Wiener Wahlrecht - Die Machtarroganz der SPÖ

Fünf Jahre ist es nun her, dass die damaligen Wiener Oppositionsparteien FPÖ, Grüne und ÖVP in einem Notariatsakt festschreiben ließen, gemeinsam ein neues Wahlrecht für Wien durchzusetzen, sollte die absolute Mehrheit der SPÖ fallen. Sie ist gefallen, die Grünen dürfen seit damals mitregieren. Passiert in Sachen Wahlrecht ist viel (Gerede), aber nichts (Konkretes). So weit, so ungut. Was aber jetzt passiert ist, lässt tief in die Seele der Wiener SPÖ blicken: Nur rund eine Stunde vor der entscheidenden Sitzung des Wiener Gemeinderats, in der die Grünen - gegen den Willen der SPÖ - mit eigenen Anträgen ihr Versprechen gegenüber den Wählern und der Opposition wahr machen wollten, hat sich die SPÖ einen ihrer Mandatare geschnappt - und sich so die notwendige Mandatsmehrheit von genau 50 Prozent gesichert. Die Grünen bezeichnen das Manöver - wohl zu Recht - als "tiefste Stunde des Wiener Landtags".

Ob die derzeitige Watschenlaune von Bürgermeister Michael Häupl beim Wähler gut ankommt, wird sich spätestens im Oktober weisen (manch einer rechnet angesichts der aktuellen Ereignisse ja schon im Juni mit einem vorgezogenen Wahlgang). Jedenfalls lässt der oberste Wiener seit Wochen keine Gelegenheit aus, seine Macht öffentlich zu zelebrieren. Große Bescheidenheit war seine Sache ja ohnehin nie - und auch die seiner Partei nicht. "Machtarroganz" ist ein Wort, das sehr häufig im Zusammenhang mit der Wiener SPÖ fällt. Die Grünen haben es in den vergangenen Jahren nicht nur einmal erleben dürfen, wie es ist, mit einem Partner im Bett zu liegen, der es gewohnt ist, Entscheidungen allein zu treffen. Häupl hat diese Ehe immer verteidigt, manche seiner Regierungskolleginnen und -kollegen hatten größere Schwierigkeiten, freundliche Worte zu finden. Die gute Stimmung ist jetzt aber endgültig futsch. Mit dem "Klau" des Grün-Abgeordneten Senol Akkilic und der damit verlorenen Mehrheit für eine Wahlrechtsreform hat die SPÖ eine Schwelle überschritten. Eine derartige Bloßstellung können sich die Grünen - eigentlich - nicht gefallen lassen.

Häupl hat seinem kleinen Koalitionspartner schon seit Wochen mit Vergeltung gedroht, sollte dieser am Wahlrecht rütteln, das die größte Partei seit jeher ordentlich bevorzugt. Die Koalition wollte er - zumindest hat er es öffentlich so gesagt - trotzdem bis Herbst durchtragen. Mit diesem Schritt aber lässt er den Grünen fast keine andere Wahl, als die Regierung hochgehen zu lassen. Seine Kalkulation dahinter: Wer das tut, verliert bei vorgezogenen Wahlen. Ob er damit richtig liegt, ist fraglich. Zu sehr hat er in den vergangenen Wochen öffentlich mit seiner Macht geprahlt. Genau das kommt beim Wähler nicht gut an.

Angefangen hat es mit seiner Koketterie in Sachen Wahltermin: Er kennt ihn, "sage ihn aber noch nicht", meinte er gewohnt launig in einer Pressekonferenz. Seinen Wohnbaustadtrat düpierte er mit der Ankündigung, künftig wieder "Gemeindebauten" realisieren zu wollen. Michael Ludwigs seit Jahren propagiertes Lieblingsprojekt "Smart Wohnungen", das sich nicht sehr vom Modell des "neuen Gemeindebaus" unterscheidet, ließ er mit der Aussage sterben, dass es nicht smart sei, Begriffe zu erfinden "die keine Sau versteht". Aussagen von Finanzminister Hans Jörg Schelling zum - wie zahlreiche Experten empfehlen - dringend reformbedürftigen Wiener Beamtenpensionssystem hat er mit Retouren wie "das geht ihn nichts an" oder "Schelling soll Wien gefälligst in Ruhe lassen" quittiert. Eine Diskussion? NJET! Ratschläge des - wie man weiß - im Wiener Bürgermeisterbüro ohnehin nicht sehr hoch geschätzten Bundeskanzlers Werner Faymann blockte er mit "er macht, was er will, wir machen, was wir wollen" ab.

"Mir san mir" und "wir tun, was wir wollen": Ist das die Botschaft, die die Wiener SPÖ ihren Wählern vermitteln will? Ist das der Weg, längst verlorene Wählerschichten in den Arbeiterbezirken zurückzugewinnen? Eine Eskalation mit dem Koalitionspartner, der das Wiener Wahlrecht gerechter machen will, soll ein Signal der Erneuerung sein? Anstatt verkrustete Strukturen in der Stadt und vor allem in der eigenen Partei aufzubrechen, anstatt Zeichen und Taten in Wien zu setzen, die diese Stadt - abseits von Wohlfühlrankings - zukunftstauglich machen, verfestigt sich die SPÖ in ihrer Machtarroganz und Sturheit. Ist das die Strategie? Dann wünsche ich viel Spaß am Wahlsonntag - ob er jetzt im Juni liegt oder im Oktober.

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Bernhard Juranek

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Herbert Erregger

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Silvia Jelincic

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