Russland ist verkatert

Russland ist verkatert. Während Geschäftstreibenden schon im Q4 des letzten Jahres ein kriselndes Marktsentiment registrieren konnten, dies aber noch künstlich, hypomanisch weggesotschit wurde, und im Anschluss die Medienberichterstattung vom Krim-Nichtblitzkrieg und der Tatsachenschaffung in der Ukraine überschattet wurde, ist es jetzt fast amtlich: Russland ist in der Krise.

Das Budget kann mit dem aktuellen Produkt aus Ölpreis und Rubelkurs nicht gedeckt werden, der Rubel wurde daher aus seinem Euro-Dollar-Basket gescheucht, und wenn nach der dieswöchigen Entscheidung der OPEC die Saudiarabische Förderquote nicht zu ändern, floatete der Rubel heute morgen munter weiter Richtung 65 Rubel pro Euro, ist damit also fast 50% (!) schwächer als am Jahresbeginn.

Fährt man heute am Gartenring um das Moskauer Zentrum sieht man etwa alle 200-300 Meter die Kurstafeln der Wechselstuben, und kann an den unterschiedlichsten Kauf- und Verkaufspreisen der Währungshändler und vor allem auch an den Korridoren zwischen den Kursen ablesen, was man zuletzt wohl nur in der zweiten Jahreshälfte 1998 beobachten konnte: niemand kann den Markt abbilden, alles schwimmt.

Gemüse, Obst, Fleisch und Fisch sind seit dem Sommer stetig teurer geworden, nicht zuletzt wegen der Sanktionen. Bei fallendem Wechselkurs ist es in einem ölproduzierenden Land wie den Vereinigten Russischen Emiraten klar, dass die Preise mit einem Delay von ein bis drei Monaten steigen müssen. Auf dem funktionierenden apple-Markt mit mehreren Spielern und vollen Lägern vor der Weihnachtssaison werden die Preise der Importgüter beispielsweise nur langsam angepaßt, während etwa die ebensoteuren Akkus für einen Segway sofort angepaßt wurden – es gibt nur 1 ½ Händler in Moskau und geringe Nachfrage, der Wiederbeschaffungspreis ist bei wenig Lagerware der relevantere. Wird alles teurer müssten auch die Gehälter steigen, tun sie aber ebensowenig wie die Mieten oder Immobilienpreise, denn Firmen müssen zusperren, Personal abbauen. Es fällt also die Kaufkraft und auch der sogenannte Mittelstand verzichtet offensichtlich immer öfter auf Anschaffungen, Lokalbesuche und auch Auslandsreise werden zum Luxusgut - das österreichische Konsulat stellt heuer weit weniger Sichtvermerke für Touristen aus als etwa noch vor einem Jahr.

Die krisenerprobten Russen werden das durchstehen. Je weniger ein Land Stabilität als Normalzustand kennt, desto eher wird eine ökonomische Hochschaubahn als natürlicher Lebensverlauf empfunden. Die Propaganda tut genauso wie in Europa das ihrige dazu. Eigentlich könnte man von einer idealen Ausgangsposition sprechen, die frostigen Temperaturen für eine Besetzung der Lugansker und Donetsker Gebiete zu nutzen. Angriff ist für jedes Regime die beste Verteidigung, die Amerikaner demonstrieren dies ja nur allzu häufig.

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Silvia Jelincic

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Martjusha

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fischundfleisch

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