Ob die Gleichung aufgeht (4)- 1Frau+ 2Männer...das "ich"

Nicht nur die Männer in dieser Beziehung sind ein entscheidender Faktor in dieser Geschichte. Auch das „ich“ hat einiges zu sagen und vor allem- einiges zu fühlen.

Meine Gefühle in dieser Angelegenheit sind sehr komplex. Das dreht sich nicht um ein „ich liebe ihn- ich liebe ihn nicht“ hin und her. Oder einer Wahl zwischen A oder B. Ich weiß nicht, ob nur ich so kompliziert bin. Bei anderen habe ich das schon gesehen: sie sind in einer langen Beziehung, lernen jemanden kennen, trennen sich und fangen eine neue Beziehung an. Punkt, aus, Ende. Sie sind zumeist sehr glücklich in der neuen Beziehung und leben sozusagen glücklich bis ans Ende ihres Lebens- zumindest bis jetzt. Woran ich das messen kann? Naja, einige sind verlobt oder sind schon verheiratet, andere haben Kinder bekommen oder sich ein gemeinsames Haus oder eine Wohnung angeschafft. All das ist zwar keine zuverlässige Methode, Glück in einer Beziehung zu messen. Frauen werden ungewollt schwanger, Paare ziehen zusammen, weil sie es sich alleine ohnehin nicht leisten könnten und einer betrügt den anderen, auch wenn man verheiratet ist. Trotzdem hätte ich verallgemeinernd behauptet, dass man diese großen Schritte nur miteinander macht, wenn man zufrieden ist und sich in der Beziehung wohl fühlt.

Wie sieht das nun für mich aus? Fairerweise muss ich zugeben, dass ich von vornherein nicht ganz einfach bin. Meine Eltern- vor allem meine Mutter- waren sehr streng mit mir. Ich musste von klein auf funktionieren. Es wäre auch nicht anders gegangen, ich wurde zu Arbeitsterminen mitgenommen, meine Mutter war ja nicht in Karenz oder sonst irgendwie zu Hause. Und da musste ich natürlich still sitzen und immer brav sein, anders wäre das nicht gegangen. Und das wurde auch mit aller Gewalt durchgesetzt.

Auch während meiner schulischen Laufbahn wurde ich gedrillt. Mit einer anderen Note als einem „sehr gut“ durfte ich nur mit sehr viel Bauchweh und Angst nach Hause gehen, wurde bestraft, wenn die Note nicht genehm war. Wurde einmal ein Schulbuch in der Schule vergessen, das ich für eine Hausübung brauchte, die sowieso erst Tage später abgegeben werden musste, war das ein Weltuntergang.

Ich durfte mit 16 das erste Mal überhaupt bei einer Freundin schlafen und da auch nur, weil sich die Eltern untereinander kennen gelernt hatten. Taschengeld bekam ich auch keines. Immer ein paar Münzen, damit ich mir eventuell nach der Schule ein Eis kaufen konnte. Wenn ich mit Freunden ins Kino gehen wollte, musste ich jedes Mal um Geld bitten. Wenn ich Geld von meiner Oma bekam, wurde es auf ein Sparbuch gelegt, auf das ich zwar Zugriff hatte, aber ohne Zustimmung meiner Mutter nie gewagt hätte, Geld zu beheben. Ab 15 durfte ich im Sommer und neben der Schule ein wenig arbeiten gehen, aber wenn ich größere Summen ausgegeben hätte- wir reden hier von 50Euro- wäre das nicht gutgeheißen worden. Fairerweise muss man sagen, dass es mir so auch tatsächlich gelang, Geld für ein kleines Haus anzusparen.

Ich weiß noch, als ich mit 16 meinen ersten Freund Faultier kennen gelernt habe. Wir waren auf der gleichen Schule, gleiches Alter, aber unterschiedliche Klassen. Da habe ich meiner Mutter erzählt, ich würde ins Kino mit ihm gehen. Davor hatte ich kaum Kontakt zu Männern, das klassische Händchen halten in der Unterstufe war schon das höchste aller Gefühle. An mehr als einen Kuss hätte ich mit 16 auch nie gedacht, ich wäre auch nie dazu bereit gewesen. Niemals. Es hätte mich überfordert.

