SLAPPs: Zivilklagen als politisches Kampfmittel der Mächtigen gegen kritische NGOs

Martin Balluch

Gatterjäger Rudolf Gürtler ärgert sich schon länger über Tierschutzaktivitäten. Selbst das Pelzfarmverbot geht ihm viel zu weit und noch dazu wird jetzt seine ihm so wichtige Jagd in den Schmutz gezogen. Als emeritierter Rechtsanwalt und Spross der Hotel Sacher Besitzerfamilie fehlen ihm weder Geld noch juristische Erfahrung, und so kam er auf die Idee, einen Fonds zu gründen, und selbst € 10.000 einzuzahlen, um Tierschutzaktivitäten durch permanente Klagen zu erschweren und zu behindern. Er hat das in einem Email an sämtliche Tiernutzerverbände verlautet und diese aufgefordert, ebenfalls Geld zu spenden und dann damit auch Klagen einzubringen. Der ehemalige steirische Landesjägermeister Gach meinte auf einer Jägertagung genauso, dass das der richtige Weg sei, gegen Tierschutz vorzugehen.

Man nennt so etwas SLAPP, oder strategic lawsuit against public participation. Zivilklagen als politisches Kampfmittel der Mächtigen, um kritische NGOs einzuschüchtern und abzudrehen. Dabei geht es nicht darum, dass jemand rechtlich durchsetzt, was ihm zusteht. Nein, bei SLAPPs wird der Einschüchterung wegen geklagt, obwohl man genau weiß, dass man überhaupt nicht im Recht ist. Einerseits hofft man auf die präventive Wirkung von Klagsdrohungen und Klagen, andererseits auf das Prozent an RichterInnen, die so gegen kritische NGOs eingestellt sind, dass sie wider allen Rechts für die Mächtigen entscheiden. Und die gibt es.

Als Beispiel aus der Vergangenheit mag McDonalds dienen. Anfang der 1990er Jahre wurde überall auf der Welt gegen McDonalds demonstriert, und das aus verschiedenen Gründen. Von den Arbeitsbedingungen der Angestellten und der Ausbeutung der Dritten Welt, über die Ressourcenverschwendung und den Umweltschutz, bis zum Tierschutz und der Volksgesundheit reichte die Kritik. McDonalds reagierte mit Klagen. AktivistInnen, die Flugblätter verteilten, wurden zum Widerruf aufgefordert und, wenn sie sich weigerten, vor Gericht gestellt. Die meisten gaben klein bei, andere, wie 2 Personen von London Greenpeace, fochten die Sache bis zuletzt aus. McLibel 2 werden die beiden heute genannt, ihr Prozess war der längste Zivilprozess in der Geschichte Englands. Auch der VGT wurde damals von McDonalds geklagt und gab schließlich klein bei. Er musste sich in einem Vertrag dazu verpflichten, niemals mehr gegen McDonalds zu demonstrieren. Das Kostenrisiko war für den jungen Verein einfach zu groß.

Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist die Klage einer Restaurantkette in Graz gegen den VGT. Wir hatten herausgefunden, dass dieses Restaurant Legebatterieeier verwendet und kontaktierten den Besitzer. Als dieser uns brüsk abwies, verteilten wir ein kritisches Flugblatt vor einigen der Filialen. Prompt kam es zur Klage und der Betreiber behauptete unverfroren, dass er keine Legebatterieeier verwenden würde. Zum Glück hatten wir Beweise und die Klage wurde abgewiesen. Wir sehen aber: geklagt wurde nur aus politischen Gründen, der Betreiber wusste genau, dass die Kritik des VGT zutraf. Man wollte einschüchtern und hoffte, dass der VGT keine Beweise hatte. Soll so ein Vorgehen legitim sein? Seltsamer Weise wird es in der österreichischen Medienlandschaft nicht kritisiert. Zivilklagen auf Unterlassung einzubringen gilt als akzeptables Verhalten, obwohl es demokratiepolitisch äußerst fragwürdig ist.

Als unsere Kampagne gegen die Gatterjagd so richtig ins Rollen kam, wurden ich persönlich und der VGT plötzlich mit zahlreichen Zivilklagen überschüttet, insgesamt waren es bisher 22. Alles und Jedes fiel den GatterjägerInnen ein, was sie vor Gericht forderten. Mayr-Melnhof z.B. sah sich durch die satirische Verleihung eines Awards für prominente GatterjägerInnen beleidigt und klagte auf Unterlassung. Bis zum Höchstgericht wurde berufen, doch letztlich blieb der Event vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Dabei ging es aber um zig tausende Euro, die wir hätten zahlen müssen, hätten wir verloren. Wer tut sich so etwas schon leichtfertig an? Ist es da nicht besser, den Namen Mayr-Melnhof einfach nicht mehr zu erwähnen und den Mund zu halten?

