zu verhindern (Punkt 1), sondern eine vernünftige Sozialpolitik am Ehesten befähigt ist, TerroristInnen den Nährboden zu entziehen (Punkt 2), möchte ich mich hier auf die Punkte 3 und 4 beziehen:
Für eine Niederösterreicherin, die zu einer Zeit geboren wurde, in der es keine nennenswerten politischen Umstürze oder unmittelbaren Bedrohungen in und um Österreich gab, muss es ungemein abenteuerlich sein, sich zum Epizentrum verbaler Drohungen und militanter Pläne zu machen.
Als Frau, die nicht das Glück hatte, in politisch sanft gepolsterter Naivität aufwachsen zu dürfen, da ich in Berlin hinter der Mauer geboren wurde, möchte ich Ihnen dringendst zu einem Geschichte-Crashkurs raten.
Nicht nur die von Panzern geschützte Mauer zerriss meine Familie (und wird Familien zerreissen, die vor Krieg und Terror flüchten konnten oder eben nicht), nein, auch die Geheimpolizei, die ohne tatkräftiger Unterstützung der Bevölkerung niemals zu ihrer zersetzenden Macht gefunden hätte ( Konrad Kogler: „Jeder kann mitmachen“): sie trennt Teile meiner Angehörigen bis auf den heutigen Tag, da war die Akteneinsicht nach 1989 gar nicht mehr nötig.
Die Wunden, die sich einander vertrauende Menschen durch die Stasi zufügten, kann auch die Zeit nicht heilen. Das Unvermögen, den geopolitischen Zynismus der Mauer zu begreifen, ist nachhaltig. Nein, die Berliner Mauer wird erst dann endgültig Geschichte sein, wenn alle gestorben sind, die an ihr litten. Die Stasi wird erst dann nur in Geschichtsbüchern eine Rolle spielen (die Sie lesen sollten, Frau Mikl-Leitner!), wenn es die, die einander bespitzelten und verrieten, nicht mehr gibt. Ein naher Angehöriger verlor einen großen Teil seines Freundeskreises an Bautzen, ein Gefängnis, das politisch Andersdenkende mit übelsten Methoden zu brechen versuchte, während ein anderer Karriere machte, weil er dem Staat mit Informationen diente.
Es ist mir gänzlich gleichgültig, wie dumm, kurzsichtig und fern ab vom Weltgeschehen Ihre Umgebung war, in der Sie aufwuchsen und sozialisiert wurden, Frau Mikl-Leitner: Sie haben nicht das historische Recht, Panzer an unsere Grenzen zu schicken und von Festungsmauern zu faseln. Und Sie haben nicht das Recht, in einem Rechtsstaat BürgerInnen aufeinander loszulassen.
Sie entpuppen sich zunehmend zu einer Gefahr für Österreich. Treten Sie zurück.
Maria Stern