Und da kommt doch meine Mutter tatsächlich nach dem Kino zu mir und schreit mich an, sie wisse, was wir getan hätten und ich brauche mich nicht wundern wenn ich schwanger werden würde. Ich war entsetzt, habe mich geschämt. Wie konnte sie denken, dass ich so etwas machen würde? Ich war doch bloß im Kino. Sie wollte mich zum Frauenarzt drängen und ich war komplett überfordert. Also machte ich- bevor die Beziehung überhaupt richtig losgehen konnte- Schluss.

Ich war total erleichtert. Und ging wieder meines Weges- allein. Da ich ohnehin nicht fortgehen durfte, las ich viel und konzentrierte sich voll auf die Schule. Ich war natürlich eine Einser- Schülerin, bei den meisten Lehrern sehr beliebt, verlässlich, brav, habe mich im Chor engagiert. Aber wie in der Unterstufe war ich eine Außenseiterin. Ein oder zwei Mädels aus meiner Klasse konnte ich als „beste“ Freundinnen bezeichnen, sie gehörten jedoch auch eher zu den unbeliebten Klassenkameradinnen. An sich war das für mich kein Problem, ich habe damals auf Freunde nicht sehr viel Wert gelegt.

Dann lernet ich Muskelmann kennen. Er war optisch mehr als ansprechend und aus unerfindlichen Gründen interessierte er sich für das pummelige Mauerblümchen, das ich damals war. Kurz vor meinem 18. Geburtstag setzte ich meinen Willen durch und wir wurden ein Paar. Verliebt war ich nicht. Aber ich dachte mir, dass alle anderen eifersüchtig wären, wenn sie meinen Freund sehen würden. Wenn sich so einer für mich interessiert, dann muss ich schon zugreifen.

Leider war er ziemlich bescheuert. Ein Selbstbewusstsein, das durch die Decke ging, mehr aber auch nicht. Er war der festen Überzeugung dass nicht 100% ein Ganzes wären, sondern 200%-nur damit man einen Eindruck bekommt, auf welchem Niveau sich unsere Gespräche bewegen mussten, damit er mithalten konnte. Aber natürlich war ich die Frau, also hatte ich keine Ahnung von irgendwas. Es dürfte nicht verwunderlich sein, dass wir nur 3 Monate zusammen waren. Einen Monat davon verbrachte ich in England, um dort ein Auslandspraktikum zu absolvieren. In der Zeit betrog er mich. Ich war zwar- um meine Mutter zu beruhigen und weil ich dachte es wäre an der Zeit- beim Frauenarzt, aber das habe ich ihm nicht gesagt. Ich wollte nicht, dass er wusste, dass ich verhütungstechnisch bereit dazu war, mit ihm zu schlafen, denn er hatte schon im Vorfeld bei seinen Freunden angegeben, er hätte mal eine Jungfrau und könne es kaum erwarten.

Griff ins Klo, der Typ. Muss ich zugeben. Aber da wir uns nicht näher als bis zum Küssen gekommen sind, kam ich leicht darüber hinweg. Und versuchte es erneut mit Faultier. Ich weiß nicht wieso, aber eines Tages träumte ich von ihm, und danach war ich Hals über Kopf in ihn verliebt. Es war nicht ganz einfach, ihn für mich zurückzugewinnen, nachdem Desaster mit 16. Aber wir schafften es und führten fast 4Jahre lang eine tolle Beziehung. Nach dem 2.Jahr wurde ich- trotz Pille- ungewollt schwanger und forderte eine Beziehungspause. Diese dauerte aber keine 3Wochen. Ich war im Ausland und lies mich beraten wegen einer Abtreibung, in Österreich wollte ich nicht gehen, aus Angst, meine Mutter könnte es erfahren. Doch in der 13Woche verlor ich das Kind. Das hat mich ziemlich fertig gemacht, obwohl ich eigentlich kein Kinderfan bin und mir das auch absolut nicht vorstellen kann. Dann kam noch dazu die Diagnose, ich könne es schwer haben, überhaupt ein Kind zu bekommen. Schwanger- ja. Austragen- schwierig. Faultier konnte es kaum erwarten, Vater zu werden und ich hätte es nicht übers Herz gebracht, ihm zu beichten, wie es mit mir aussieht und behielt das für mich. Trotzdem hatte wir noch eine gute Beziehung, aber er find an, nur mehr in den Tag zu leben. Wohnte bei seiner Mutter, studierte, hatte nur 5Stunden Vorlesung die Woche, aber arbeiten wäre nichts für ihn gewesen. Ich hingegen fing gleich an zu arbeiten, zu studieren und wollte mit ihm zusammen ziehen. Da sich herauskristallisierte, dass er keinerlei Ansporn hatte, Geld zu verdienen oder das Studium weiterzubringen, aber trotzdem kein Problem damit hätte eine Familie zu gründen, musste ich gehen. Es ging nicht mehr anders. Ich möchte ihn, aber von Liebe konnte man nicht mehr sprechen.

