Salzburger Nachrichten http://www.salzburg.com/nachrichten/dossier/olympia2016/sn/artikel/zajacfrank-gingen-zwei-wege-zu-einem-gemeinsamen-ziel-209680/
Nachdem sich die ersten Wogen der postolympischen Aufregung bereits geglättet haben und die Paralympischen Spiele vor der Tür stehen, ist es meiner Meinung nach wieder an der Zeit, um an die Geschehnisse zurückzudenken und Österreichs Sportpolitik an die angekündigten Reformen nach Rio 2016 zu erinnern. Andernfalls verlaufen die versprochenen Revolutionen erneut im Sand der Zeit und man steht vor Tokio 2020 vor exakt derselben Ausgangsposition wie jetzt. Dieser Rückblick ist bewusst verspätet an die notwendigen Konsequenzen gerichtet – in der Hoffnung, dass auch Politik & Gesellschaft nicht auf den österreichischen Sport vergessen.
Die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro sind nun schon länger Geschichte – und das mit einem aus österreichischer Sicht bescheidenen Ergebnis. Eine Bronzemedaille für das Segel-Duo Thomas Zajac & Tanja Frank in der Nacra-Klasse war die einzige Ausbeute bei den ersten Sommerspielen in Südamerika. Vier Jahre nach der Nullnummer von London gelang damit in Rio eine leichte Verbesserung.
Doch wie fällt das Fazit dieser Spiele aus österreichischer Sicht aus? Auf der Suche nach der wahren Bilanz zwischen Stolz („Haben eh eine Medaille…“) und Wut („Olympia –Touristen“).
Wie gut/schlecht war unser Team wirklich? Zunächst wird in Sachen Erfolg nur allzu gerne der allseits bekannte Medaillenspiegel verwendet. Laut diesem (genauer gesagt nach der „europäischen Methode“) ist Österreich auf Platz 78. Wie öfters in den Medien erwähnt liegt man damit hinter Nationen wie Fidschi, Grenada & Singapur. Auch geographisch vergleichbare Nationen wie Slowenien, Tschechien & die Schweiz liegen damit vor uns. Ist Österreich damit europäisch gesehen ein sportliches Entwicklungsland?
Hierbei ist es von großer Bedeutung, dass solche Statistiken nicht überbewertet werden dürfen. Viele kleine Nationen sind vorrangig durch einzelne Athleten beziehungsweise einzelne Sportarten zu Edelmetallehren gekommen. Fidschi ist im 7er-Rugby seit Jahren eine Weltmacht und profitierte von der Aufnahme ihrer Nationalsportart ins olympische Programm. Währenddessen sorgten Singapurs Phelps-Bezwinger Joseph Schooling und Grenadas Laufwunder Kirani James für die einzigen Podestplatzierungen ihrer kleinen Heimatländer. Dies soll die Leistungen der Athleten keinesfalls schmälern, aber pauschale Kritik („wir sind sogar schlechter als…“) ad absurdum führen. Denn wo würde Jamaika beispielsweise ohne Sprinter stehen?
Natürlich kehren einige kleinere Olympiateams mit mehreren Medaillen als Österreich heim, aber bevor man dies den Sportlern vorwirft, sollte man sich vorab über die traditionell starken Sportarten solcher Nationen im Klaren sein. Denn in Fidschi hat man sich vor zwei Jahren wohl auch nicht gefragt, wieso der Abfahrts-Olympiasieger aus Österreich und nicht von ihren eigenen Inseln stammt.
Sportschau.de http://rio.sportschau.de/rio2016/nachrichten/Rugby-Team-holt-erste-Olympia-Medaille-fuer-Fidschi,rugby358.html
Bleibt also noch die komplexere Problematik, wieso der Großteil der Nachbarländer erfolgreicher als das heimische Team war. Den Grund hierfür wird man kaum bei den Nationalsportarten oder bei der größeren Dichte an talentierten Stars finden, sondern bei den Strukturen und Unterstützungen für die großen Sportverbände. So sind oftmals auch bei benachbarten Ländern komplett unterschiedliche Strukturen vorhanden. Nimmt man als Beispiel dafür unsere tschechischen Nachbarn (mit insgesamt zehn Medaillen auf Platz 43), erkennt man, dass einerseits drei Medaillen auf das Konto der Tennismannschaft gingen, andererseits aber auch, dass nahezu permanent starke Bewerbe, wie die der Leichtathletik, das Rückgrat der Medaillenausbeute bildeten. Die bereits seit Jahren oder Jahrzehnten erfolgreichen Verbandsstrukturen wurden weiter verstärkt, zudem wurden weitere Sportarten gezielt gefördert. Ein ähnliches System sollte in dieser Hinsicht auch Österreich anstreben.
