Als am 21. Mai 2008 mitten in der Nacht meine Wohnungstür eingeschlagen wurde und vermummte Personen mit Scheinwerfer und gezogenen Schusswaffen herein stürmten, sollte sich für geschlagene 3 Jahre meine Welt auf den Kopf stellen. Es war die Polizei, die bei mir eingedrungen war, mir die Pistole an den Kopf hielt und mich nackt an die Wand stellte. Nach 6 Stunden Hausdurchsuchung landete ich für 105 Tage im Gefängnis. Vorwurf: Bildung einer kriminellen Organisation im Tierschutz, mit dem Ziel, Politik und Wirtschaft tierfreundlicher zu gestalten. 35 Tierschutzkampagnen wurden in der Anklageschrift dieser „kriminellen Organisation“ zugeordnet, beginnend 1988 mit der Kampagne gegen den Pelzhandel, über 2003 der Kampagne gegen Legebatterien bis 2007 der Kampagne gegen die Käfighaltung von Fleischkaninchen.
In meiner winzigen Zelle, mit mehrheitlich rechtsradikalen Gewalttätern zusammengesperrt, zweifelte ich an der Welt. Ich zweifelte an der Rechtsstaatlichkeit in Österreich, an der Gerechtigkeit, an der Vernunft der Politik und an der Gleichheit der BürgerInnen vor dem Gesetz. Ich wollte so rasch wie möglich dieses Land verlassen. Und in dieser dunklen Phase meines Lebens wurde plötzlich ein Besuch angemeldet. Hinter Panzerglas saß mir dann Alexander Van der Bellen gegenüber, damals Bundessprecher der österreichischen Grünen. Ich wusste von ihm, dass Tierschutz gelinde gesagt nicht seine höchste Priorität war, aber er nahm aus Menschlichkeit das Risiko auf sich, sich mit mir, einem laut Innenministerium gefährlichen Verbrecher, zu solidarisieren und persönlich mehr über mein Schicksal zu erfahren.
Er sprach mir Mut zu, in meiner bedrängten Situation. Und er kündigte an, was auch immer geschehe, er werde mich aus Solidarität auf die Bundesliste der Grünen für die anstehende Nationalratswahl setzen. Und so geschah es dann auch. Zu Zeitpunkt der Wahl war ich zwar bereits aus der Untersuchungshaft entlassen, und der Platz auf der Wahlliste gab mir keine realistische Chance, ins Parlament auch tatsächlich einzuziehen, aber die Solidarität, diese Unterstützung und das Bekenntnis zu unserer Tierschutzarbeit nach Außen waren mir Gold wert. Sie bauten mich wieder auf, sie gaben mir die Kraft, diesen Konflikt durchzustehen, und neben vielen anderen Solidaritätsbezeugungen waren sie letztlich dafür verantwortlich, dass ich in Österreich blieb und meine Tierschutzarbeit bis heute fortsetzte.
Genau 3 Jahre nach meiner martialischen Festnahme wurde ich aufgrund bewiesener Unschuld freigesprochen. Allerdings lagen 14 Monate Prozess dazwischen. Und bis heute habe ich meine Verteidigungskosten von € 650.000 von den Verantwortlichen nicht zurück bekommen. Aber den selbstlosen Einsatz von Alexander Van der Bellen, mit erheblichem Risiko für ihn, da er mich bis dahin nicht persönlich gekannt hat, werde ich ihm nie vergessen.
Und wie stand die FPÖ seinerzeit zu meiner Festnahme? Nur 8 Tage danach, am 29. Mai 2008, goss der FPÖ-Abgeordnete Werner Neubauer noch Öl ins Feuer, indem er in einer öffentlichen Aussendung die Grünen für ihre Solidarität angriff und sogar vermutete, einer ihrer Funktionäre sei einer der Verhafteten, was gar nicht stimmte. Die beschuldigten TierschützerInnen wurden in seiner Aussendung jedenfalls wegen Körperverletzung, Vandalismus und sogar Gasanschlägen vorverurteilt, obwohl das alles frei erfunden war. Hätten auch die Grünen derart reagiert, wäre ich im Gefängnis versauert. Die FPÖ-Aussendung ist heute noch online: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20080529_OTS0325/neubauer-festnahme-militanter-tierschuetzer-legt-nervenkostuem-der-gruenen-blank
In den Politkonfrontationen im ORF zur Nationalratswahl 2008 griff auch Strache den Grünenchef Van der Bellen direkt an und fragte ihn, wie er sich mit einem Verbrecher wie mir nur solidarisieren könne. Ebenso sprach Strache gegen einen anderen der inhaftierten TierschützerInnen im TV eine Vorverurteilung aus. Solidarität, Unterstützung und Verständnis für unsere Tierschutzarbeit war von der FPÖ in diesen Tagen der Bedrängnis jedenfalls nicht zu hören, sondern das genaue Gegenteil.
Norbert Hofer ist seit 1994 Mitglied der FPÖ, war also zu diesem Zeitpunkt schon altgedient, ohne Widerspruch einzulegen. Seine persönliche Meinung hat er aber, soweit ich weiß, bis zu meinem Freispruch nicht öffentlich kundgetan. Vielleicht lagen Hofers Interessen anderswo. Seine Burschenschaft „Marko Germania“, deren Ehrenmitglied er ist, bekennt sich ja zum „deutschen Vaterland“ und nennt die österreichische Nation eine „geschichtswidrige Fiktion“. Vielleicht hat er sich also mehr für den Tierschutz im Ausland, nämlich in Deutschland, interessiert.
Christian Jansky https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Alexander_Van_der_Bellen_Sankt_Poelten_20080911a.jpg