Um mich zu trösten, nahm ich mir einen 12Jahre älteren Mann- Schaaatz. Ich hatte ihn zufällig über meine Schwester kennen gelernt. Er war aufmerksam, hatte eine eigene Wohnung, seiner Aussage nach einen Job in einer Führungsposition. Schlau ist er mir nicht vorgekommen, aber sehr bemüht. Und ich sollte mich sehr täuschen.

Nachdem ich ihm mehr oder weniger zugesagt hatte, dass wir ein Paar waren, war er nicht mehr bemüht. Wenn er mich bei meinen Eltern besuchte, machte er sich wichtig und dachte, sie würden ihn mögen, denn er wäre auch so ein erfolgreicher Unternehmer wie mein Vater. Und er rief mich immer „Schaaatz, ich habe Durst“- „Schaaatz ich will fahren“- „Schaaatz ich möchte Kuchen“. Wenn Blicke töten könnten, wäre er nicht heil aus meinem Elternhaus herausgekommen. Und es stellte sich heraus, dass er Kundenbetreuer war. In seinen Augen natürlich der Manager des Kundenbetreuungscenters- einfach, weil er der einzige Angestellte in diesem Bereich war. Schaaatz hatte Probleme damit, dass ich studiere und machte sich immer darüber lustig, dass ich von einem Haus träumte. Könnte ich mir eh nicht leisten, wenn dann würde er das schon in die Hand nehmen, dann könnte ich ja gerne bei ihm wohnen. Und vielleicht würde ich ja mal einen richtigen Job finden, nicht das, was ich gerade mache, wo ich doch glatt 500Euro weniger verdiene als er. Dass er mit 34 Jahren natürlich mehr verdienen würde als ich nach 2 Arbeitsjahren, auf die Idee wäre er nie gekommen. Schaaatz störte sich außerdem daran, dass meine Eltern ihn bei der Begrüßung nicht umarmen, er würde sich nicht geliebt fühlen. Und Schaaatz wollte auch beim X- Box spielen nicht gestört werden, und wenn man es wagte, ihn zu fragen, ob er etwas essen wolle, wurde man grob am Arm gepackt und zu Boden gestoßen.

Nicht einmal 3Monate später kam die Erkenntnis: ich hasse dich. Er saß mir gegenüber bei meinen Eltern- wir gratulierten gerade meiner Schwester zum Geburtstag- wollte mein Handy kontrollieren und meinte ich dürfe nicht zur Party meiner Schwester am Wochenende gehen. Außer er würde mitgehen, aber er hatte einfach keine Lust. Am nächsten Tag übergab ich ihm die Sachen, die ich von ihm im Zimmer hatte und schickte ihn in die Wüste.

Besser alleine und einsam, als mit so einem.

Ein halbes Jahr später verliebte ich mich in einen Studienkollegen, hatte in meinen Gedanken schon eine wundervolle Beziehung geplant. Leider war er vergeben, was er nicht mit einem Wort erwähnt hatte, sonst hätte ich mich vielleicht nicht so hineingesteigert. Ich war todtraurig…und dann kam Schneckchen.

