Django Nudo, Standstill Werner und die Rasselbande der Besitzstandswahrer

Es ist etwas komisch, aber vor allem tragisch. Und es ist ein echter Kassenschlager. Das Publikum, vulgo Bevölkerung, ist das Opfer, interessiert sich aber nur ausschnittsweise dafür. Gerne zahlt es den Eintrittspreis; den Großteil der Aufführung werden ohnehin die Kinder und Enkel des Publikums brennen. Gut, dass man diese nicht fragen muss. Sie sind für das Schauspiel ungefragt als stumme, zahlende Protagonisten eingeteilt.

Der Plot der Geschichte: Häuptling „Ruhige Hand“ vulgo „Standstill Werner“, ein Möchtegern-Cowboy vulgo „Django Nudo“ und die „Rasselbande der Besitzstandwahrer“ vulgo Sozialpartnerschaft – die führen sich gemeinsam auf, als gäbe es kein Morgen. Flankiert und getrieben wird das Schauspiel von der Gang „Bandidos Federalos“, eine Gruppe von zweifelhaften Lokalfürsten, die ihre Belange und Eigennützigkeit in einer regelmäßigen Konferenz organisieren.

Das Land wird in Geiselhaft genommen und die Bewohnerinnen und Bewohner machen das über weiteste Strecken freiwillig mit. Droht ein Aufstand der Bevölkerung, dann rückt die Rasselbande der Besitzstandwahrer aus, kanalisiert die Emotionen mit Verfassungsgesetzen oder Unterschriftenlisten und zieht sich dann mit Standstill Werner, Django Nudo und den Bandidos Federalos an verborgene Orte zurück. Dort beraten sie, was man tun kann, um – an den echten Aufgaben vorbei – möglichst viel Lärm zu machen.

Zwecks Entertainment werden gelegentlich verhaltensoriginelle Charaktere auf die Bühne geschickt. Manche stolpern in ungeplanten Sequenzen überraschend durch den Schauplatz. Andere inszenieren einen kurzweiligen Auftritt, um sich sichtbar zu machen oder einen Applaus abzuholen. Insbesondere die informellen Chefs der Bandidos haben einen Hang in diese Richtung. Geriert sich im Publikum dennoch sowas wie Unzufriedenheit, so ziehen sich Standstill, Django, Rasselbande und Bandidos in ihre alchemistische Küche zurück und fabrizieren Beruhigungspillen. Diese werden dann an die Bevölkerung verteilt. Zuletzt haben sie echt fette Pillen gedreht, die nun unter dem Label „Steuerreform“ unters Volk gebracht werden. Die Dinger lutschen sich gut. Und vielerorts wird unerkannt oder vergessen sein, dass es sich doch nur um Beruhigungspillen handelt.

Schnitt. Und Schauplatzwechsel auf die andere Seite des echten Lebens:

1. Österreich hat die höchste Arbeitslosigkeit seit über 60 Jahren und zu Weihnachten 2015 werden über eine halbe Million Menschen arbeitslos unterm Weihnachtsbaum sitzen. Gemeinsam mit den engsten Angehörigen sind weit über eine Million Österreicherinnen und Österreicher unmittelbar von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Beruhigungspille „Steuerreform“ wird daran nichts ändern, insbesondere weil Lohnsummenabgaben nicht gesenkt werden. Sozialversicherungsbeiträge, Dienstgeberabgaben und Kammerumlagen bleiben drückend hoch und senden an Unternehmerinnen und Unternehmer die Botschaft: „Nur keine Leute anstellen. Ihr werdet sonst brennen wie ein Luster.“

2. In Innovations- und Standort-Rankings verliert unser Land seit Jahren an Boden und es ist keine Trendumkehr in Sicht. Österreich zeigt sich reformresistent. Kommen Zweifel an beharrenden Kräften auf, werden diese – Beispiel Sozialpartnerschaft – in den Verfassungsrang gehoben. Die Irritation als Mutter der Innovation ist in diesem Land nicht wohl gelitten. Und der Unternehmergeist bleibt dem Kammerstaat grundsätzlich verdächtig; sogar der eigenen „Unternehmer-Kammer“, die sich ihre absolute Machtposition durch dubiose Stimmentransfers nach den Wahlen organisiert. Eine Steuerreform mit Steuer- und Abgabenerhöhungen sendet – in Übereinstimmung mit dem jahrelangen Dilettantismus der Großen Koalition in Sachen Hypo Alpe Adria – die klare Botschaft an potenzielle Investoren: „Nur nicht in Österreich investieren. Das ist derzeit kein guter und sicherer Boden.“

