In Belarus (Weißrussland) wurde am Sonntag in Minsk eine Ryanair-Maschine auf dem Weg von Athen nach Vilnius zu einer Zwischenlandung gezwungen. Als „Vorwand“ wurde eine durch die Schweiz bekannt gemachte Bombendrohung angeführt. Unter den Passagieren war auch der im litauischen Exil lebende „Journalist“ Roman Protassewitsch mit seiner russischen Freundin Sofia Sapega. Zu erwähnen ist, dass der Begriff und damit die Berufsbezeichnung „Journalist“ nicht geschützt sind.
Unmittelbar nach der Landung wurden beide festgenommen und befinden sich seitdem in Haft. In der Folge reagierten die EU-Staats- und Regierungschefs prompt. Sie beschlossen Sanktionen gegen Belarus. So hatten die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel am Montag die Sperrung des Luftraums für Flugzeuge aus Belarus sowie ein Landeverbot auf EU-Flughäfen vereinbart. Sie riefen die Fluggesellschaften aus der EU auf, Belarus nicht mehr zu überfliegen. Die EU-Außenminister planen noch weitergehende Sanktionen gegenüber Weißrussland.
Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko weist jegliche Vorwürfe im Zusammenhang mit der erzwungenen Landung eines Ryanair-Fluges und der Festnahme eines Bloggers zurück. Die Vorgänge seien rechtmäßig vollzogen worden. Auch wurde das Völkerrecht nicht gebrochen. Es soll das Ziel gewesen sein, Menschen zu schützen. Berichte, wonach das Flugzeug durch einen Kampfjet zur Landung gezwungen worden sei, bezeichnete Präsident Lukaschenko als "Lüge".
Die EU reagiert somit scharf auf die Vorfälle, Experten zweifeln jedoch. Nur der russische Präsident Wladimir Putin könne die Situation bewegen. Russland, das zu den Vetomächten im UN-Sicherheitsrat gehört, bezeichnete die Pläne der EU, Belarus vom europäischen Flugverkehr abzuschneiden, als "bedauerlich". Mit der erzwungenen Flugzeuglandung befasst sich nach Diplomatenangaben der UN-Sicherheitsrat in einer bereits anberaumten Dringlichkeitssitzung.
Soweit zu den Fakten und den politischen Entwicklungen um die Situation vom Sonntag in Minsk. Wer ist der „Journalist“ Roman Protassewitsch?
Der 26-jährige Roman Protassewitsch studierte Journalismus in Belarus, wurde von der Universität exmatrikuliert. Er blieb noch einige Zeit in seiner Heimat und arbeitete bei unabhängigen belarussischen Radiosendern. Ende 2019 floh der „Journalist“ nach Polen, wo er Anfang 2020 politisches Asyl beantragte. In Polen wirkte Protassewitsch bis September 2020 als Chefredakteur des populärsten Telegram-Kanals Belarus namens „Nexta“. Anschließend war er als Chefredakteur und Moderator des in Belarus beliebten Telegram-Kanals „Belamova" tätig. Protassewitsch avancierte mit seiner Arbeit aus dem Exil zu einem der bekanntesten Kritiker und Blogger in Belarus und gegen Präsident Lukaschenko.
Damit wirkt Roman Protassewitsch als regierungskritischer Blogger und „Journalist“. In Belarus wird er seitdem als „politischer Aktivist“ vom belarussischen Geheimdienst KGB auf einer „Terroristen-Liste“ geführt. Der Kanal „Nexta" verfügt über eine Million Abonnenten. Damit gilt dieser als eine der wichtigsten Informationsquellen für die Opposition.
Für Präsident Lukaschenko stellen die verschlüsselten Telegram-Kanäle zurzeit eine große Gefahr dar. Der konnte auch weiter berichten, als das Internet von Lukaschenko tagelang deaktiviert wurde. So verbreiteten der Blogger und seine Mitstreiter Videos der Polizei- und Staatsgewalt und wurden damit aus der Sicht des Präsidenten zu „Staatsfeinden" erklärt.
Gemutmaßt wird, dass sich an Bord der zwangsgelandeten Maschine weitere russische Bürger befanden. Gerüchten zufolge könnte es sich um Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes (FSB) handeln. Militärexperten vermuten, dass die ganze Operation nur in Zusammenarbeit mit dem FSB realisiert werden konnte.
Die russische Regierung verwahrt sich vehement gegen Mutmaßungen, sie sei in die von Belarus erzwungene Landung und die Festnahme eines „regierungskritischen Journalisten“ verwickelt. Alle Behauptungen, Russland habe etwas damit zu tun, seien es nicht wert, kommentiert zu werden.
Soweit zu den aktuellen Entwicklung zu den sonntäglichen Geschehnissen auf dem Flughafen in Minsk. Ein Vergleich drängt sich in diesen Tagen unweigerlich auf. Der Fall „Alexej Nawalny“ liegt noch nicht lange zurück. Beobachtbar vollzieht sich dasselbe politische und mediale Framing im Fall „Protassewitsch“. Ebenso offenbaren die Fälle „Snowden“ und „Assange“ vergleichbare Vorgehensweisen.
Tatsächlich zeigen sich schablonenhaft identische Strukturen und „Strickmuster“. Der politische Westen echauffieren sich. Die medialen Leitmedien sekundieren kritiklos die politischen Statements relevanter Politiker, die einem politisch-westlichen Orchester und einer amerikanischen Hörigkeit gleichkommen. Die europäische Öffentlichkeit wird gegen Präsident Lukaschenko positioniert, der so genannte „Journalist“ Protassewitsch in die Opfer-Rolle flankiert – Kritik Fehlanzeige!
Die EU formuliert Sanktionen, EU-Außenminister tagen und fordern weitere Maßnahmen gegen Belarus. Faktisch bewirken derartige Sanktionen gar nichts. Aktionismus wird vorgetäuscht, die politische Öffentlichkeit wird beruhigt. Die Talkshows und westlich-orientierten Politiker finden ihre Themen, Statements und können ihre amerikafreundliche Rolle spielen.
Zu vermissen sind die Antworten auf Fragen, die von Experten als mutmaßlich, gerüchtehalber oder Vermutungen geäußert werden: Welche Rolle spielen tatsächlich die russischen und belarussischen Geheimdienste? Wie lässt sich die westliche Doppelmoral der EU erklären, wenn seitens der EU Stillschweigen in Bezug auf die Durchsetzung von amerikanische Interessen herrscht? Welche Texte hat Protassewitsch wirklich ausgegeben? Zu welchen politischen Handlungen rief Protassewitsch aus dem Exil in Belarus auf? Agierte Protassewitsch etwa als Spion im Ausland?
Diese und weitergehende Fragestellungen finden sich in den Leitmedien bedauerlicherweise nicht. Die Antworten darauf sind aber evident und eminent wichtig. Weshalb werden diese Fragen nicht öffentlich gestellt und beantwortet?
Zuerst veröffentlicht im blautlichtblog.de