Wie sinnvoll sind die ärztlichen Proteste?

Der Mitbewohner von Ben ist Arzt. Angehender Arzt, Turnusarzt. Da ich meine freien Abende immer öfter in der Wohnung von Ben verbringe, treffe ich auch mehr oder weniger unfreiwillig Josef. Dieser kennt kein anderes Thema mehr, als die Arbeitsbedingungen in Krankenhäuser. Die Ausbildungswege von Ärzten. Die Nachteile in Österreich zu arbeiten, die Vorteile ins Ausland zu wechseln. Seit Tagen, eher seit Wochen liegt er mir damit in den Ohren. Er nimmt an allen möglichen Versammlungen teil und postet diverse Zeitungsartikel auf seiner Pinnwand. Sein Hauptargument in dieser zachen Debatte: "Jeder braucht uns." Ja gut, das stimmt auch. Irgendwie fährt dieses Argument jede weitere Aussage gegen die Wand. Er spricht von Abhängigkeit, dass die gesamte Bevölkerung von der Betreuung, der Ausbildung in Krankenhäusern abhängig ist. Das ist natürlich auch richtig. Von schlecht ausgebildeten Ärzten, von müden Chirurgen und von unmotivierten Pflegern profitiert niemand.

Wie ich jetzt so im Zug sitze. Auf dem gewöhnlichen Weg in die Arbeit. Höre ich zwei Herren zu, die sich über dieselbe Thematik unterhalten, wie Ben, Josef und ich seit über 336 Stunden. Sie sprechen davon, dass die Proteste zu sehr emotionsgeleitet sind, zu wenig sachlich, zu wenig an eine bestimmte politische Instanz adressiert. Punkt geht an euch, denk ich mir. Ganz klar, dass ist auch, das was mich an den Diskussionen mit Josef so aufreibt: sein eigenes Selbstmitleid, die ganze Zeit tut er sich selbst in diesem ganzen Prozess am meisten leid. "Was haben die Ärzte davon, wenn sie Operationen verschieben, weil sie lieber eine Versammlung abhalten?", fragt der Herr mit Bart den anderen Herrn ohne Bart. Ich weiß keine Antwort, keine Ahnung. Dass vielleicht die Bevölkerung merkt, dass sie vom Krankenhauspersonal abhängig ist. Der Mann ohne Bart antwortet: "Damit das Abhängigkeitsgefühl spürbar wird." Ha, dieses Argument geht immer. Die beiden nicken sich wortlos zu.

Ob bei der ganzen Sache was raus kommt? Was die politische Seite von sich gibt, lässt nur wenige Schlüsse zu. Ich weiß nicht, wo Proteste hinführen, hinführen können. Heute findet wieder eine Betriebsversammlung statt, lese ich. Kleingruppen sollen Lösungsvorschläge ausarbeiten. Ergibt das Sinn? Bringt das was? Führt das zum gewünschten Ziel? Stellen sich die Betriebsräte und ähnliche Personen solche Fragen? Oder streiken die einfach? Ich weiß es nicht. Ich finde keine Antworten auf diese Fragen. Ambulanzen werden in diesem Zeitraum eingeschränkt sein, es wird zu langen Wartezeiten kommen. "Gesundheitsministerin Oberhauser schlägt vor, dass sich alle mal gemeinsam an einen Tisch setzen sollen", sagt ein Herr. Ich hab nicht hingesehen, darum weiß ich nicht welcher von den beiden. Vielleicht kein schlechter Ansatz, denk ich mir [...] !!!

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:03

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