Ich war so glücklich wie schon lange nicht, ich kannte seine Geschichten- besoffen Auto fahren, im Maisfeld schlafen, Dreck in der Wohnung- aber er machte mich glücklich. Auch nach dem Zusammenziehen noch. Und auch als die Probleme mit ihm anfingen, das permanente im Stich lassen, war ich noch verliebt in ihn. Doch ich verlor immer mehr den Draht zu ihm. Wenn er sich um mich sorgte, mich in den Arm nahm, wollte ich nur mehr weg. Ich wollte alleine sein, wollte dass er geht. Und doch hatte ich Gefühle für ihn.

Selbst als Liebestoll kam. Wechselbad der Gefühle: Es kam mir so vor, als könnte ich keinen von beiden lieben, einmal darüber geschlafen und schon konnte ich mich wieder für keinen von beiden entscheiden, weil beide so toll waren. Eine Woche später wollte ich mich voll in meine Beziehung stürzten, aber nach zwei Tagen hatte ich nur mehr Augen für Liebestoll, wollte seine Aufmerksamkeit, seine Nähe.

Ich dachte, ich müsste wahnsinnig werden. Wie kann man zwei Leute mögen und dann wieder nicht? Wie sieht Liebe aus, wie kann meine ein Leben lang zusammen bleiben und trotzdem glücklich werden? Wann weiß man, dass man den Partner gefunden hat, von dem man zumindest denkt dass man zusammen bleibt bis dass der Tod uns scheidet? Wann kann man die Entscheidung für eine Hochzeit treffen, wenn man sich damit wirklich für immer binden will und nicht eine Scheidung als Option sieht?

Ich konnte mir nicht vorstellen, Schneckchen zu heiraten, obwohl ich mich auf eine Hochzeit sehr gefreut hätte. Liebestoll wäre der perfekte Partner zum Heiraten- auch wenn das verrückt klingt aber das habe ich immer mehr im inneren meines Herzens gespürt, je besser ich ihn kennen lernte. Und trotzdem konnte ich mir nicht einmal eine Beziehung mit ihm vorstellen. Ich wollte nur in seiner Nähe sein.

Ich male weiße Bilder auf eine weiße Wand.

Meine Gefühle waren nichtssagend. Je mehr ich in mich ging, desto weniger wusste ich, in welche Richtung ich gehen sollte. Es war zum Verzweifeln. Schneckchen hatte ich körperlich nie betrogen, Liebestoll und ich redeten viel und einmal nahm er meine Hand. Emotionaler Betrug: ja.

In meinem Kopf war die Beziehung das richtige, das moralisch korrekte. Und wir hatten so viel miteinander durchgemacht, das musste doch etwas bedeuten. Eine neue Beziehung war nicht in Ordnung. In meinem Kopf war das schwerer Betrug, egal ob ich mich vorher von Schneckchen trenne oder nicht. Der neue Partner war der moralisch Verwerfliche. Sogar meine Mutter, die sich im Laufe der letzten 5Jahre sehr weiterentwickelt hatte, meinte, dass das voll in Ordnung wäre. Trenne dich, betrüg ihn nicht, warte ein bisschen und mach dann die neue Beziehung offiziell. Niemand könnte dir etwas vorwerfen. Ich muss dazu sagen dass meine Mutter mir die Beziehung und das Fortgehen zwar nicht mehr verbieten konnte und wollte, aber sie mischte sich vehement ein. Sie mochte Schneckchen, aber in ihren Augen konnte ich nur mit einem studierte, lieben, fürsorglichen, intelligenten, bereits ein Haus oder ein Vermögen besitzenden, lustigen Mann ohne Fehler zusammen sein, der immer auf meiner oder noch besser auf ihrer Seite war. Und davon war Schneckchen natürlich weit entfernt. Klar, jede Mutter wünscht sich das Beste für ihr Kind, aber man muss so fair sein und realistisch sein. Mal davon abgesehen dass ich sicher auch nicht die perfekte Frau bin.

Ich konnte mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, in meiner alten Beziehung zu bleiben, aber eine neue kam mir auch falsch vor. Und alleine bleiben und auf beides verzichten, das konnte ich auch nicht.

Fortsetzung folgt…

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irmi

irmi bewertete diesen Eintrag 09.05.2016 16:15:14

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