Max Neumeyer
Von einem der die Schnauze voll hat
Teil 8
Warum eigentlich „aussteigen“? Wer meine bisherigen Blogs gelesen hat – also unartig viel Zeit zu haben scheint – wird wissen, dass meine wunderbare Frau, unser Bub, unsere zwei lethargischen Flohbeutel und ich, unserem bisherigen Leben den Rücken zukehren wollten. Diese doch sehr wichtige Entscheidung fiel spontan im August 2015, die Idee dürfte allerdings schon länger in unseren Köpfen gegärt haben. Hatten wir ein schlechtes Leben? Waren wir rundum unzufrieden und unglücklich? Nein, nicht wirklich!
Wir wohnten in einem wunderschönen, hellen Haus mit kleinem Garten, überdachter Terrasse und Swimmingpool. Wir hatten beide recht angenehme Jobs und den finanziellen Rückhalt ein bis zweimal im Jahr auf Reisen zu gehen. Wir waren stets, sowohl privat als auch beruflich, mit dem Internet verbunden und erreichbar, und pflegten unsere virtuellen Freundschaften mit Bedacht. Dennoch sahen wir in diesem Lebensstil keine Zukunft mehr. Wir wollten mehr, indem wir weniger wollten.
Die Ergebnisse der letzten Wahlen in unserem Land zeigen eines: Die Menschen werden zunehmend unzufriedener. Besonders jene soziale Schicht, die nicht mit dem Silberlöffel im Mund zur Welt gekommen ist (by the way: Silberlöffel schmecken scheiße!). Diese Unzufriedenheit müsste zwar nicht sein, denn jeder Mensch ist seines Glückes Schmied und die Grundlagen ein zufriedenes Leben zu führen sind in unserem Land mehr als gegeben. Viele jammern auf hohem Niveau, vor allem im weltweiten Vergleich, und haben die pessimistische Sicht aus den Medien und von machthungrigen Politmarionetten unhinterfragt übernommen. Anstatt die Ungerechtigkeiten die von den oberen 10.000 ausgehen anzuprangern, wie die unglaublichen Steuerhinterziehungen diverser Großkonzerne oder die gut versteckten Medienmanipulation, haben wir es uns leicht gemacht und treten einfach nach unten – auf all jene, denen es noch schlechter geht als uns.
Im selben Atemzug durchblättern wir die Werbekataloge und hängen Stunde um Stunde am Smartphone, um uns die neuesten Trends zu Gemüte zu führen. Das ist es nämlich, was heutzutage wirklich von uns verlangt wird: Wir müssen konsumieren. Kaufen, kaufen, kaufen ist angesagt, denn ohne Konsumwahn, ohne dem dritten Fernseher, dem neuesten Auto und anderen Frustkäufen, würde unser System schneller zusammenbrechen als wir „Neoliberalismus“ sagen können. TTIP wir kommen. Obama und andere sind ja schon länger auf Werbetour.
Wir übersehen dabei Grundlegendes. Natürlich ist finanzielle Sicherheit in unserer Gesellschaft wichtig, man will sich ja ein bisschen „rühren können“. Ein überquellendes Konto, eine mit technischem Krimskrams vollgestopfte Wohnung und die neuste von Kinderhand erzeugte Billigmode aus Bangladesch sorgt zwar kurzfristig für gute Laune, macht auf längere Sicht aber nicht glücklich. Im Gegenteil. Der Shoppingwahn-Standby-Modus macht krank und wer aus verschiedenen Gründen nicht mithalten kann, findet sich schnell in einem tiefen schwarzen Loch wieder. In solchen Momenten ist es wieder an der Zeit unseren Pessimismus auszupacken und vor allem und jedem Angst zu haben. Es könnte uns doch etwas weggenommen werden.
Dieses Leben hatten wir satt. Es geht auch anders, haben wir uns gesagt und seit nunmehr sechs Wochen wohnen wir in unserer „Ranch“ auf einem Hügel mit traumhafter Aussicht im Südburgenland. Hier, wo die Sonne mehr scheint als anderswo in Österreich, wollen wir mit weniger auskommen. Viele Menschen im Hamsterrad übersehen, wie viel sie eigentlich arbeiten müssen nur um den Status Quo aufrecht zu erhalten. Das ist nichts mehr für uns. Aufgrund der relativ niedrigen Immobilienpreise vor Ort, konnten wir uns ein altes Haus mit 1,2 Hektar Grund kaufen. Auf diesem schönen Plätzchen wollen wir wieder mehr im Einklang mit der Natur leben und wir haben viel vor. Die Tagespolitik, der Kaufwahn, die Internetsucht den Full-Time-Job und andere Furchtbarkeiten wollen wir hinter uns lassen. Nur ein Buchstabe ausgetauscht werden aus Furchtbarkeiten nämlich Fruchtbarkeiten!
Nach den ersten Wochenenden seit Anfang Dezember und den letzten sechs Wochen fix im neuen Heim wissen wir: Es war die richtige Entscheidung. Unsere Pläne nehmen Gestalt an. Wer aber glaubt es seine keine Arbeit sich zum Selbstversorger zu mausern, der irrt. Die Arbeit im Freien ist unglaublich anstrengend. Wir schaffen uns unsere eigene kleine Ranch mit Hühnern, Enten und Alpakas. Der Boden muss für den Obst und Gemüseanbau urbar gemacht werden, das Grundstück muss eingezäunt, Ställe gebaut werden. Zu unserer großen Freude gab es bereits zwei Reihen Uhudler-Trauben auf dem Grundstück, die wir mit Nachbars Hilfe im Herbst zu leckerem Uhudler und Marmelade verarbeiten wollen. Alles „Bio“ versteht sich. Wir nehmen viel von der Natur, wollen durch nachhaltige Lebensweise, Aufforstung und den Verzicht auf Chemie auch wieder viel zurückgeben.
Unsere Fixkosten und andere Ansprüche sind auf der einen Seite stark gesunken. Auf der anderen Seite legen wir mehr Wert auf bessere Ernährung und einen nachhaltigen Umgang mit unserer Umwelt und jeder Handgriff am eigenen Grund macht sich, wenn auch nicht sofort, so doch in ein paar Monaten bemerkbar, wenn es gilt, die Früchte unserer schweißtreibenden Arbeit zu ernten. Wir arbeiten hauptsächlich für uns selbst, nicht für andere. Ich freue mich auf die Zukunft, es liegt mir allerdings fern, anderen Menschen Empfehlungen für ein glücklicheres Leben zu geben. Ich kann nur sagen, es geht auch anders und es ist gut so. Baba, wir lesen uns!
Max Neumeyer
Ich, beim Bau eines Glashauses. Noch kann ich mit Steinen werfen, da die Seitenwände fehlen.