Wenn ich durch unsere Großstädte laufe, fühle ich mich zunehmend fremd: nicht aufgrund von Menschen aus anderen Ländern generell. Nein, das ist es nicht. Ich habe Freunde in aller Welt und bin als Fotograf auch sehr oft im Ausland. Es sind die immer sichtbarer werdenden patriarchalen Weltbilder, die mich stören und mir das Gefühl von Heimat, Freiheit und Aufklärung nehmen: auf den Straßen sieht man immer mehr Verschleierungen, und damit einhergehend nimmt der Respekt vor Frauen ab, die sich z.B. normal sommerlich kleiden ab - gerade auf Seiten junger Muslime, die schon mal aufdringlich gucken oder gar belästigende Sprüche bringen. In den Schulen werden Mädchen bereits als "haram" gebrandmarkt, weil sie Bikini oder Tops mit Ausschnitt tragen. Im Klartext: sie gelten für strenge Moslems als "Schlampen". In den 1960er- und 70er-Jahren demonstrierten Menschen in ganz Europa für sexuelle Selbstbestimmung, Freiheit und Gleichberechtigung. In meiner Jugend in den 90er-Jahren war es kein Thema mehr, eine Freundin zu haben oder wenn wir mit Mädels im Sommer am See gezeltet haben. Wir waren bzw. sind dieszbezüglich eine weitgehend liberale und säkulare Gesellschaft geworden, in der die Frauen frei sind.

Heute werden importierte patriarchale Weltbilder durch die vorherrschende Political Correctness geschützt, durch die Asylkrise importiert und durch die konservativen Islamverbände, die der Staat zu Partnern erklärt hat, hofiert. Ich sehe das mit großer Sorge, da ich fürchte, dass sich die Gesellschaft weiter zum Negativen verändern wird, wenn der Kurs beibehalten wird.

Grundsätzlich geht es doch darum, dass wir ein weitgehend liberales und säkulares Land sind, in dem Gleichberechtigung herrscht. Und das sollte eben jeder respektieren, der hier lebt bzw. zu uns kommt. Wer sich entscheidet, in Europa zu leben, sollte sich anpassen und nicht umgekehrt. Integration ist in erster Linie eine Bringschuld. Extrembeispiel: keiner von uns käme so leicht auf die Idee, in ein islamisches Land zu ziehen und sich dann zu beschweren, dass es dort keine Kirchen gibt, keine gemischten Bäder oder dass Frauen dort nicht in Hotpants oder Tanktops herumlaufen. Das weiß man doch vorher. Entweder ich passe mich entsprechend an, wenn ich dort leben will, oder ich bleibe weg. Das ist eine Frage des Respekts, den ich auf Seiten vieler Muslime leider vermisse.

Und es ist eine Frage, wie wir als Mehrheitsgesellschaft damit umgehen. Geben wir aus falscher Toleranz ständig nach oder sagen wir: "Stop, hier gelten unsere Regeln. Ihr könnt hier alles erreichen. Dazu gehört aber, dass ihr unsere Werte respektiert, euch nicht abschottet und anpasst." Der Weg der ewigen Zugeständnisse sorgt nicht für Integration, sondern stärkt die Gegengesellschaft. Die Abstimmung über Erdogans Referendum hat genau das gezeigt. Dazu braucht es aber mehr Mut sowie Bewusstsein für unsere Werte, keine Angst vor der eh ausgelutschten Nazikeule und eine wehrhafte Demokratie.

Letztlich ist es eine Frage, in was für einer Gesellschaft wir und nachfolgende Generationen künftig leben wollen: in einer lebenswerten, säkularen und freien Gesellschaft; oder in einer, in der patriarchale, antiliberale und antiaufklärerische Weltbilder wieder vermehrt dominieren, in der auf religiöse Befindlichkeiten Rücksicht genommen werden muss, in die eine neue Prüderie Einzug hält und in der es folglich auch vermehrt Gewalt gegen Frauen gibt. Als Gesellschaft haben wir es selbst in der Hand, wohin die Reise geht.

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