Ich lese bei vielen Menschen, deren Meinungen ich ansonsten teile, man dürfe nicht mit Extremisten demonstrieren. Ja, das hört sich erst einmal gut an, so dass man im ersten Reflex auf "Gefällt mir" klicken möchte. Dennoch ist es in der Praxis doch so, dass man gar nicht verhindern kann, dass Extremisten und Gewaltbereite unter den Teilnehmern sind.
Erstes Beispiel: man möchte gegen die Castor-Transporte demonstrieren, weil man Atomkraft ablehnt und kein Endlager in unmittelbarer Nähe der Heimat haben möchte. Das ist ein völlig legitimes Anliegen. Wenn jetzt am Rande der Demo Autonome Steine schmeißen oder gar Anschläge auf die Gleise verüben, kann man das als normaler Demonstrant doch gar nicht verhindern.
Zweites Beispiel: man möchte gegen die Corona-Maßnahmen demonstrieren, weil man die Maßnahmen unverhältnismäßig findet und/ oder Angst um den Job bzw. die Zukunft der Kinder hat. Auch bei diesem legitimen Anliegen kann man doch gar nicht verhindern, wenn Extremisten Polizeisperren durchbrechen, die Reichsfahne schwenken und sich auf der Treppe des Reichstags breit machen - zumal diese Menschen ja eindeutig eine absolute Minderheit darstellten.
Was hier teilweise verlangt wird, ist Kontaktschuld und Sippenhaft, die es aus guten Gründen in einem Rechtsstaat nicht geben darf. Warum soll einer normaler Bürger eine Großdemo verlassen, nur weil ein paar Kilometer entfernt ein paar Nazis und Rechtsextreme ihre Parolen in die Luft rülpsen? Wenn man das zum Maßstab machen würde, dürfte man auf gar keine Demo mehr gehen, weil überall Idioten und Radikale dabei sind. Das lässt sich schon deshalb nicht verhindern, weil auch Radikale und Spinner ein Demonstrationsrecht haben. Genau das unterscheidet eine Demokratie von einem totalitären System.
Es ist bedauerlich, dass auch der mediale Fokus immer auf die wenigen Radikalen gerichtet ist, anstatt sich mehr mit den Anliegen der Demokraten/ Normalos auf solchen Demos auseinander zu setzen und sie zu Wort kommen zu lassen. War in den diversen O-Tönen auf der Corona-Demo ein Arzt oder eine Ärztin vertreten? Ich habe keinen bzw. keine gehört, obwohl auch genug medizinisches Personal an der Demo gegen die Corona-Maßnahmen teilgenommen hat. Stattdessen kamen vor allem Verschwörungstheoretiker, Spinner und Radikale zu Wort - Leute, denen man im richtigen Leben lieber aus dem Weg geht.
Natürlich sollte sich jeder Demokrat klar gegen Extremisten aller Coleur positionieren. Dass diese aber auf Demos mitlaufen, lässt sich in der Praxis leider nicht verhindern - zumal man ihnen die Gesinnung ja oft auch gar nicht ansieht. Natürlich muss auch darüber berichtet werden, wenn Idioten die Treppe des Reichstags einnehmen. Trotzdem sollte unterm Strich der Fokus mehr auf die normalen Menschen und ihre Anliegen gerichtet sein. Damit wäre viel mehr für die Demokratie erreicht.
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