ORF / Youtube Screenshot
Es war eindeutig der innenpolitische Aufreger der Woche: Die unglückliche bis deplazierte Aussage von Bundespräsident Alexander Van der Bellen über ein mögliches Solidaritätszeichen gegen Islamophobie und Fremdenhass. Im Wortlaut: "Wenn das so weitergeht (...) bei dieser tatsächlich um sich greifenden Islamophobie, wird noch der Tag kommen, wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen, alle, als Solidarität gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen tun."
So kontrovers diese Gedanken auch scheinen mögen und auch wenn dabei wenig Fingerspitzengefühl in der brisanten heutigen Zeit bewiesen wurde, sollen die Aussagen selbst nicht im Mittelpunkt dieses Beitrages stehen.
Viel mehr geht es dabei um die Tatsache, dass ein 30-sekündiges Video in sozialen Netzwerken dazu reicht, um eine Person durch aus den Zusammenhang gerissene Aussagen regelrecht zu zerfleischen. Selbstverständlich hat jeder einzelne das Recht, sich über diese Thematik eine Meinung zu bilden und auch seine Zustimmung oder Ablehnung auszudrücken, doch heißt das auch, dass wir dabei ohne Pflichten sind?
Die Welt ist kurzlebig und in Netzwerken wie Facebook & Co. merkt man dies ganz besonders: Videos ab einer gewissen Länge werden gemieden, stattdessen bildet man sich möglichst schnell eine Meinung, die man durch eine einzige Bildschirmberührung öffentlich teilt. Doch dabei stelle ich mir einige Frage: Reicht ein kurzes Video, eine provokante Überschrift oder ein aus dem Zusammenhang gelöstes Zitat zur Meinungsbildung? Wissen die polternden Protestierenden im Rahmen welcher Frage diese Erwähnung stattgefunden hat? Und können wir dann überhaupt wissen, wie ernst dieser Vergleich zu nehmen ist?
An dieser Stelle vielleicht eine kleine Erinnerung an den Bundespräsidentschaftswahlkampf und an Norbert Hofers Aussage: "Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist". Im Prinzip wurde dieser Satz ähnlich ausgeschlachtet und uminterpretiert wie jener des Bundespräsidenten. Zwar mit weniger thematischen Inhalt, aber umso größeren Interpretationsspielraum. Die einen konnten dahinter Allmachtsfantasien herauslesen, andere erstarrten nahezu in ehrfürchtigem Respekt vor dem Rang als Staatsoberhaupt. Meine Frage an dieser Stelle: Wer weiß denn noch nach welcher Frage dieser prägnante Satz gesprochen wurde? Sicherlich die Wenigsten.
Wir schreiben das Jahr 2017, eine Zeit in der ein Überfluss an Informationen vorzufinden ist und dennoch alles noch schneller vorgehen muss. Doch genau deswegen sind kurze Videos sowie verdrehte Behauptungen genau der falsche Weg um auf Probleme aufmerksam zu machen. Im Gegenteil: Heutzutage reichen kurze Beiträge oder sensationelle Schlagzeilen bereits aus, um Wellen der Empörung aus einem Meer an politisch Unzufriedenen lostreten zu können. Meiner Meinung nach ist genau das in vielen Fällen der Ursprung für Unzufriedenheit, voreingenommenes Verhalten und ein gewisses Misstrauen: Zu ungenaue eigene Informationen und zu geringes Interesse.
An dieser Stelle sind sowohl die Medien, als auch die Bevölkerung gefordert, sich gegen diesen Trend zu bewegen. Von Seite der Medien müssen gewisse Thematiken mit Vorsicht behandelt werden oder zumindest etwas entschärft werden. Bestes Beispiel die allgemein kursierende Behauptung 73% der Türken in Österreich hätten Erdogan gewählt. Eine der plakativsten Aussagen schlechthin, dennoch mittlerweile eine über weite Strecken vermeintlich für korrekt gehaltene Feststellung. Fakt ist, dass 73% der wahlberechtigten und tatsächlich auch teilnehmenden Personen mit türkischer Staatsbürgerschaft für die Verfassungsänderung plädiert haben. Wie es bei der Gesamtheit aller türkischstämmigen Einwohner aussieht, ob die Zahl hierbei kleiner, größer oder einen ähnlichen Wert darstellt, das kann man hieraus nicht lesen.
Um nicht nur den Medien die Trendwörter wie "fake news" und "Lügenpresse" anzuheften, sei auch erwähnt, dass wir als wahlberechtigte Bevölkerung genauso gefordert sind. Ein Facebook-Video, ein Jeannée-Brief oder eine "Standard"-Überschrift reichen einfach nicht, um eine komplexe Thematik innerhalb weniger Sekunden flächendeckend verstehen zu können. Stattdessen wird durch voreingenommene Haltungen gepaart mit passenden Aussagen schnell eine falsche Bewegung ausgelöst - praktisch persönliche politische Rosinenpickerei. Ganz gleich, wie man zu gewissen Aussagen steht, es steht im Interesse jedes einzelnen, sich zuerst in verschiedenen Kanälen zu informieren, bevor jede Aussage aus den Medien gleich für bare Münze genommen wird. Gerade durch das Internet hat man ja Zugriff auf verschiedenste Infomationen aus den verschiedensten Plattformen, wie Zeitungen und Fernsehstationen, wodurch einem Unwissen gerade hierbei einiges entgegengesetzt werden kann.
Abschließend möchte ich an dieser Stelle auf den absichlich provokativen Titel hinweisen, der genau auf diese Problematik abzielt.
Nicht nur die Medien können eine gewisse Macht ausüben - es ist unsere Macht als Bevölkerung, uns mit entsprechenden Wissen auszustatten. Vielleicht bewegt das manche dazu, anstatt nur den wütenden Smiley-Button auf Facebook zu drücken, nach detaillierten Informationen und reellen Sachverhalten zu suchen.
Schönen Samstag,
MarrowW