Meine Kindheit und Jugend in den 80er- und 90er-Jahren war schön: heute vermisse ich neben meiner drei ???-Kassettensammlung, "Wetten, dass..?" und ein paar Eissorten von Langnese vor allem die Unbeschwertheit in unserem Land. Als Kind durfte ich während des Fluges sogar mal zu den Piloten ins Cockpit, am Bahnhof gab es keine Polizisten mit Maschinenpistolen, sondern nur den neuen ICE. Und eine Axt kannte ich nur, wenn Papa wieder Holz für den Winter hackte.
Als ich älter war, sind die Mädchen nachts mit dem Rad allein von der Party nach Hause gefahren. In diesen Sommern gab es nicht nur super Partys: auch von getrennten Schwimmzeiten oder Burkinis hatten wir noch nie gehört, stattdessen sind wir Jungs mit den Mädels nackt in den See gesprungen - sogar eine Türkin war dabei. Ich weiß nicht mal, ob sie aus einem muslimischen Elternhaus kam. Es war uns aber auch vollkommen egal, welche Religion die anderen hatten. Religion war eigentlich nur im Konfirmandenunterricht ein Thema.
Zwei Jahre später - es war 1998 - waren wir auch einmal auf der Love Parade: der einzige Polizist, an den ich mich dort erinnern kann, war gar kein echter, sondern ein Schwuler, der sich als Ordnungshüter verkleidet hatte. Zumindest gab es dort keine schwer bewaffneten Polizisten wie bei heutigen Großveranstaltungen. Genauso wie eineinhalb Jahre später: mit ein paar Jungs und Mädels haben wir Silvester 1999 in Köln gefeiert; von der Love Parade abgesehen, hatte ich noch nie zuvor so viele Menschen auf einem Haufen gesehen. Um Mitternacht haben einen wildfremde Menschen aus aller Welt umarmt. An eine Armlänge Abstand war nicht zu denken, und dennoch wurde keine Frau begrabscht oder Ähnliches.
Sicher war nicht alles gut: meine C-Jugend-Fußballmannschaft ist ständig abgestiegen, und einmal bin ich mit meinen neuen Inlinern schwer gestürzt. Auch hatte ich wesentlich weniger Taschengeld als heute und kein iPhone mit einer 12 Megapixel-Kamera. Und nein, ich will jetzt gar nicht kommen mit "Früher war alles besser" - schließlich gab es auch damals Psychos, Verbrechen und bestimmt auch die ein oder andere Parallelgesellschaft. Ich vermisse jedoch die Unbeschwertheit, die Sicherheit, in einigen Bereichen die Aufklärung, die politische Unkorrektheit und die Geschlossenheit der Gesellschaft. Diese Dinge waren besser - früher, als gefühlt immer Sommer war...