Am Dienstag kam die Nachricht, dass der IS als mögliches Anschlagsziel Touristenstrände am Mittelmeer im Visier hat. Letzten Herbst, als ich am Strand von Mallorca lag und es mir eigentlich gut ging, habe ich exakt an dieses Szenario gedacht: überall fliegende Händler, keine Kontrolle, viele Menschen, ein "weiches Ziel", keine Polizei - und vor allem keine oder so gut wie keine streng gläubigen Muslime. Den letzten Punkt haben gerade Salafistenprediger wie Pierre Vogel, durch dessen Vorträge sich ebenfalls viele Konvertiten dem IS angeschlossen haben, immer als Argument gegen Terroranschläge wie in Brüssel oder Paris angeführt - zumindest öffentlich. Dort seien auch Muslime ums Leben gekommen. Das Töten von "Geschwistern" sei "haram". Deswegen steht sogar Vogel jetzt auf der Todesliste des IS - zumindest steht es so im aktuellen IS-Magazin "Dabiq". Wie ernst man das nehmen kann oder ob es vielleicht sogar inszeniert ist, kann nur spekuliert werden.
An Stränden ist aus der perversen Perspektive der Terroristen alles "haram", ähnlich wie in Discotheken, Cafes und anderen Orten, an denen wir uns in der Freizeit vergnügen. Gerade hier braucht man aber Sicherheit, um entspannen zu können. Sicher bin auch ich gegen schwer bewaffnete Soldaten, die künftig an Mittelmeerstränden oder bei Fußballspielen patrouillieren. Sicherheit beginnt jedoch viel früher. Die Politik ist geradezu passiv im Kampf gegen Islamismus, ist man doch immer noch der Meinung, dass unsere Demokratie vor allem von "rechts" bedroht wird. Gegenüber Islamismus ist man geradezu naiv. Dass gerade hunderttausende Menschen unkontrolliert in die EU kommen, nur ein Bruchteil davon überhaupt asylberechtigt ist und viele nicht mal erfasst oder sogar mehrfach unter falschem Namen registriert sind, ist bereits ein erhebliches Risiko, waren doch einige der Attentäter von Brüssel oder Paris gerade über die Balkanroute eingereist. Selbst der Verfassungsschutz hat eingeräumt, dass er die Gefahr eingeschleuster IS-Leute unterschätzt habe - eine Befürchtung, die die allseits belächelten "besorgten Bürger" schon im letzten Sommer äußerten.
Während die Sicherheitsbehörden EU-weit hervorragende Arbeit leisten, offenbaren die etablierten Parteien und Regierungen eine Mischung aus Wegschauen, Verharmlosen und Naivität. Auch wenn es die 100-prozentige Sicherheit nicht gibt und wir uns davor hüten sollten, unsere Freiheit zu stark einzuschränken, wäre ein konsequentes Vorgehen gegen jene Kräfte wichtiger denn je, die unsere Art zu leben hassen und uns die Freiheit nehmen wollen. Denn Freiheit ist ohne Sicherheit nicht denkbar.
Ich wäre beispielsweise für ein Burka- und Niqab-Verbot; ein Verbot der Koranverteilungsaktionen der Salafisten; die Schließung radikaler Moscheen; ein Verbot der Finanzierung von Islamverbänden und Imamen aus dem Ausland; einen sofortigen Stop der Waffenexporte; für die Zerschlagung des IS; für die Ausweisung von Hasspredigern sowie für eine sofortige Festnahme von IS-Rückkehrern. Ich könnte die Liste noch endlos weiterführen. Man könnte IS-Unterstützern auch direkt die Staatsbürgerschaft entziehen, wenn der politische Wille vorhanden wäre. Schließlich scheinen sich die Terroristen mehr mit dem Islamischen Staat zu identifizieren als mit den Werten der Länder, aus denen sie kommen. Den Dienst für den IS könnte man als Dienst für eine andere Armee ansehen - auf diesem Wege könnte man die Staatsbürgerschaft aberkennen. Letztlich sind die Rückkehrer keine "Kämpfer", sondern Mörder, die bestraft werden müssen und - fast noch wichtiger - vor denen die Gesellschaft geschützt werden muss.
