Ich bin schon wieder viel zu spät dran, ich renne. Der Zug wartet natürlich keine 2 Minuten auf mich, also muss ich mich beeilen. Spontan habe ich mich dazu entschlossen, am Feiertag ins Büro zu fahren. Die Arbeit löst sich nicht von selbst auf und mein Schreibtisch ist voller Akten die abgearbeitet werden müssen. Ich hab den Zug tatsächlich erwischt, 100 Punkte für mich und mein Zeitmanagement.

Der Bahnhof und der Zug sind menschenleer, niemand fährt heute mit den Öffis in die Stadt. Zumindest nicht um diese frühe Uhrzeit. Ich sitze alleine im Abteil und genieße die Stille, die absolute Stille. Da erhalte ich ein SMS von meiner besten Freundin mit der einfachen Frage: "Hey. Hast du schon Pläne für Silvester?" . Mir wird voll heiß, ich habe total vergessen, dass ich mir darüber Gedanken machen soll. Dieses jährliche Ereignis hab ich komplett ausgeblendet, verdrängt könnte man fast sagen. Der Jahreswechsel wird innerhalb meines Freundeskreises immer groß und pompös gefeiert. Eigentlich vollkommen umsonst, denk ich mir, Aufregung umsonst. Ein Halligalli für nichts. Jedes Jahr dasselbe Theater, jedes Jahr dieselben hohen Erwartungen die niemand erfüllen kann. Doch heuer, denke ich mir, wird alles anders. Besser, großartiger und aufregender.

Das aktuelle Jahr war anders als die vorherigen Jahre meines Lebens. Ehrlich ganz anders oder doch ganz gewöhnlich, ich bin mir unsicher. Es war auf jeden Fall (wieder) turbulent, nervenzerrend und erfolgreich. Ich hab das erste Mal eine ganze Woche im Spital verbracht, ich hatte meine erste Operation. Klar, mit vier Jahren wurden mir die Mandeln entfernt, aber das gehörte damals zum ganz normalen Service. Also war es heuer doch ein aufregender Krankenhausaufenthalt, etwas Bedeutungsvolles. Meine Verletzungen waren schwerwiegend und darum kümmerten sich Krankenschwestern und Ärzte um mich, wie um einen noch besseren Klassenpatienten. Ich hatte zwar wahnsinnige Schmerzen, aber die große Kümmerei um mich gefiel mir. Ich bekam so viel Besuch wie der Staatspräsident, so viel Geschenke wie ein kleines Kind zu Weihnachten + Geburtstag zusammen und alte Freunde wollten wieder eine kurze Rolle in meinem Leben spielen. So kann ich dem Aufenthalt im Spital durchaus was positives abgewinnen. Außerdem, und das zu meiner eigenen Überraschung, konnte ich gleichzeitig mein Studium abschließen. Einen Job hab ich auch, den hatte ich auch schon während meiner Studienzeit. Teilzeit halt und jetzt Vollzeit. Übernommen, war das Wort der Personalchefin, das wie gute Musik in meinen Ohren klingt. Auch noch in diesem Augenblick.

Nachdem ich meine vielen Gedanken rund um das vergangene Jahr sortiert hatte und der Zug den Ausstiegsbahnhof erreicht hat - schrieb ich meiner Freundin zurück: "Ich weiß es noch nicht genau, ich weiß nur, dass ich heuer besonders toll feiern will, denn 2015 wird erst recht mein Jahr". Und irgendwie bin ich enttäuscht heute alleine im Zugabteil sitzen zu müssen [...]!!

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:16:56

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