3. Die österreichische Staatsverschuldung ist eine der am rasantest steigenden unter allen OECD-Ländern. Diese Steuerreform wird den Schuldenberg Österreichs weiter anwachsen lassen. Die Große Koalition ist außer Stande – unfähig oder unwillig –, echte Strukturreformen im Bereich des Pensionssystems, des Föderalismus, der Verwaltung oder der Gesundheit voranzutreiben. Und die sogenannte Gegenfinanzierung der Steuerreform ist in etwa so konkret wie die aktuellen Maßnahmenkataloge der griechischen Regierung. Ein Teil der Steuerreform wird daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Pump und damit auf Kosten der nächsten Generationen finanziert. Die Botschaft: „Danke liebe Kinder und Enkel. Auf Pump und ein paar zusätzliche Steine in euren Rucksack. Weil’s immer so war – die ganzen letzten 53 Jahr‘.“

4. Österreich verfestigt seine Position als schlechtes Mittelmaß im Bereich der Bildung. Sowohl Schulen als auch Hochschulen sind weit von der internationalen Spitze entfernt. Zu viele Talente verkümmern in diesem Land. Das wichtigste Buch der österreichischen Schule ist und bleibt das Parteibuch. Für Ausländerkinder gilt nach wie vor die Generalhypothese: Sie sind halb so g‘scheit – oder doppelt so deppert? – wie Inländerkinder. Denn sie sind in Sonderschulen doppelt so hoch repräsentiert wie in Allgemein- und Berufsbildenden Höheren Schulen. Die Universitäten befinden sich in internationalen Vergleichen „unter ferner liefen“ und Österreich verliert jährlich tausende High Potentials ans Ausland. Doch Investitionen in Bildung und Forschung sind auch im Rahmen dieser Steuerreform nicht vorgesehen. Das ist einfach keine Priorität; machtpolitische Betriebsamkeit geht vor. Die Botschaft an unsere Kinder, Jugend und deren Eltern: „Talente und Bedürfnisse der jungen Menschen!? Net so wichtig; quasi eine Nebensächlichkeit. Schleicht’s euch; gern auch ins Ausland.“

5. Österreich leidet unter einem sündteuren Spendierföderalismus. Der Bund allein trägt den Schmerz des Steuereinhebens, während die „Landesfürsten“ einen Gutteil des eingezogenen Steuergeldes äußerst spendabel, großzügig und opportunistisch verteilen. Der Föderalismus österreichischer Prägung ist organisierte Verantwortungslosigkeit. So war das beklemmende Hypo-Desaster möglich, so passierte der Finanzskandal in Salzburg und so verspekulierten Länder und Gemeinden hunderte Millionen in Swap- und Devisengeschäften. Auch beispielsweise Wiens obszön hohe Parteienförderung – über 22 Euro pro Kopf und Jahr (im Bund sind es 4,60 Euro) – und seine hemmungslose Verlängerung von Beamtenpensionsprivilegien bis 2042 ist damit zu erklären. Das Geld kommt aus dem Bundes-Bankomaten, die Landeskaiser müssen nur noch drücken. Und das können sie bekanntlich gut. Die Steuerreform-Verhandler hatten auch diesmal nicht den Mut und die Entschlossenheit, eine Steuerautonomie für Länder und Gemeinden nach Schweizer Vorbild umzusetzen. Der politische Opportunismus bleibt weiter ohne Rechenschaftspflicht und ohne einen ernstzunehmenden Gegenspieler. Auch diese Botschaft wird handlungsleitend sein: „Wer zuständig ist, muss weiterhin keine Verantwortung übernehmen. Die Steuerzahler werden’s schon richten.“

Ja, wenn es nicht so tragisch wär, wär‘s lustig. Österreich verkommt politisch immer mehr zu einem Operettenstaat. Die Politik der Großen Koalition und des Kammernstadls verkommt zur ritualisierte Aufführung. Die Steuerreform ist ein illustrer Höhepunkt auf dem Spielplan dieser Republik. Ihr Ergebnis ist eine weitere Beruhigungspille für Land und Leute. Motto und intendierte Wirkung: „Nur net genau hinschauen!“

Der Wohlstand und das gesellschaftliche Wohlbefinden in diesem Land werden in absehbarer Zeit dort landen, wo wir in Sachen Bildung schon längst sind: im schlechten Mittelmaß. Bis dahin reiten Standstill Werner, Django Nudo, die unfassbare Rasselbande der Besitzstandwahrer und die amüsanten Bandidos Federalos gemeinsam weiter – auf dem Rücken des Steuervolkes.

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