Die Krise in Katalonien ist nichts Neues, das Referendum war seit Monaten angekündigt. Keiner wollte vernünftig reagieren. Die EU schaute weg. Letztlich hat die starre Zentralregierung unter Rajoy diese Krise mitverursacht. Wenn eine Region sich abspalten will, dann muss man den Separatisten ein Angebot machen, zum Beispiel eigene Steuerbefugnisse, wie die Basken es haben, das überzeugt – oder man lässt sie eben ziehen.

Aber die Regierung kann doch nicht ernsthaft sagen, diese Abstimmung sei illegal und werde nicht anerkannt. Nun hat Spanien den Scherbenhaufen. Mit massiven Polizeieinsatz versuchte man die Abstimmung zu verhindern, was nicht gelang. Bei der Abstimmung vor einer Woche gab es 800 Verletzte und "90 Prozent stimmten für Unabhängigkeit", die Regionalregierung kann gar nicht schnell genug die Unabhängigkeit erklären, sie will es am Dienstag tun.

Alle Rufe nach Vermittlung zur EU oder andere Regierungen blieben ungehört. Deutschland hat momentan keine Regierung. Die Friedens-EU wollte sich in den Konflikt nicht einmischen, sah dies als innenpolitischen Aspekt, drohte den Katalanen aber unverhohlen mit dem Verlust der EU Mitgliedschaft. Die kurze Zeitspanne für die EU vermittelnd einzugreifen, lässt sie verstreichen. Sie zeigt sich handlungsunfähig. Keine Aufforderung an Regierungspräsident Mariano Rajoy zum Einlenken, kein Vorschlag, wie man die Krise lösen könne. Wie heftig kritisierte die EU Ungarn oder die Slowakei und nun fast nichts? Friedensprojekt EU, aber bei einem aufkeimenden Bürgerkrieg nicht vermitteln wollen oder keine klaren Worte finden, wenn es notwendig ist. Was ist da los?

Die EU ist ein korruptes Konstrukt, die nur stetig von Frieden redet, aber an deren Grenzen Krieg ist (Ukraine/Nordafrika/Nahost) und die Völker innerhalb der EU sind zerstritten, auch wegen der desaströsen Politik der EU-Bürokraten. Wie weit wird die EU zuschauen? Polizeigewalt gegen ein Referendum nahm die EU hin. Ob auch Armeegewalt hingenommen wird? Wie absurd Macrons Pläne sind, zeigt sich nun in der Krise. Während der große Mann in Paris mehr EU, mehr Transferzahlungen fordert, stehen bei ihm im Land die kleinen Leutchen auf den Barrikaden und spalten sich ab, denn es gibt auch einen französischen Teil Kataloniens, wo die Wahlzettel des Referendums gedruckt wurden. Ob die Abstimmung als bindendes Ergebnis angesehen wird, ist ungewiss. Die Wahlbeteiligung lag nur bei 43%, aber die spanische Regierung hatte mehrere Wahllokale schließen lassen, d. h. es konnten gar nicht alle wählen gehen, die Beteiligung ist daher eine Farce. Aber ein Staat braucht Anerkennung, sonst wird er international übergangen. Unternehmen gehen schon aus der Region aus Furcht vor der Abspaltung.

Die Abspaltung macht wirtschaftlich wenig Sinn. Kleinere Regionen, in einer immer mehr miteinander vernetzten Welt scheinen keine Lösung zu sein. Für die Katalanen lockt aber ein Neuanfang ohne den Euro, ohne die Verschuldung Spaniens und den Transferzahlungen, ohne eine handlungsunfähige Regierung, die Spanien hat. Und man könnte sich noch mehr auf die historischen Wurzeln und Traditionen besinnen. Auch andernorts hört man solche Rufe, wie in Amsterdam, wo über zu viel Tourismus geklagt wird. Daher auch meine Sympathie für die Katalanen.

Spanien hat teils über 25% Jugendarbeitslosigkeit, was Podemos stark machte. Die großen Parteien schafften dadurch bei der Wahl keine Mehrheit, es regiert eine Minderheitsregierung. Durch den Euro gewinnen wirtschaftlich stärkere Regionen, verlieren schwächere Regionen, Transferzahlungen sind die Folge, so auch in Spanien, wo aus Katalonien seit Jahrzehnten Geld an den spanischen Staat floss. Diese Transferzahlungen erhitzen die Gemüter, erzeugt bei den Zahlern Frust.

Der Euro funktioniert nicht zwischen wirtschaftlich derartig unterschiedlich dastehenden Staaten/Regionen. Einige sparen, versuchen Altschulden abzubauen, wie Deutschland oder Luxemburg, andere halten nicht einmal die 3% Vorgabe aus den Maastrichter Kriterien ein. Einige haben heftige Arbeitsmarktreformen umgesetzt, um sich den Konkurrenten am Weltmarkt zu stellen und schaffen es sogar, andere sind dabei hoffnungslos zurück, wie Frankreich und Italien oder Spanien. Daher verschulden sich einige Staaten bis zur Zahlungsfähigkeit und die anderen, wie Deutschland tragen dafür das Risiko. Als Beispiel, die "Forderungen der Bundesbank aus TARGET2: Betrag: 878.887.948.577,81 Euro (Stand: 30. September 2017)" Dieses Geld wird die Bundesbank nie erhalten. Und der Betrag steigt kontinuierlich.

Der Euro und die EU, die immer mehr Macht einfordern und damit die Staaten aushöhlen, haben einen gehörigen Anteil an der Krise in Katalonien. Man wollte aber nie vermitteln. Eine Abspaltung der Region könnte die nächste Eurokrise bedeuten, denn Spanien wäre faktisch Pleite.

Eine EU Abgeordnete, Ulrike Trebesius, MEP - am 6. Oktober dazu:

"- Katalonien als Symbol für den Zustand der EU:"

Zur Geschichte: Demonstrationen ließ Franco knallhart unterdrücken, die Polizei hatte einen schlechten Ruf. Er kam über einen Bürgerkrieg an die Macht. Er, diktierte Spanien von 36-75, verhielt sich neutral im 2. Weltkrieg. Franco setzte Juan Carlos I. zu seinem Nachfolger ein, der nach Francos Tod 1975 Spanien zu einer parlamentarischen Monarchie umgestaltete. 1978 wurde danach in einer Volksabstimmung über die heute noch geltende spanische Verfassung abgestimmt und in Kraft gesetzt. 1981 wurde noch ein Putsch versucht, der aber scheiterte.

Seitdem konnte sich in Spanien die Demokratie entwickeln. Es ist klar, dass ein Volk nach einer Diktatur für jede nur mögliche Verfassung stimmt, auch die Katalanen, denen nun vorgeworfen wird, dass sie damals auch gegen derlei Volksentscheide bei dem Verfassungsreferendum gestimmt haben.

Barcelona, pixabay

Hier zur ersten Rede von Rajoy nach der Abstimmung, wo er bei seiner starren Haltung bleibt:

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/spanien-rajoy-droht-katalonien-mit-entzug-der-teilautonomie-15236458.html

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