Mit einem blauen Sündenregister und vergangenheitsbezogener Wohlfühl-Rhetorik wird die SPÖ in Wien kein Leiberl mehr haben.
Es wird schmutzig werden in den kommenden Monaten. Während H.C. Straches FPÖ seit dem Koalitionsschluss im Burgenland außer Rand und Band die Ausländerkarte spielt und sich ansonsten mit den Füßen am Tisch im Erfolg (noch weiter) bräunt, hat Bürgermeister Michael Häupl nun seine Wahlkämpfer auf die Inhalte für die bevorstehende Gemeinderatswahl eingestellt. Ein „Blaubuch“ mit allen Sünden der Freiheitlichen und eine Erfolgsbilanz für Wien sollen es richten. Dass sich die roten Strategen da nur nicht täuschen: Mit einem blauen Sündenregister und vergangenheitsbezogener Wohlfühl-Rhetorik wird die SPÖ diese Auseinandersetzung nicht gewinnen.
Ja, Wien hat eine hohe Lebensqualität. Ja, Wien ist – vergleichsweise – sicher. Ja, Wien ist zu einer lebendigen, jungen Stadt geworden. Ja, es ist immer was los – vom Donauinselfest über diverse Bezirksfeste, Song-Contest, die dauernden Rathausplatz-Spiele etc. Ja, Wien hat viel Grün- und Erholungsraum. Ja, Wien ist trotzdem immer noch gemütlich. Ja, Wien ist sauber. Nur: Nützen tut das den Roten derzeit gar nichts. Die Wienerinnen und Wiener gehen zwar in Massen zu den diversen Belustigungen, trinken dort ihr Bier und essen ihr Würstel. Sie finden es leiwand, aber es ist ihnen völlig wurscht, wer die jeweilige Sause veranstaltet hat. Es ist ihnen auch wurscht, warum sie bequem alle paar Minuten mit einer (meist) sauberen U-Bahn quer durch die Stadt fahren können. Im Oktober werden sie ihr Kreuzerl trotzdem beim H.C. machen.
Der Wiener SPÖ ist das viel zitierte „G’spür für Wien“ abhanden gekommen. Michael Häupl, nie um einen Schmäh verlegen, greift mit seiner Wortwahl inzwischen viel zu oft daneben. Was er als lustig empfindet, empfinden seine (potenziellen und schon verlorenen) Wählerinnen und Wähler als reine Arroganz. Wenn er von der „Absoluten“ träumt, weil er ja keine „Lusche“ ist, denkt sich auch der letzte Rote im Gemeindebau, dass man denen da oben mal zeigen muss, wer der Chef ist. Die Angst vor einem blauen Erdrutsch und damit einem blauen Bürgermeister ist inzwischen berechtigt. Doch nur davor zu warnen und kein Zeichen einer Erneuerung zu setzen, geschweige denn Themen wirklich lösungsorientiert anzusprechen, wird zu wenig sein.
Es wird nicht reichen, die tollen Errungenschaften der vergangenen Jahre zu preisen. Es wird nicht reichen, von der Lebensqualität Wiens zu schwärmen. Es wird nicht reichen, einen Gemeindebau zu propagieren, der eigentlich gar keiner ist. Es wird nicht reichen, den Boulevard mit „Was haben wir denn für ein Glück, in Wien leben zu dürfen“-Anzeigenkampagnen zuzuschütten. Es wird nicht reichen, mit dem Achterl in der Hand Volksnähe vorzutäuschen. Und es wird richtig schaden, mit einem Team in diesen Wahlkampf zu ziehen, das für die Wählerinnen und Wähler inzwischen der Inbegriff des starren, machtarroganten „Wiener Systems“ ist.
Wenn auf der einen Seite für leistbaren Wohnraum geworben wird, dürfen auf der anderen Seite nicht die parteinahen Bestverdiener als Profiteure des Systems stehen. Wenn mit „G’spür für Wien“ auf Stimmenfang gegangen wird, darf das nicht mit Sprüchen á la „Ich weiß was, aber ich sag es nicht“ garniert werden. Wenn man als Integrationssuperstars gelten will, darf man nicht einfach verleugnen, dass in den vergangenen Jahren viele Fehler in diesem Bereich gemacht wurden. H.C. profitiert von alldem. Er profitiert von den ungelösten Problemen im Gemeindebau, von Ghettos, die es nun einmal in Teilen Wiens gibt. Er profitiert von Skandälchen und Skandalen, die sich manche Genossen in den vergangenen Jahren leisteten und noch immer leisten. Und er profitiert vom Boulevard, der das Geld der SPÖ und der Stadt gerne nimmt, aber trotzdem nicht gewillt ist, nach deren Pfeife zu tanzen (das funktioniert umgekehrt dafür umso besser...).
Häupl trägt schon viel zu lange das Geheimnis seiner Nachfolge mit sich herum. Er hat es mit seinem Schweigen dazu in den vergangenen Jahren geschafft, dass sich sämtliche ernstzunehmenden Kandidaten gegenseitig beschädigt haben – in einem völlig unnötigen, unsinnigen Machtkampf in der zweiten Reihe. Und jetzt geht er mit einem maroden Team in eine Wahl, die so nur verloren werden kann. Eine Finanzstadträtin, die seit Jahren angezählt ist, ein Wohnbaustadtrat, der vom viel versprechenden Bürgermeister-Nachfolger zum inzwischen doch sehr leisen Bandl-Durchschneider mutierte, eine Gesundheitsstadträtin, deren Ruf darin besteht, vor allem laut und über Leichen gehend karrieregeil zu sein, eine Umweltstadträtin, die vor lauter Aktionismus nicht mehr weiß, wo die Grenzen des guten Geschmacks liegen, ein Kulturstadtrat, der still seiner Absetzung harrt – um nur ein paar zu nennen.
Michael Häupl braucht ein Team, das uns glauben machen kann, die Zukunft der Stadt in die Hand nehmen zu können. Dieses Team besteht sicher nicht aus oben genannten Figuren. Die Köpfe dazu gäbe es in Wien. Nur: Wer in dieser SPÖ zu laut über Veränderung nachdenkt, ist in kürzester Zeit um eben diesen Kopf kürzer. Junge, offene, risikobereite, problembewusste und vor allem auch politische Menschen wären jetzt gefragt. Und Zukunftsthemen, die die Menschen wirklich interessieren: Bewegung im Pensionssystem, tatsächliche Integration, Perspektiven am Arbeitsmarkt zum Beispiel.