Freundschaft ist eine eigenartige Verbindung zwischen zwei Personen. Sie basiert auf Vertrauen und Empathie, kommt (meistens) ohne Sex aus und kann doch jahrelang, ach was rede ich, jahrzehntelang halten. Freundschaftliche Bindungen gehen wir meist schon in der frühen Kindheit ein, teilen die Schaufel mal mit Franz und mal mit Tabea. An Fasching sitzen wir neben Martin und zu Halloween sammeln wir Süßigkeiten ausschließlich mit Maria. In diesem Stadium des Lebens können Freundschaften schnell geschlossen und vergessen werden, man dreht sich eben so schnell wie die Erde selbst.
Marie Hesse
In der Schule sieht das dann meist schon etwas anders aus. Während man mit Lisa nicht mal das Feuerzeug für die heimliche Zigarette hinter der Turnhalle teilt, lässt man Erik während der Matheklausur abschreiben und isst sein Salamibrot bei Luise und ihren Freundinnen. Die Bindungen sind meist fester und rigoroser. Gruppen bilden sich und ob man will oder nicht, in irgendeiner Gruppe wird man landen. Dann lieber bei Luise Salamibrote essen und über die aktuelle tagespolitische Lage Deutschlands (von der man keine Ahnung hat aber egal...) philosophieren, als mit der coolen Lisa hinter der Turnhalle rauchen und den ganzen Tag lang über Haarfarben und Push-up-BHs diskutieren zu müssen.
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Class of 2009
Hat man das Abitur irgendwann überstanden, schreitet man beflügelt über den Marmorboden der nächstgelegenen Universität, studiert Stadtplanung oder Lebensmitteltechnik, nur um sich nach einem Semester schon wieder für Kunstgeschichte oder Modemarketing einzuschreiben. Man redet einfach, total erwachsen, mit jedem Hansel, der in der jeweiligen Vorlesung neben einem sitzt und geht nach Hause um mit dem Kindergartenfreund zu skypen. Freundschaften scheinen, je älter man wird, erstmal nicht mehr so wichtig zu sein. Man schließt sie irgendwie nebenbei oder denkt vielleicht sogar, dass man sie nicht mehr so dringend braucht. Hey, man ist jetzt Student, Mobbing ist sowas von 2007 und überhaupt entwickeln sich die Dinge heute anders als es eben zu Kindergarten- oder Schulzeiten noch war.
Naja, fast.
Irgendwann stellt man fest, dass schnelllebige Freundschaften nur dann Sinn machen, wenn man selbst so rasant durch das Leben fliegt, dass man mit der Zeitumstellung kaum mehr hinterherkommt. Aber es wird langsamer. Das Leben wird immer langsamer und obwohl die Zeit schneller läuft, geht man schneller wieder gebückt und am Stock als man sich das vorstellen kann.
„Klar darfst du andere Freunde haben, du musst mich nur mehr lieben als die“
Aber neben all den kurzfristigen Bekanntschaften gibt es immer den einen Freund. Der, der Geld spart um dich auf der anderen Seite der Erde zu besuchen. Der, der nachts um halb vier mit Schokolade und billigem Rotwein auf deiner Matte steht, weil du gerade eine Beziehung per WhatsApp beendet hast. Der, der dir nach einem Clubbesuch die Haare hält und dir am nächsten Tag: „Hat eh keiner mitbekommen“ ins Ohr flüstert obwohl alles gefilmt wurde. Der der immer da ist. Oder die.
Ich habe auch so eine Freundin. Seit mittlerweile 15 Jahren gehen wir regel- und unregelmäßig gemeinsam durch das was man Leben nennt. Mal leben wir in der gleichen Stadt, mal nicht auf dem gleichen Kontinent. Wir sind mittlerweile so lange befreundet, dass ich nicht mal mehr weiß wer von uns der schlechte Einfluss ist. Kontakt halten wir über viel zu lange Sprachnachrichten, wirre Skype Telefonate und rechtschreibfehlerbehaftete und seitenlange SMS. Es ist nicht immer einfach aber die Technik macht es möglich. Manchmal sind wir gemeinsam auf einer Party und das, obwohl ich 2000km weiter nördlich wohne und gerade auf der Couch sitze. Dank Videoaufnahmen, Boomerangs und Fotos, die sich bewegen können, kann ich neben ihr und dem betrunkenen Lockenkopf im Celeste in Wien stehen, lese aber eigentlich gerade in Edinburgh ein Buch über Kant.
„Hauptsache, wir sitzen später im selben Heim“
Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen sehr viel einfacher als es in der Realität dann doch eigentlich ist. Videos und Fotos sind auch nach einer Farbbearbeitung noch kalt, Stimmung kann nicht über audiovisuelle Sequenzen übertragen werden und nur, weil ich Aufnahmen von Cocktailgläsern und Wodka Shots sehe, heißt das noch lange nicht, dass ich auch betrunken werde.
Manchmal sitze ich in einem Café und sehe jemanden der so aussieht wie Nicholas Cage und obwohl ich in dem Moment denke: „Oh Gott, das musst du ihr erzählen!“, habe ich in dem Moment keinen Nerv mein Telefon aus der Tasche zu kramen und eine Nachricht zu schreiben. Diese Information geht somit verloren.
Da ich einen eher an Nomaden erinnernden Lebensstil gewählt und somit meine Adresse sehr häufig Ländergrenzen überschreitend verändere, muss ich damit leben. Wir beide.
Freundschaft ist kein Geschenk. Nichts, was wir als gegeben hinnehmen können. Es ist harte Arbeit. Vielleicht ist es härter für eine Freundschaft zu arbeiten als an einer Beziehung festzuhalten. Wahrscheinlich ist die Freundschaft auch nichts anderes als eine Ehe, nur eben ohne Ring. Man muss wollen, dass es funktioniert. Man kann nicht erwarten, dass es problemlos immer weiter und weitergeht nur, weil es mit vierzehn doch auch so einfach funktionierte. Für Freundschaften muss man Opfer bringen, man muss manchmal um die halbe Welt fliegen um den anderen sehen zu können, muss manchmal Nachrichten schreiben, obwohl man sein Handy gegen die Wand werfen will und man muss es schaffen den anderen immer wieder in sein Herz und Hirn zu lassen.
Die (nicht mehr ganz so neuen) Medien machen es vielleicht leichter den Moment zu konservieren und verschicken zu können, sie helfen jedoch nicht dabei Freundschaften zu pflegen. Das muss man schon selber tun.