Ein guter Freund ist überzeugt nur zwei Dinge von seinem Vater gerlernt zu haben, wobei ich die Dynamik dieses Textes gleich vorweg bremsen muss, denn das erste Erlernte habe ich ganz ehrlich vergessen.
Beim Zweiten handelt es sich aber zweifelsfrei um die Lebensweisheit, "alle Taxifahrer wären die direkten Nachfahren von Prostituierten", Hurenkinderalso. Zugegeben, nun hat dieser überlieferte Erfahrungsschatz schon einige Jahre auf dem Buckel und stammt vermutlich aus einer Zeit, in der sich die Elite des Landes weder aus dem Beförderungsgewerbe nochaus der Dentalbranche rekrutierte.
Reist man aber - wie ich es in den letzten Tagen ausgiebig getan hatte - gegen die Zeit, also gen Osten, stößt man auf Phänomene und findet sich in Situationen wieder, die eben aus einer anderen Epoche zu stammen scheinen. An dieser Stelle seien die Taxifahrer von Khabarowsk, 700km von Vladivostok, erwähnt.
Vermutlich gibt es wenig Konkurrenz unter den Taxiunternehmen in dieser trüben Stadt derenhistorischerUrsprung und Existenz nie mit Handel, Produktion oder gar Dienstleistung, also viel mehrmit militärischen Anlagen verbunden war. Sicher über 50% der Fahrzeuge der 600.000 Seelenstadt haben übringens dank der geographischen Nähe zu Japan das Lenkrad auf der rechten Seite, die Straßen sind in einem für die russische Provinz üblichen, schlechten Zustand, die Einkommen gering, die Distanzen groß. Eine Reihe von Faktoren also, die den Taxifahrer unter den anderen Menschen und Professionisten in diesen Gefilden scheinbar zu etwas Besonderem machen.
Die erste Fahrt vom Flughafen ins Hotel kostete ein Vielfaches des örtlichen Tarifs. Das ist im Prinzip nichts besonderes, das kann man auch in Prag, Oslo oder Kapstadt haben. Interessanter war aber herauszufinden, dass auch die zweite Fahrt dem Tarifniveau der ersten um nichts nachzustehen hatte, denn - so der Mechanismus - wird das Taxi aus einem der besseren Hotels der Stadt gerufen, verteilt die mit den schlitzohrigsten Taxlern befreundete Telefonistin die Aufträge an die gierigsten Fahrer. Gefällt mir, vor allem bekommt man ja für sein Geld jede Menge Lokalkolorit geboten:
Khabarowsker Taxifahrer (n=10) haben nie Wechselgeld, geben uns während ihrer ausgiebigen Gespräche am Mobiltelefon gelegentlich das Gefühl sie sogar ein wenig in ihrer Privatsphäre zu stören, öffnen den Kofferaum erst nach der zweiten oder dritten Aufforderung,steigen grundsätzlich nicht aus,und helfen auch nicht mit dem Gepäck, könne sich aber durchausin Gespräche ihrer Fahrgäste einmischen, gerade so als würde man unter Freunden im Wirtshaus diskutieren.
Mein absoluter Favorit ist aber die Aufforderung "die Türe nicht so laut ins Schloß fallen zu lassen". Das hört man in unseren Breiten nicht mehr so oft wie etwa noch vor einigen Jahrzehnten als die Anschaffung, die Instandhaltung und die Bedienung von Kraftfahrzeugen denBeifahrerennoch geheimwissenschaftlichen Respekt abverlangte.InKhabarowsk kann man das alles noch erleben und erinnert sich dabei interessanter Weise auch wieder an die Theorie mit den Hurenkindern.