Gedanken an einem sonnigen Samstagnachmittag. Ich sitze in einem Straßencafe. Frauen und Mädchen tragen Tanktops und die ersten Sommerkleider. Vor allem Frauen sind Indikator der Freiheit der gesamten Gesellschaft. Sie leben hier glücklicherweise mittlerweile weitgehend gleichberechtigt und sexuell selbstbestimmt. Es stört heute keinen normalen Menschen mehr, was eine Frau an- oder auszieht oder mit wem sie wie oft Sex hat. Es ist ihre Privatsache, genauso wie Religion. Das Kollektiv mischt sich nicht mehr ein. Europa ist in den letzten Jahrhunderten bis heute relativ frei, säkular und liberal geworden - vor allem durch Aufklärung, Kritik und Wissenschaft. Zusammen mit der Demokratie sind diese Faktoren die Grundlagen für unseren Wohlstand, um den uns die halbe Welt beneidet. Zusammen mit der individuellen Freiheit machen sie das Leben hier lebenswert. Religion gehört in den privaten Bereich. Sie sollte - sofern man überhaupt gläubig ist - ein spirituelles Ding zwischen dem einzelnen Menschen und Gott sein. In der Politik sollte sie überhaupt keine Rolle spielen.
Neben einem frühlingshaften Straßenbild nehme ich seit ein paar Jahren jedoch eine zunehmende Klerikalisierung des öffentlichen Raumes wahr, vor allem durch den Islam: es tragen gefühlt immer mehr Frauen lange Mäntel und Verschleierungen aller Art. Auch wird dem politischen Islam immer mehr Raum eingeräumt: sei es bei der Islamkonferenz, durch seine konservativen, aus dem Ausland gesteuerten Verbände oder in der medialen Berichterstattung.
Ich halte diesen Weg für falsch. Jahrhundertelang wurde für Werte wie Freiheit, Gleichberechtigung und Aufklärung gekämpft. Jetzt werden unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit und durch falsche Toleranz wieder stückweise Dinge aufgegeben bzw. infrage gestellt: es wird im Jahr 2017 ernsthaft über getrennten Schwimmunterricht oder die Verschleierung bei Lehrerinnen diskutiert; und selbst eine FDP-Politikerin aus Hamburg möchte die Vollverschleierung für Studentinnen erlauben, da alles andere ja nicht integrationsfördernd sei.
Ich möchte das alles nicht: ich will nicht, dass die Ehre der Frau wieder an ihrem Körper festgemacht wird. Religionsfreiheit bedeutet auch, nicht von der Religion anderer Menschen belästigt zu werden - sei es durch Gebetsräume, Muezzin-Rufe oder Verschleierungen. Europa hat nicht durch politisierte Religionen Fortschritte gemacht, sondern durch Aufklärung, Wissenschaft und Säkularismus - und das sage ich als Christ. Paradoxerweise sind es oftmals Menschen aus dem islamischen Kulturkreis, die einerseits vom Wohlstand profitieren wollen, sich aber andererseits nicht säkularisieren und integrieren (wollen). Und selbst längst überfällige Kritik wird nicht zugelassen bzw. als "rassistisch" und "islamophob" diffamiert.
Menschen sind zwar gleichwertig, aber Kulturen sind es entgegen der Behauptung vieler moralischer Narzissten nicht. Ich halte die europäische Kultur, wie sie heute gelebt wird, für lebenswerter und besser. Deshalb dürfen auch keine Kompromisse eingegangen werden, sondern die europäischen Werte haben für jeden zu gelten, der hier lebt - ohne Wenn und Aber.
Ich habe mich gerade kurz dabei ertappt, dass ich mich ernsthaft gefragt habe, ob die Frauen in ein paar Jahrzehnten hier immer noch so frei sein werden und ob sie sich immer noch so frei kleiden werden: mit Tanktop in die Stadt oder im Bikini oder oben-ohne am Strand. Werden auch künftige Generationen so unbeschwert aufwachsen wie wir früher, oder machen wir durch immer mehr konservativen Islam Rückschritte, bis wir schleichend alles verlieren, was jahrelang selbstverständlich und normal war? Letzteres muss unbedingt verhindert werden - für unsere Lebensqualität und die künftiger Generationen. Werte wie Freiheit, Aufklärung und Demokratie kennen keine Kompromisse.