Sicher mag die Umsetzung schwierig sein. Doch wo ein Wille ist, findet sich auch ein Weg. Stattdessen aber passiert zu wenig, und es wird weiter rumgeiert. Im Gegenteil: Eher werden Leute, die darauf hinweisen, in die rechte Ecke geschoben, als Panikmacher belächelt oder als "islamophob" tituliert - übrigens ein Begriff, der von Khomeini stammt und mit dem er Frauen bezeichnete, die gegen den Kopftuchzwang im Iran rebellierten.
Nach jedem Verbrechen mit islamistischen Hintergrund dasselbe: In Talkshows erklären uns Vertreter der konservativen Islamverbände, dass das alles nichts mit dem Islam zu tun habe, und auf facebook ändern wir für drei Tage unsere Profilbilder und üben uns in kollektiver Erschütterung. Danach geht der Alltag weiter bis zum nächsten Anschlag, während die Angst und das Gefühl der Unsicherheit steigen.
Ohne Frage darf man nicht alle Muslime unter Generalverdacht stellen. Die meisten leben friedlich unter uns und zahlen Steuern. Ein Teil hat sich auch intergriert. Dennoch scheint es nach jedem Anschlag eher so, dass viele eher darum bemüht sind, einen Generalverdacht zu verhindern als hart gegen Islamismus vorzugehen. Auch fehlt eine starke, kollektive Ächtung der islamischen Community. Gegen Israel oder die Mohammed-Karrikaturen lassen sich tausende Muslime mobilisieren. Aber gegen eine Terrororganisation, die das Wort "Islam" in der Bezeichnung und den Namen des Propheten auf der Flagge trägt, ist es vergleichsweise ruhig. Salafisten gelten für viele "normale" Muslime nur als streng gläubige Geschwister. Dass der Übergang zum Terrorismus spätestens ab dort fließend verläuft, der Hass schon mit der Einteilung in Gläubige und "Kuffar" einsetzt, wird übersehen.
Zustimmung statt Ächtung kommt aus den Parallelgesellschaften. So konnte sich einer der Attentäter von Paris, Salah Abdelsalam, fast ein halbes Jahr in seinem Heimatstadtteil Molenbeek aufhalten, ehe er 300 Meter von seinem Elternhaus entfernt festgenommen wurde. Er wurde geschützt, nicht verraten und respektiert. Ähnlich wie der berühmte maoistische Fisch konnte er sich im Wasser bewegen, ohne dabei geangelt zu werden. Abdeslam habe auf ein "großes Netzwerk von Freunden und Verwandten” zurückgreifen können, schrieb der SPIEGEL. Polizisten und Medienvertreter wurden während und nach der Festnahme bepöbelt und angegriffen. Das zeigt doch, dass hier ein weitgehend geschlossenes System vorhanden ist, quasi ein Kalifat im Staat.
Die No-Go-Areas in den Vorstädten europäischer Metropolen, radikale von islamsischen Staaten finanzierte Moscheen, Parallelgesellschaften, ein schwacher Staat, gescheiterte Integration, eine politisierte Religion, Hass auf die freie Welt mit ihren "Ungläubigen" - das alles führt zum Cocktail namens Terror, und gegen diese Zutaten wird nicht konsequent genug vorgegangen. Im Gegenteil: Ohne diese Probleme im Griff zu haben, importiert man unkontrolliert hunderttausende junge Männer aus eben jenem Kulturkreis, die die Parallelgesellschaften weiter stärken werden.
Sicherheit braucht eine starke Polizei, realistische Politiker und ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein für die Werte, die es zu verteidigen gilt. Freiheit ist ohne Sicherheit nicht denkbar. Wir müssen denen die Freiheit nehmen, die sie uns wegnehmen wollen.
Markus Hibbeler