Es gab Lammplatte, dazu mediterranes Gemüse und Kartoffelspalten mit Zatziki und Metaxasauce. Es war superlecker. Sonntagabend beim Griechen. Als der Kellner mit dem Essen kam, hatte ich schon zur Vorspeise das erste Glas Rotwein getrunken, das zusammen mit dem Begrüßungs-Ouzo meine ohnehin schon gute Laune weiter steigen ließ.

Ich dachte mir nichts dabei und postete schnell ein Foodporn-Foto auf facebook - und entfachte auf meiner Seite sofort eine politische Diskussion. Darf man das? Tierbabys essen? Nach dem Essen (das dritte Glas Wein befand sich zusammen mit dem jungen Schaf in meinem Magen) kommentierte ich mit dem zugegeben provokanten Satz "So lange Tierbabys gut schmecken, betrachte ich sie als Beute" mein Foto, unter dem einige Freunde bereits ihrer Empörung freien Lauf gelassen haben. Schwupps, drei fb-Freunde weniger. Ich löschte den Satz wieder, weil ich an einen Termin denken musste, bei dem ich Osterlämmer für eine Nachrichtenagentur fotografieren musste. Mich packte kurzzeitig selbst das schlechte Gewissen.

Ich liebe Tiere, aber ich esse sie auch gerne. In Maßen wohlbemerkt und möglichst nicht aus Massentierhaltungen. Aber was wäre das kulinarische Leben ohne Grillen im Sommer, ohne Serrano-Schinken zu frischem Bagutte oder ohne italienische Salami, ohne Kalamaris mit Olivenöl und Knoblauchsauce, ohne Kebab? Oder ohne die Ente mit Rotkohl und Knödel zu Weihnachten?

Menschen essen seit Zehntausenden von Jahren Fleisch. Sicher sollten wir alle weniger davon essen (Stichwort Treibhauseffekt, Umweltverschmutzung und Tierquälerei in Massentierhaltungen). Zudem sollte man Tiere mit Respekt behandeln, sie nicht quälen, kein Essen wegschmeißen und sich bewusst ernähren. Vielleicht wäre es auch nicht schlecht für uns und die Umwelt, wenn es mehr Teilzeit-Vegetarier gäbe: werktags vegetarisch, am Wochenende auch mal Fleisch.

Bei vielen meiner vegetarischen oder veganen Freunde stört mich aber der moralische Zeigefinger und der missionarische Drang, ähnlich wie bei Ex-Rauchern oder Nicht-Trinkern: "Wie kannst du nur, du Mörder!" Ich habe aber keine Lust, mich als Mörder zu fühlen, wenn ich zusammen mit Vegetariern mittags in der Stadt Essen gehe. Und wer garantiert denn, dass beim Pflügen des Weizenfeldes nicht auch die ein oder andere Wühlmaus ums Leben kommt oder ein Feldhamsternest zerstört wird?

Auch Tierliebe hat Grenzen, und das sage ich als Tierschützer: Wir dürften nicht mehr Auto fahren (an der Windschutzscheibe sterben Fliegen), wir dürften uns nicht mehr die Hände desinfizieren (da sterben Bakterien). Und wer sagt mir denn, dass vielleicht nicht auch der Kopfsalat leben will? Deshalb gibt es sogar Frutarier: Diese essen nicht mal ein Salatblatt, sondern konsumieren nur das, was vom Baum fällt.

Jeder sollte individuell seine eigene persönliche Grenze ziehen, aber ohne zu moralisieren. Dann schmeckt es uns allen.

Markus Hibbeler

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Ronai Chaker

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Spinnchen

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