Von einem, der die Schnauze voll hatte
Nach dem ersten größeren und auch sehr traurigen Rückschlag, den wir bei unserem Aussteiger- und Selbstversorgerprojekt im Südburgenland recht hilflos mitansehen mussten – eines unserer Alpakas ist bereits nach fünf Tagen tot umgefallen – heißt es für uns jetzt wieder „voll anpacken“. Die Obduktion von Antonio hat leider kein eindeutiges Ergebnis erbracht und es sieht so aus, als wäre das zutraulichste unserer Tiere an einem akuten Herz-Kreislauf-Versagen verendet. So etwas passiert sehr selten, aber es kommt vor. Inzwischen fressen uns die anderen drei Jungs aber auch schon aus der Hand.
Nachdem Antonios Tod für uns nicht nur ein gefühlsmäßiger Schock sondern auch ein großer finanzieller Verlust gewesen ist – Alpakas kosten wesentlich mehr als Goldhamster oder Pekingenten – war es uns ein Anliegen uns mit den Züchtern zu einigen. Nach einem intensiven Mailverkehr sind die Verkäufer schließlich auf unser, wie wir finden, faires Angebot eingegangen und haben uns die Hälfte des Kaufpreises rückerstattet. Es war für beide Seiten nicht einfach.
Inzwischen ist wieder Alltag eingekehrt. Die Kirschen, Himbeeren und einige Teil unseres Gemüsebeetes sind bereits abgeerntet und entweder verspeist oder für unser Vorratslager verarbeitet worden. Die ersten Äpfel sind bereits reif und können direkt von den Bäumen genascht oder mit dem Dampfentsafter zu leckerem Bio-Apfelsaft oder Apfelmost verarbeitet werden. Ich habe noch nie so viel Marmelade, Sirup und Kirschenröster zubereitet wie in den letzten Wochen. Für jemanden wie mich, der fast 40 Jahre in einer Stadt wie Wien und Umgebung gelebt hat und Gemüse nur aus dem Supermarkt kannte, eine ganz neue und sehr befriedigende Erfahrung.
Aber nicht nur meine Frau, unser Sohn und ich blühen in unserer neuen Heimat auf, auch unsere sechs Hühner und Gomez, der lethargische aber laut krähende Zwerghahn, scheinen sich hier ausgesprochen wohl zu fühlen. Pro Tag können wir vier bis fünf Glückshuhn-Eier aus dem aus Möbelresten selbst gezimmerten Hühnerstall in unseren Eiskasten verfrachten. Soviel, dass wir bereits etliche Eier weiterverkaufen konnten. Mit meiner wunderbaren Frau habe ich mich auf einen Preis von zwei Euro pro Zehnerpack geeinigt – wir glauben, für Bio-Freilandeier ein faires Angebot. Die eigenen Eier schmecken übrigens in allen Varianten vorzüglich. Die dadurch eingenommen vier Euro pro Woche, landen in unserer Urlaubskasse. Wenn es so weitergeht können wir in 100 Jahren auf Weltreise gehen. Hawaii wir kommen!
Auch wenn wir mit unserem Aussteigerprojekt den Sprung ins sprichwörtliche kalte Wasser gewagt haben und freiwillig auf so manche Annehmlichkeiten des modernen Lebens verzichten, haben wir diesen Schritt bis jetzt noch in keinster Weise bereut. Was die tägliche, teils schweißtreibende Arbeit auf unserer kleinen Ranch betrifft, lernen wir täglich Neues.
Nicht alle Gemüsesorten sind nach unseren optimistischen Vorstellungen gewachsen und einige davon wurden von Schnecken gefressen, sind eingegangen und betrachten ihre eigenen Wurzeln jetzt quasi von unten. Dennoch denken wir, dass die erste Saison die schwierigste ist und freuen uns über jede Tomate, jede Gurke und jede Zucchini (die übrigens riesige Ausmaße angenommen haben), die auf unseren Tellern landet. Der Weg zu einem nachhaltigeren, ursprünglicheren Leben ist nicht einfach, aber wir haben uns auf die Reise gemacht und denken nicht daran umzukehren. Baba, wir lesen uns!
Max Neumeyer
Selbst gedampfter Apfelsaft schmeckt herrlich und ist einige Monate haltbar.
Max Neumeyer
Ein Wochenvorrat Zucchini!