Kürzlich war ich auf dem großen Krampuslauf in Mariazell in der Obersteiermark. Es erstaunte mich zu sehen, wie viele Leute dabei Pelz trugen. Wie ist das möglich, fragte ich mich, soviel Pelz habe ich in Österreich seit 30 Jahren nicht mehr gesehen. Und tatsächlich, kurz darauf stellte sich heraus, dass tausende TouristInnen in 250 Bussen aus Tschechien für den Event angereist waren. Es waren also TschechInnen, die den vielen Pelz trugen, nicht ÖsterreicherInnen. Und das ist kein kultureller Unterschied im engen Sinn. Wien war um 1900 eines der großen Handelszentren für Pelz weltweit. Bis in die 1980er Jahre war Tierfell absolut omnipräsent auf Österreichs Straßen. 1988 brach der Handel plötzlich ein, und zwar ziemlich dramatisch. Heute dümpelt der Pelzhandel hierzulande bei der 10 % Marke vom Umfang der 1970er Jahre dahin.
Das ist ausschließlich den Tierschutzorganisationen und den vielen idealistischen TierschützerInnen zu verdanken, die einerseits über die Jahre und Jahrzehnte Fakten über die Pelzproduktion zusammengetragen und veröffentlicht haben, und andererseits die Menschen sensibilisieren konnten. Und das geht eben nicht von heute auf morgen. 1988 herrschte in Tschechien noch eine kommunistische Diktatur, da gab es keinen Freiraum für Tierschutzarbeit. Tschechien ist deswegen in dieser Hinsicht Österreich 30 Jahre hinterher, deshalb war so viel mehr Pelz in Mariazell zu sehen. Aber die Änderung läuft, ein Gesetz für ein Pelzfarmverbot ist gerade im tschechischen Parlament. Der Vorsprung schrumpft, die Lücke wird sich schließen. Der Tierschutz hält auch im postkommunistischen Osteuropa Einzug, solange kein Rechtsruck diese Entwicklung stoppt.
Die Zeitung „Profil“ vom 1. Februar 2016 titelte „Das Frauenbild des Islam: Patriarchalisch, diskriminierend, sexistisch, mittelalterlich – mit Chance auf Besserung“. Der Text handelt von der frauenverachtenden Einstellung vieler Flüchtlinge und Zuwanderer, aber gleichzeitig auch von Beispielen, wie sich das ändern kann. Der Tenor: ja, da gibt es ein Problem, aber es ist lösbar. Tatsächlich habe ich auf der Extremismustagung des Friedensbüros in Salzburg im November 2016 viele Menschen und Initiativen kennengelernt, die explizit daran arbeiten. In Workshops werden Männer aus sogenannten „Ehrkulturen“ darauf gebracht, ihr hierarchisch-patriarchales Weltbild zu hinterfragen. Sehr gut, nur Tiere und Tierschutz kommen dabei gar nicht vor. Wäre es nicht auch förderlich, die Sensibilität zu Tieren anzusprechen, und den Wert von Tierschutz in Österreich?
Man mag sagen, dass ein Land, in dem der ehemalige Adel gezüchtete Tiere aus Spaß aussetzt und gleich wieder abknallt, oder in umzäunten Jagdgattern auf gefangene Tiere der Jagdleidenschaft frönt, den Mund in Sachen Sensibilität gegenüber Tieren nicht zu voll zu nehmen braucht. Wo sind denn die großen Tierfabriken und Tierversuchslabors? Eher im Westen, als im Mittleren Osten, in Syrien oder dem Irak. Das mag zum Teil stimmen. Wir haben ein Erbe von Altlasten im Tierschutz, das wir bei weitem noch nicht abgebaut haben, und das in manchen Bereichen sogar schlimmer wird. Aber dennoch ist es dem Tierschutz in den letzten Jahrzehnten hierzulande gelungen, nicht nur als Staatsziel in die Verfassung zu kommen, sondern auch weite Teile der Bevölkerung zu erreichen. Mehr als 500.000 Menschen in Österreich sind Mitglieder in einem Tierschutzverein, und das Spendenvolumen für Tiere in Not ist vergleichsweise hoch. Wir sind drauf und dran, dem ehemaligen Adel sein perverses Jagdvergnügen zu nehmen und Schritt für Schritt hält auch der Schutz von Nutztieren Einzug. Es gibt ohne Zweifel hier einen Vorsprung in der Sensibilität gegenüber Tieren und Tierleid im Vergleich zu Flüchtlingen und Zuwanderern aus dem Süden und Osten.
Ich habe den jungen Mann erstmals bei unserem Animal Liberation Workshop in Wien gesehen. Er stand verloren unter den über 100 TeilnehmerInnen und stach heraus, weil er den typischen Bart und das Kapperl von Muslimen trug. Ich sprach mit ihm. Er stammt aus dem Irak, sein Asylantrag wurde angenommen, jetzt lebt er in Wien. Trotzdem seine Ankunft erst wenige Monate her war, konnte er schon ganz passabel deutsch. Seit seiner Kindheit, so sagte er mir, lebe er aus Tierliebe vegetarisch. Ja, das sei nicht leicht gewesen, kaum jemand habe ihm Verständnis entgegen gebracht. Und er erzählte auch von tierquälerischen Traditionen aus seiner Heimat, vom totalen Missbrauch von Tieren ohne jedes Mitgefühl. Er freute sich sehr, jetzt in Österreich Anschluss zu Gleichgesinnten gefunden zu haben. Ich treffe ihn jetzt immer wieder bei unseren Informationskundgebungen in der Stadt.
Ja, das Tierschutzbewusstsein bei Flüchtlingen und Zuwanderern ist im Mittel deutlich geringer als bei uns hier in Österreich. Und ja, das ist problematisch, insbesondere wenn man immer wieder von illegalen Hofschächtungen und dergleichen hört. Aber wie im Profilartikel die AutorInnen dort, möchte ich hier dafür plädieren, nicht das Kind mit dem Bad auszuschütten. Tierschutz ist kein christliches Erbe, auch hierzulande waren wir (und sind wir vielfach noch) brutale TierquälerInnen. Es bedurfte der mühsamen, jahrzehntelangen Arbeit von sensiblen IdealistInnen, die die Pionierarbeit im Aufbau eines Tierschutzbewusstseins geleistet haben, und dabei oft genug von den vorhandenen Eliten bekämpft und kriminalisiert wurden. Wir müssen diese Bewusstseinsarbeit nun auch auf jene Menschen ausweiten, die als Flüchtlinge oder Zuwanderer zu uns gekommen sind. Es gibt keinen anderen Weg.
Und es gibt Lichtblicke, nicht nur der oben erwähnte Tierschützer aus dem Irak. Im Gazastreifen in Palästina ist z.B. die PAL aktiv, eine Tierschutzorganisation, die trotz so widriger Umstände dort Tierschutzprojekte umsetzt und sogar ein veganes Cafe gegründet hat. Auch in China etablieren sich Tierschutzorganisationen. Erst kürzlich las ich im New Scientist, dass China bisher ein Schlaraffenland für Tierversuche an Primaten war, ohne jede Einschränkung, aber dass jetzt erstmals Widerstand entsteht. Im Artikel ist von Organisationen in China die Rede, die beginnen diese Praxis zu hinterfragen und eine Änderung zu fordern.
Wir müssen unser Tierschutzbewusstsein in die Welt tragen. Das geht einerseits dadurch, unsere Gedanken zu exportieren, aber auch andererseits, indem wir Flüchtlinge und Zuwanderer damit infizieren. Das ist auch ein wesentlicher Teil der Integration.