Frau Müller schrieb zu einem Facebook-Posting über die Befreiungsfeier in Mauthausen: "Es war ein unsagbares Verbrechen, aber ich lasse mir kein schlechtes Gewissen und ewige Reue aufdiktieren da ich ein Kind war. Nach so vielen Jahren fast alle Österreicher.Meine Kindheit war auch furchtbar mit Bomben und Hunger, ich will endlich vergessen."
Meine Antwort: Niemand verlangt von dir Reue und ein schlechtes Gewissen für etwas, woran du keine Schuld hast. Aber wir alle, die heute leben, haben Verantwortung für das, was heute geschieht, und dafür, dass solche Verbrechen nicht wieder geschehen. Warum musstest du hungern? Weil die Nazis alles für ihren Krieg gebraucht haben, für die Versorgung der Soldaten, für die Produktion der Waffen. Die gefallenen Soldaten, die Toten unter den Bombentrümmern, auch sie waren Opfer der Nazis. Wenn wir vergessen, was geschehen ist, können wir nicht daraus lernen. Wenn wir nicht daraus lernen, können wir nicht verhindern, dass es wieder geschieht.
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Ja, es ist ein Unterschied. Es ist ein prinzipieller Unterschied und er ist gewaltig. Und doch: Auch die gefallenen, verstümmelten, traumatisierten Soldaten (Ja, ich meine die, die in die Wehrmacht verpflichtet wurden), auch die hungernden, schlecht versorgten, verwaisten Kinder, auch die in die Fabriken eingrückten Frauen, die mit mageren Rationen ihre Familien durchbringen mussten, auch die Toten und Verletzten unter den Bombentrümmern, auch sie waren Opfer der Nazis. Auch viele, die weggeschaut haben, auch viele, die Mitläufer waren, auch viele, die sich mitschuldig gemacht haben, waren gleichzeitig Opfer. Das befreit sie nicht von Verantwortung und Schuld, aber man muss auch das sehen. Viele, die es früher hätten verstehen können, haben, wenn auch zu spät, eingesehen, was wirklich geschehen ist. Und wenn wir in diesen Tagen der Befreiung gedenken, dann sollten wir ihnen und ihren Nachkommen sagen: Ja, AUCH IHR SEID BEFREIT WORDEN.