Ich war für 17. März 2016 als Vortragender in einem Seminar zur Mensch-Tier Beziehung an der Veterinärmedizinischen Universität vorgesehen. Doch jetzt bekam ich eine schriftliche Absage vom zuständigen Professor Herwig Grimm. Die Begründung: ich hätte Tierversuche der Vet Uni öffentlich kritisiert und einen Tierversuch sogar wegen Tierquälerei zur Anzeige gebracht. Für Grimm ist daher klar, dass ich an der Uni ein Redeverbot haben müsse. Beeindruckend, mit welcher Selbstverständlichkeit und ausnahmsweise sogar großer Offenheit diese totalitäre Maßnahme ausgesprochen und begründet wird, siehe http://www.martinballuch.com/ich-habe-jetzt-redeverbot-an-der-veterinaermedizinischen-universitaet-wien/. Wie weit sind wir doch vom Ideal der Universitäten, wie sie in meiner Studienzeit noch Allgemeinverständnis war, abgerückt!
Universitäten sind, so war immer mein Eindruck, für die freie Forschung da, für den offenen Diskurs, völlig unabhängig von jeder Ideologie, mit Ergebnissen einzig auf Basis wissenschaftlich-rationaler Argumente. Jede Kritik und jede These muss zugelassen sein, solange sie den Prinzipien der Wissenschaftlichkeit genügt. Die Universitäten stehen im Dienst der Allgemeinheit, nicht im Dienst irgendeiner Industrie. Im Gegenteil, sie müssen sich vor zu viel wirtschaftlichem Einfluss schützen, um ihre Objektivität zu bewahren. Auf Universitäten wird zurück gegriffen, wenn man in politischen Fragen eine auch von der Wirtschaft unabhängige Fachmeinung braucht. Und an den Universitäten sollten die Themen aufgegriffen werden, die die Zukunft der Gesellschaft bestimmen, sie müssen die Avantgarde sein, die neue Wege evaluiert.
Und so habe ich auch meine Rolle und die des Vereins Gegen Tierfabriken gesehen. Wir stellen neue Wege des Mensch-Tier Verhältnisses zur Diskussion, zeigen Missstände auf, versuchen Tiermissbrauch hinter verschlossenen Türen an die Öffentlichkeit zu bringen und drängen auf legistische Verbesserungen bzw. zumindest auf die Umsetzung bestehender tierschutzrechtlicher Bestimmungen. Alles das dient dazu, eine öffentliche und offene Diskussion über das Mensch-Tier Verhältnis loszutreten. Und genau das sollten Universitäten auch tun, das wäre ihre Rolle ebenso. Deshalb fühle ich mich zu Universitäten hingezogen, ich habe 4 Studien abgeschlossen und 12 Jahre lang als Universitätsassistent gearbeitet. Der wissenschaftliche Dialog ist mir in Fleisch und Blut übergegangen.
Schenk uns bitte ein Like auf Facebook! #meinungsfreiheit #pressefreiheit
Danke!
Doch die etablierte Tierindustrie will keine öffentliche und offene Diskussion. Die Tiernutzung soll abseits der Öffentlichkeit funktionieren, die Menschen sollen möglichst uninformiert konsumieren und nichts Hinterfragen. Daraus ergibt sich ein natürlicher Gegensatz zwischen Wirtschaftsinteressen auf der einen Seite und universitärer Offenheit auf der anderen. Der tierindustriellen Propaganda sollte die objektive Faktenlage entgegen gehalten werden. Naiv gesehen würde daher eine Allianz von Tierschutzvereinen und Universitäten gegen die Tierindustrie naheliegen.
Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Finanzierung der Universitäten wird zunehmend auf Drittmittel verlagert, ja, es wird als tolle Errungenschaft gesehen, wenn die Industrie die universitäre Arbeit mitfinanziert. Doch das geht nicht ohne zunehmende Abhängigkeit von wirtschaftlichen Wertvorstellungen. Wenn ein Wirtschaftsunternehmen etwas bezahlt, dann möchte es damit Gewinn machen. Und der Gewinn in diesem Fall besteht in der Möglichkeit, Zensur auszuüben und die Themen der Forschung vorzugeben.
Im Jahr 2014 gab es 36 Tierversuchsprojekte, um die Effizienz der Ausbeutung von Tieren in Tierfabriken zu steigern, gegenüber 2 Experimenten, die der Erforschung tierfreundlicher Alternativen dienten. Die Vet Uni führt z.B. Tierversuche durch, bei denen im Sinne der Putenmastindustrie Mittel und Wege gesucht werden, auf billige und einfache Art den Profitverlust durch die Schwarzkopfkrankheit auszugleichen. Dass dabei Puten sehr schweres Leid zugefügt wird, ist nebensächlich. Die Drittmittel bestimmen die Forschungsrichtung.
