Urteil gegen Flughafenpiste gibt mir Hoffnung

Martin Balluch

Kapitalismuskritik klingt schon so abgedroschen, fast wie die links-rechts Dichotomie in der Politik. Doch die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander, die Politik im Land wird zunehmend von der Wirtschaft, und da nur von einzelnen Großkonzernen, die Marktmonopole erhalten, bestimmt. Sichtbares Zeichen davon sind die Freihandelsabkommen, die die gewählten Regierungen in Geiselhaft nehmen. Alles und jedes muss sich am „Wirtschaftsstandort Österreich“ orientieren. Dabei stimmt es nicht, dass es uns gut geht, wenns der Wirtschaft gut geht. Zwar gibt es natürlich eine Beziehung zwischen Wirtschaftsaufschwung und Lebensqualität, aber die ist nicht nur einseitig, ein höheres Brottonationalprodukt ist kein Garant für Lebensfreude. Studien zeigen regelmäßig, dass die fröhlichsten Menschen jene der Naturvölker sind, die noch am ehesten im Einklang mit der Natur leben. Und in den Wirtschaftswissenschaften gilt heute klar, dass der „trickle-down“ Effekt nicht existiert: d.h. wenn es einige Superreiche gibt, profitiert davon die Gesellschaft nicht nur nicht, sondern sie nimmt Schaden. Je größer die Arm-Reich Schere, desto mehr Umweltzerstörung, Tierquälerei und schlechte Lebensqualität für die meisten Menschen.

Ich habe es in den letzten 30 Jahren als Tierschutzaktivist oft miterlebt. Die Regierungen sind derart von den Wirtschaftstreibenden abhängig, dass sie nie und nimmer gegen deren Interessen entscheiden können. Und mit viel Geld lassen sich auch die Medien über Werbeeinschaltungen kaufen. Wollen wir also Entscheidungen gegen Wirtschaftsinteressen aber für die Lebensqualität der Menschen, z.B. Maßnahmen gegen den Klimawandel, oder für Tierschutz, sind die leider nicht von der Politik zu erwarten, zumindest nicht ohne ausreichend Druck. Im Fall des Flughafens Schwechat zeigt sich nun ein neuer Weg: über unabhängige Gerichte. Diese sind – hoffentlich – nicht von den Wirtschaftstreibenden oder den Medien abhängig. Theoretisch sind sie auch geschützt, wenn ihre Urteile der Politik missfallen.

Zumeist erwarte ich aber keine großen Sprünge von Gerichten. RichterInnen tendieren zum Konservativismus. Das ergibt sich aus der Auslese am Weg zum Richteramt. Aber immer wieder werden wir doch sehr positiv überrascht. Der Flughafen Wien Schwechat visiert seit 2007 den Bau einer dritten Startbahn an. Dagegen haben sich zahlreiche Bürgerinitiativen formiert, aber wir wissen ja: wenn der Wirtschaftsstandort Österreich in Gefahr ist, dann wird kein Widerspruch akzeptiert. Und mehr Flugverkehr bedeutet natürlich mehr Handelskontakte mit Wirtschaftstreibenden, die dann in Wien statt in den aufstrebenden osteuropäischen Städten landen. Doch die Bürgerinitiativen riefen das Bundesverwaltungsgericht um Hilfe an.

Dessen Richtersenat setzte sich mit Beschwerden von insgesamt 28 unterschiedlichen Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern auseinander (Privatpersonen, Bürgerinitiativen sowie der Stadt Wien) und prüfte die verschiedenen standortpolitischen und arbeitsmarktpolitischen Aspekte, den Bedarf aufgrund der steigenden Flugbewegungen sowie die Frage der Flugsicherheit im Rahmen des Beschwerdeverfahrens. Es wurden eine dreitägige mündliche Verhandlung durchgeführt und insgesamt sieben umfangreiche Sachverständigen-Gutachten (Luftschadstoffe, Lärmschutz, Vogelkunde, Umwelthygiene, Verkehrsplanung, Treibhausgasemissionen und Bedarfsplanung) in Auftrag gegeben.