Gegen Mayr-Melnhof sind mittlerweile 6 Prozesse gelaufen, bei 2 davon steht das Urteil noch aus. Auch Mensdorff-Pouilly hat sich dem Klagenreigen angeschlossen, ebenso andere GatterjägerInnen. Auf den Karren sprang kürzlich auch Tierexperimentator Michael Hess auf. Er fühlte sich durch meine Kritik an seinen Tierversuchen an Puten beleidigt und forderte Unterlassung und Widerruf. Ich hatte gesagt, dass diese Versuche an mehr als 100 Puten schweres Leid verursachen und letztlich nur dazu dienen, der Putenmastindustrie finanzielle Verluste zu ersparen – ein fragwürdiger Grund für Tierversuche, zumal überall behauptet wird, Tierversuche fänden ja nur statt, um Menschen zu retten. In diesem Fall urteilte das Gericht in 1. Instanz tatsächlich im Sinne von Hess und verfügte, dass ich diese Kritik nicht mehr vorbringen dürfe. Ich musste gut € 2000 zahlen. Man sieht die potentielle Gefahr, wenn man Ziel solcher Klagen ist, auch wenn man im Recht war. Das Berufungsgericht hat nämlich auf meinen Rekurs hin das Urteil umgedreht. Jetzt darf ich meine Kritik wieder vorbringen und bekomme mein Geld zurück. Hess hat unterdessen auch die Veröffentlichung meines Rekurstextes als Beleidigung eingeklagt. Da hat die 1. Instanz bereits die Klage abgewiesen.

Von den 22 Klagen der letzten 12 Monate gegen mich persönlich, habe ich nun alle 14, die bisher entschieden wurden, gewonnen. 8 Klagen laufen noch und kein Zweifel, es werden noch mehr. 14 gewonnene Klagen sagt schon etwas aus, nämlich, dass ich im Recht war. Dass hier geklagt wurde, ohne dass dafür eine faktische Basis bestanden hätte. Dass diese Klagen rein politische Kampfmittel waren, um mich mürbe zu machen, vielleicht auch unter Stress zu setzen, meine Lebensqualität zu vermindern und mich letztlich so einzuschüchtern, dass ich aufgebe. Das war das Ziel. Demokratiepolitisch keinesfalls zu tolerieren.

Das letzte Urteil vom Wiener Oberlandesgericht hat das deutlich gemacht: „In einer demokratischen Gesellschaft müssen auch kleine und informelle Gruppen in der Lage sein, ihren Aktivitäten wirksam nachzugehen. Es besteht ein starkes öffentliches Interesse daran, solchen Gruppen und Individuen zu ermöglichen, durch die Verbreitung von Informationen über Themen wie etwa [Tierschutz] zur öffentlichen Debatte beizutragen.“

Und im Urteil, das uns das Recht zuerkannte, einen Award an prominente GatterjägerInnen zu vergeben, schrieb das Oberlandesgericht: „Das erklärte und auch festgestellte Ziel der Beklagten, den Tierschutz zu stärken und die – rechtlich erlaubte – Jagd ebenso wie die umstrittene Gatterjagd abzuschaffen, ist ein demokratisch legitimes Anliegen, zumal auch das Recht einem gesellschaftspolitischen (Werte-)Wandel unterliegt.[...Es muss] Staatsbürgern und vor allem Vereinen, die sich dem Schutz von Tieren verschrieben haben, in diesem Diskurs erlaubt sein […], sämtliche Formen des Umgangs und der Begegnung der Menschen mit Tieren im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit Tierschutzaspekten unter die Lupe zu nehmen. […] Dass Tierschutzvereine dabei ihren Standpunkt mit Vehemenz und pointierter Schärfe vertreten, hat der Oberste Gerichtshof bereits mit Blick auf deren legitimen Vereinszweck und das Recht der Öffentlichkeit auf einen Meinungsbildungsprozess in der für wichtig befundenen Frage des Tierschutzes gebilligt.“

Ich bin erleichtert, dass die Gerichte in Österreich mehrheitlich noch unabhängig zu sein scheinen und das Recht auf Meinungsfreiheit hochhalten. Aber dennoch: die Klagslawine durch Jägerschaft und Tierversuchsindustrie mag ein legales, aber sicher kein demokratiepolitisch legitimes Mittel der Einschüchterung gegen KritikerInnen sein und sollte medial und sozial geächtet werden. Es scheint aber, dass die Medien hierzulande weniger unabhängig sind, als die Gerichte.

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