Wer wird der nächste Präsident in Österreich? Ich jedenfalls nicht. Warum? Weil mich niemand gefragt hat. Diese Antwort ist eine Kapitulation vor dem Feind. Und der Feind heißt österreichische Mentalität. Konkret die Obrigkeitshörigkeit.
Wie tief die Obrigkeitsmentalität in den Köpfen der Österreicher sitzt, zeigen Reaktionen auf Medienspekulationen, die im Laufe des vorigen Jahres immer wieder im Blätterwald raschelten. Kaum wurde ein Name genannt, ging die betroffene Person umgehend in Deckung. Noch im Sommer erklärte Rudolf Hundstorfer in einem profil-Interview: „Ich bleibe Sozialminister bis zum Jahr 2018.“
Im ZiB2-Armin-Wolf-Interview (am 15.1.2016) redet Hundstorfer sich raus: „… weil zum damaligen Zeitpunkt wirklich nicht sicher war, ob ich das mache oder nicht... Ich hab diese Entscheidung vor Weihnachten getroffen, heute hat die Partei ihre Unterstützung gegeben.“ Dahinter steckt die Angst eines Funktionärs, sich zu früh aus der Deckung zu wagen und dann sofort von externen oder, noch viel wahrscheinlicher, von internen Parteifeinden abgeschossen zu werden. Dazu kommt die Angst, den Parteivorstand (in der Person des Parteivorsitzenden und als Organ) – und das ist die höchste Instanz eines SPÖ-Apparatschiks – zu provozieren und damit bei der höchsten Autorität in Ungnade zu fallen.
Bei der ÖVP hat sich die Obrigkeitshörigkeit ein bissl anders gezeigt. Der ungekrönte König unter allen Landesfürsten, der allmächtige Erwin Pröll, wurde vom kleinen Parteifunktionär bis hinauf zum Bundesparteivorsitzenden als der einzig mögliche und somit logische Hofburg-Kandidat gesehen. Dass er immer ziemlich eindeutig gesagt hat, er mache es nicht, wurde offenbar als notwendiges taktisches Kalkül des Landesfürsten aufgefasst, denn auch in der ÖVP weiß jeder: wer sich zu früh aus der Deckung wagt, der riskiert sofort von externen oder, noch viel wahrscheinlicher, von internen Parteifeinden abgeschossen zu werden. Dass sich vom kleinen Parteifunktionär bis hinauf zum Bundesparteivorsitzenden in der ÖVP niemand über Alternativen zu Pröll Gedanken gemacht hat, beweist der Notnagel Andreas Khol.
Ich bin der Meinung, in diesem Verhalten spiegelt sich ein gestörtes Verhältnis der Österreicher zur Obrigkeit. Der Präsident ist in unserer antiquierten, obrigkeitshörigen Vorstellung kein „Job wie viele andere“, keine berufliche Herausforderung vergleichbar mit einem Minister oder Spitzenmanager, sondern ein Würdenträger wie der Kaiser von Gottes Gnaden oder wie der Papst. Die Kandidaten Van der Bellen und Khol beweisen das mehr, die anderen Parteikandidaten weniger, aber doch auch.