Mitberücksichtigt wurden bei dieser Entscheidung, dass die Grundrechte-Charta der Europäischen Union, die österreichische Bundesverfassung und die niederösterreichische Landesverfassung dem Umweltschutz und insbesondere dem Klimaschutz einen hohen Stellenwert einräumen und Österreich sich international und national zur Reduktion der Treibhausgasemissionen verpflichtet sowie im Rahmen des Klimaschutzgesetzes sektorale Emissionshöchstmengen bis 2020 festgelegt hat. Die Möglichkeiten des Flughafens, den CO2-Ausstoß durch eigene Maßnahmen zu verringern (wie etwa die Installation von Solar- bzw. Photovoltaik-Anlagen oder etwa die Umstellung der Wagenflotte auf Elektro-Autos) waren nicht ausreichend. Daher wurde der Antrag auf Errichtung einer dritten Startbahn abgewiesen, weil diese den Treibhausgasausstoß dramatisch erhöht hätte. Sensationell!

Man sieht, wie wichtig ein Verbandsklagerecht auch im Tierschutz wäre. Nur wer Gerichte anrufen darf, kann überhaupt Recht bekommen. Und nur die Gerichte haben wenigstens im Prinzip jene Unabhängigkeit, die ihnen eine fachbezogene Entscheidung ohne illegitime Einflüsterungen von außen ermöglicht, im Gegensatz zur Politik. Wir sehen das jetzt beim Verbot des Aussetzens von gezüchteten Fasanen im Bundestierschutzgesetz. Das Fachgremium Tierschutzrat hat einstimmig dafür votiert, aber aus dem Ministerium wird mir erklärt, dass das Verbot politisch nicht opportun wäre. Fachlich spricht also alles dafür, aber irgendwelche mächtigen Einflüsterer in der Politik, die der infantilen Abschiessbelustigung von Zuchttieren frönen wollen, legen einfach ihr Veto ein und schon geht nichts mehr. Es wäre doch wirklich gut, wenn man diese Frage auch vor ein unabhängiges Gericht bringen könnte: auf welcher Seite überwiegt das öffentliche Interesse?

Zurück zum vorliegenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Auf das positive Resultat folgte ein Aufschrei der Wirtschaft und ihrer Handlanger an den Unis und in der Politik. Man wolle nun das Höchstgericht anrufen, um diesem „Unsinn“ ein Ende zu machen. Wo kommen wir da hin, wenn Sorgen um den Klimawandel die Erhöhung des Flugverkehrs einschränken? Dabei ist der Verkehr klimapolitisch das größte Sorgenkind, in Österreich lässt er sich momentan am wenigstens in Sachen Klimaschutz einschränken. Und die Flugzeuge sind von den meisten Klimavereinbarungen ausgenommen, ja sie werden explizit steuerlich begünstigt. Vermutlich weil die Reichen immer fliegen, statt sich mit dem Pöbel in die Bahn zu setzen. Faktum ist, dass sich dieses Urteil sehr detailliert mit allen Aspekten beschäftigt und einer wissenschaftlichen Publikation zum Klimawandel gleicht. Ich hoffe sehr, dass es in der Berufung hält.

Und wie wäre es, wenn man gegen die Genehmigung von Tierfabriken mit dem Argument Klimawandel vorgeht? Tierproduktion ist einer der größten Klimasünder und Tierfabriken verschleudern unser aller natürliche Ressourcen ohne jeden vernünftigen Grund. Vielleicht darf ich eines Tages einen Gerichtsprozess gegen die konventionelle Tierproduktion vor Gericht führen, ob sie nicht aus Klimagründen – oder vielleicht aus Gründen des Tierschutzes, auch das ist ein großes öffentliches Interesse – unterbunden werden muss. Bei der Politik können wir lange warten, bis sie das entscheidet, obwohl bereits heute die große Mehrheit der Menschen Tierfabriken ablehnt. Bei Gericht sollte wenigstens grundsätzlich rein fachlich abgewogen werden, ohne Rücksicht auf Einflüsterungen oder persönliche Interessen.

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