Land schafft Leben
Anlässlich der Europawahlen kommenden Sonntag besuche ich jenes EU-Land, in dem die Gegensätze zwischen Kleinbauern und Agrarkonzernen wohl am größten sind. Landwirtschaftliche Fläche in Rumänien ist bei Investoren aus vielen Ländern gefragt. Dennoch gibt es rumänische Bauern, die sich mit verschiedenen Strategien am nationalen und internationalen Markt behaupten.
„40 bis 50 Prozent der Agrarflächen werden von ausländischen Investoren bewirtschaftet“, sagt Mugur Jitea von der Agraruni USAMV Cluj. Er referiert vor 14 Journalisten aus 14 EU-Ländern, die von der EU-Kommission zu einer Pressereise in Transsilvanien geladen sind. Einer davon bin ich. Ob die ausländischen Investitionen der Bevölkerung viel bringen, wollen wir von Professor Jitea wissen. „In den Dörfern mit den größten Agrarbetrieben leben die ärmsten Menschen“, antwortet er. Ob die Investitionen tatsächlich nur den Investoren selbst nutzen oder auch Arbeitsplätze und Wohlstand bringen, das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Die Investoren kommen vor allem aus Mitteleuropa, China und dem Mittleren Osten, auch aus Österreich.
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Pferdefuhrwerke und Millionenförderungen
Auf der Fahrt durch Rumänien begegnen uns immer wieder Pferdefuhrwerke. Unzählige Klein- und Kleinstbauern bilden den Kontrast zu ausländischen Investoren. Zwei Millionen Bauern gibt es in Rumänien, schätzt Mugur Jitea, die mit Abstand meisten in der EU. Zum Vergleich, Österreich hat rund 160.000. Nicht mal jeder zweite landwirtschaftliche Betrieb in Rumänien bekommt EU-Agrarförderungen. Nur 800.000 der zwei Millionen Bauern bewirtschaften mehr als einen Hektar und qualifizieren sich damit, überhaupt etwas von der EU zu bekommen. Zehn Prozent der Agrarbetriebe erhalten 80 Prozent der Förderungen. Die EU vergibt Direktzahlungen pro Hektar, die größten Betriebe bekommen wie in allen Mitgliedsstaaten am meisten. Rumänien bekam 2017 3,33 Milliarden Euro an Agrarsubventionen. Österreich erhielt 1,2 Milliarden für die Landwirtschaft, was im Größenverhältnis zur Bevölkerungszahl passt, wenn man mit Rumäniens 19,6 Millionen Einwohnern vergleicht. Der große Unterschied ist, dass die Empfänger der Förderungen oft nicht rumänische Bauern sind, weil – wie bereits erwähnt – ausländische Investoren fast die Hälfte der Agrarflächen bewirtschaften.
„Wein-Imperium“ von der EU gefördert
Die Reise führt uns über schlechte Straßen in die Gegend südöstlich von Cluj. Dort liegt die 4.600-Seelen-Gemeinde Jidvei. Diesen Namen trägt auch Rumäniens größter Weinhersteller. Wir Journalisten werden fürstlich empfangen, mit festlichem Dinner, Weinverkostung und Besichtigung von Schloss und Weinberg. Vorbei an Roma-Häusern führt uns eine holprige Schotterstraße durch ein einsames Tal. Manche Kollegen wollen sogar einen Bären gesehen haben. Entlang der Straße tauchen immer mehr Weingärten auf, bis wir am höchsten Punkt eines Berges ankommen. Dort stehen unzählige Tanks, gefüllt mit dem Saft der Trauben. Der Ausblick auf die Umgebung und Jidveis Weingärten ist beeindruckend. Der Begriff „Wein-Imperium“ geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Die gastfreundlichen Jidvei-Verantwortlichen mögen mir verzeihen.
Wir dürfen Kostproben aus den riesigen Tanks nehmen. Rund um die Welt werden die Weine exportiert. Bei einem Sauvignon Blanc erklärt uns ein hochrangiger Mitarbeiter mit einem Lächeln: „Der gehört nicht zu unseren besten Weinen. Der ist für den rumänischen Markt.“ Als mein Kollege von der deutschen Tageszeitung TAZ hartnäckig die genaue Summe der erhaltenen EU-Förderungen wissen will, sind die Jidvei-Verantwortlichen weniger gesprächig. EU-Plaketten an den hochmodernen Tanks lassen vermuten, dass der europäische Steuerzahler hier keinen kleinen Anteil hatte. Die Anlagen gehören nun den Jidvei-Besitzern, die 1.000 permanente Arbeitsplätze geschaffen haben.
Land schafft Leben
Moderner Obstbau hoch über Cluj
Dass EU-Förderungen auch die regionale Versorgung mit rumänischen Lebensmitteln unterstützen, zeigt uns ein junger Obstbauer. Dan Mitre ist 36 Jahre alt und Sohn eines Universitätsprofessors und einer Gemüseerzeugerin. Von seinen 100 Hektar Obstgärten aus blickt er auf die 300.000-Einwohner-Stadt Cluj hinab. Dort wohnen viele seiner Kunden. Die geernteten Kirschen, Äpfel und Pflaumen verkauft er ausschließlich im Inland, so viel wie möglich über den Hofladen seiner Mutter. Aber auch die großen internationalen Supermarktketten wie Kaufland und Carrefour braucht er, um das gesamte Obst absetzen zu können. 2011 hat Dan Mitre den Betrieb übernommen, ein Jahr später in neue Anlagen und Obstbautechnik investiert. 1,6 Millionen Euro hat er 2012 von der EU dafür bekommen, wie er uns ganz offen erzählt. Das habe die Hälfte der Investition ausgemacht. „Das Geld für die Investitionen ist ohnehin zurück in andere EU-Länder geflossen, weil ich dort alles kaufe“, sagt der Obstbauer. Die modernen Obstplantagen mit Hagelnetzen hat er von mitteleuropäischen Herstellern gekauft, unter anderem in Österreich. Seine Obstgärten entsprechen dem Stand der Technik. Jenen Anlagen, die wir in Österreich kennen, stehen sie um nichts nach.
2017 erhielt er insgesamt 1,3 Millionen Euro an EU-Förderungen. Ihm wäre es lieber, wenn die EU nicht pro Fläche, sondern nach Ertrag zahlen würde. Die Lebensmittelerzeugung sieht er als förderwürdige Leistung, nicht das Bewirtschaften von Fläche. Dan Mitre beschäftigt zehn Arbeitskräfte dauerhaft und bis zu 100 Erntehelfer. Das sei gar nicht so einfach. Von einem „very big problem with workers“ in Rumänien spricht er.
Mehr dazu demnächst in Teil 2 unserer Reise durch das Herz Rumäniens.
Land schafft Leben
Mehr über Förderungen in Österreich und der EU:
> HINTERGRÜNDE: Öffentliche Gelder für Bauern
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