Und das führt letztlich so weit, dass keine Kritik an Tierversuchen mehr an den Universitäten zugelassen wird, insbesondere keine konkrete Kritik an spezifischen Versuchsprojekten. Wenn ich ein Redeverbot an der Vet Uni Wien erhalte, weil ich dortige Tierversuche kritisiere, wäre es dann denkbar, dass ein Angestellter der Vet Uni Wien die dortigen Tierversuche kritisiert? Offensichtlich nicht. Da gibt es also ein zur Vet Uni assoziiertes Messerli-Forschungsinstitut mit Schwerpunkt Ethik der Mensch-Tier Beziehung, das ganz grundsätzlich keine Kritik von Tierversuchen der Vet Uni – und vermutlich auch von keinen anderen an österreichischen Universitäten – äußern darf. Und da ich mein Redeverbot auch deshalb erhalten habe, weil ich einen in meinen Augen gesetzwidrigen Tierversuch angezeigt habe – was nichts anderes heißt, als die Staatsanwaltschaft zu bitten, sich diesen Tierversuch näher anzusehen – wird offenbar von Angestellten der Vet Uni verlangt, sie müssen bei in ihren Augen gesetzwidrigen Tierversuchen wegsehen und dürfen die Behörden nicht darüber informieren.
Wo bleibt da die Freiheit der Wissenschaft, wenn wissenschaftliche EthikerInnen das Thema Tierversuche an den Universitäten und insbesondere in der Veterinärmedizin aus ihrer Forschung ausklammern müssen? Wenn sie dazu keine unabhängige Meinung haben dürfen, sondern einer ideologisch vorgegebenen Linie zu folgen haben? Was ist von einem solchen Ethikinstitut zu halten? Kann man ihm trauen? Das Wirtschaftsministerium – in Österreich für Tierversuche zuständig – hat dieses Messerli-Institut und den oben genannten Prof. Grimm mit der Erstellung eines Tierversuchskatalogs beauftragt. Aber aus Sicht von heute, nach dieser Klarstellung von Grimm, war das ein politischer Schachzug. Grimm gibt unmissverständlich zu verstehen, dass er in Sachen Tierversuchen nicht objektiv sein kann.
Daher hätte er niemals einen solchen Auftrag bekommen oder annehmen dürfen. Die Vet Uni Wien wird auf diese Weise zu einem Ableger der Pharma- und Tierversuchsindustrie, und zwar nicht nur, indem alles untersagt wird, was deren Profit im Weg stehen kann, sondern auch, weil sich autoritäre Strukturen etablieren, die alle Angestellten bei der Stange halten. Wenn es für Grimm selbstverständlich ist, dass jemand, der Tierversuche der Vet Uni kritisiert, dort nicht reden können soll, dann hat er die typische Vorgangsweise in der Privatwirtschaft verinnerlicht. Die öffentliche Universität wird so zu einem privatwirtschaftlichen Unternehmen, in Ausrichtung wie in innerer Hierarchie. Dass die Rektorin Sonja Hammerschmid in der Pharmaindustrie ihre Karriere begann, unterstreicht diese Entwicklung. Ein Alptraum!
Doch leider ist diese Einflussnahme der Wirtschaft auf die Universitäten sogar im Tierschutzbereich nicht auf Tierversuche beschränkt. Als wir für unsere Gutachten zur Jagd auf Zuchttiere unabhängige WissenschaftlerInnen suchten, wurde klar, dass es diese in Jagdfragen in Österreich nicht gibt – außer man greift auf bereits pensionierte ExpertInnen zurück. Die Landesjagdverbände mit ihren großen finanziellen Ressourcen, die auf einer Zwangsmitgliedschaft (in NÖ immerhin € 130 pro Jahr) aller JägerInnen beruhen, geben sämtlichen jagdlichen Forschungsinstituten Drittmittel. Und die dortigen WissenschaftlerInnen wissen, was von ihnen erwartet wird. Die Ehrlicheren unter ihnen winken gleich ab und geben unter 4 Augen zu, dass sie nicht neutral bleiben können. Ähnlich bei Tierfabriken und Schlachthöfen. Die Forschung an der Vet Uni Wien in diesen Bereichen ist völlig vom Goodwill dieser Industrien abhängig, daher gibt es weder öffentlich kritische Aussagen, noch darf mit Tierschutzorganisationen zusammengearbeitet werden, die deren Praktiken effektiv kritisieren. Zu keiner einzigen Frage, die die Nutzung von Tieren betrifft, ist von universitärer Seite mit einer objektiven Meinung zu rechnen, alles ist bereits gleichgeschalten!
Aber das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, bevor man wieder Tierschutzorganisationen wegen deren Aktivitäten kritisiert. Wir – ein Häufchen idealistischer und altruistischer Personen ohne finanzielle Ressourcen – rennen nicht nur gegen eine übermächtige Industrie mit beliebig großem Werbebudget und direktem politischem Einfluss an, auch der Zugang zu wissenschaftlichen Fakten ist uns abgeschnitten, vielmehr werden die nach außen hin unabhängigen FachexpertInnen in Wahrheit von der Tierindustrie finanziert, sodass sie nach deren Mund reden und grundsätzlich keine Ergebnisse liefern dürfen, die deren Profite bedrohen würden. Wie sich da jemals etwas ändern soll im Staate Österreich oder anderswo, ist wirklich nicht zu erkennen!
shutterstock/Parnumas Na Phatthalung