Sportarten wie Segeln und Judo, wo mittlerweile einige internationale Erfolge erzielt wurden, aber auch eine hohe Talentdichte vorherrscht, sollten weiterhin in großem Maße gesponsert werden. In Sachen Trainingsbedingungen oder Professionalität des Umfelds ist hierbei noch Luft nach oben. Andernfalls dürften die aussichtsreiche neue Generation ein Schicksal wie die aktuellen Talente des Schwimmverbandes, der leider während und nach der Rogan-Jukic-Ära komplett auf den Sport vergaß, erfahren. Weiters darf man nicht auf herausragende Athleten in anderen Sportarten vergessen, wie beispielsweise Olivia Hoffmann im Schießen oder Lukas Weißhaidinger im Diskuswurf.
Insgesamt sollte es in Österreich möglich sein, dass jeder professionelle Athlet passende Trainingsbedingungen vorfindet um nicht zu einem Exil-Sportler, der zum Beispiel in den USA trainiert, werden zu müssen. Diese Art der Professionalität könnte bereits bei einer ausgewogeneren Berichterstattung beginnen. Anstatt nur alle vier Jahre an unsere Segler, Kanuten und Triathleten zu denken und diese dann mit plötzlicher, extremer Medienpräsenz unter Druck zu setzen, sollten wichtige Wettkämpfe unserer Athleten die Aufmerksamkeit bekommen, die ihnen zusteht. Dies würde erstens eine spätere belastende Rolle der Medien vermeiden, zweitens ein attraktiveres Angebot für potentielle Sponsoren darstellen und drittens den Sport selbst interessanter gestalten und dadurch vielleicht neue Talente begeistern können. Damit endlich die Vorstellung von „Olympia-Touristen“ aus den Köpfen der Kritiker verschwindet.
Zudem wird es von Nöten sein die allgemeinen Verbandsstrukturen zu verändern. Dies wird realistisch gesehen nicht von einem Tag auf den anderen passieren, aber durch das Einbinden von ehemaligen Leistungssportlern, dem Auflösen von Zwischenverbänden und einem gemeinsamen Dachverband, wie es in Deutschland der Deutsche Olympische Sportbund ist, könnten mehrere Förderungen für die Sportler selbst übrig bleiben. Von den vielzitierten „Bonzen“ sollte sich das gesamte österreichische Sportsystem verabschieden, um endlich die Sportler und ihre Leistungen in den Vordergrund stellen zu können.
Nachrichten.at http://www.nachrichten.at/sport/olympia/Das-Feuer-in-Brasilien-brennt-Rio-Spiele-bunt-eroeffnet;art126826,2310458
Trotz der etwas mageren Ausbeute sollte allen Sportlern bei Olympia ein faires Maß an Respekt zugebracht werden, denn der Aufwand für eine Teilnahme an olympischen Spielen ist ungeheuerlich. Dafür wird nicht nur stundenlang täglich trainiert und immens viel Zeit geopfert, sondern auch finanzielle und gesundheitliche Risiken in Kauf genommen. Wie Ringer Amer Hrustanovic bei einem ORF-Interview anmerkte und an Stabhochspringerin Kira Grünberg erinnerte, setzt man für den Traum von Olympia oftmals sogar seine Gesundheit aufs Spiel. Allein schon deswegen sollte man unsere Athleten unabhängig vom Ergebnis respektieren und eventuell auch mal über einen zehnten Platz hinweggesehen werden.
Abschließend bleibt zu hoffen, dass das Projekt Rio erst der Anfang für eine längst überfällige Reform ist, um in den nächsten Jahren Schritt für Schritt ein talentiertes und optimal eingestelltes Olympiateam auf die Beine zu stellen, damit wir über ähnliche Erfolge wie die souveräne Leistung von Thomas Zajac & Tanja Frank jubeln dürfen.