Otto Selz, Psychologe und Philosoph aus München, Professor in Bonn, Mannheim und Amsterdam wurde von den NS-Schergen 1943 in Auschwitz ermordet. In München wurden bis heute keine Straße, kein Platz und kein Park nach ihm benannt. Werner Egk war Komponist, Kapellmeister und Dirigent, der hingegen während der NS-Diktatur eine glänzende Musiker-Karriere machte. In München-Schwabing ist heute noch eine Straße nach ihm benannt – und 1981 wurde Werner Egk Ehrenbürger von München.
Ehrungen die von Kommunen ausgesprochen werden, seien es Ehrenbürgerschaften, Verdienstorden oder Straßenbenennungen, meinen nie bloß isolierte Einzelleistungen, sondern stets den gesamten Menschen. Das Lebenswerk, die Lebensleistung und vor allem die Lebenshaltung; das zu dieser Haltung führende Denken und Handeln. Sie meinen den Menschen als Vorbild für spätere Generationen. Aus Anlass des Volkstrauertages (19. Nov.) hier ein paar Gedanken über eine Straße in München, die es längst geben könnte.
Otto Selz (* 14. Februar 1881 in München; † 27. August 1943 im KZ Auschwitz) war ein deutscher Psychologe und Philosoph. Selz wuchs in München auf, absolvierte das Ludwigsgymnasium und studierte Rechtswissenschaften, Psychologie und Philosophie. Ab 1912 war er – unterbrochen durch Kriegsdienst – Dozent für Philosophie und Psychologie an der Universität Bonn, ab 1923 Professor für Psychologie und Pädagogik an der Hochschule Mannheim. 1934 wurde er aufgrund seiner jüdischen Herkunft in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Nach einer fünfwöchigen Internierung im KZ Dachau emigrierte Selz 1939 nach Amsterdam, wo er weiter forschte, lehrte und sich um eine Ausreise in die USA bemühte. Nach der NS-Besetzung der Niederlande wurde er 1943 verhaftet und im Durchgangslager Westerbork interniert. Otto Selz wurde am 24. Aug. 1943 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo er am 27. Aug. 1943 ermordet wurde.
Bis zum heutigen Tag existiert keine Straße, die seinen Namen trägt. Hingegen ist nach Werner Egk nach wie vor eine Straße in München, der Werner-Egk-Bogen in Schwabing-Freimann benannt. Egk war Komponist und Dirigent und wurde ab den 1930er Jahren für den Bayerischen Rundfunk tätig. Zwischen 1936 und 1940 war er Kapellmeister an der Staatsoper Berlin, danach bis 1945 Leiter der Fachschaft Komponisten der STAGMA in der Reichsmusikkammer. Er erhielt zahlreiche NS-Ehrungen, Preise und staatliche Kompositionsaufträge und gelangte 1944 als Komponist sogar auf Hitlers sogenannte Gottbegnadeten-Liste. Anstelle von Werner Egk könnte in Schwabing-Freimann an Otto Selz erinnert werden.
„Über die Gesetze des geordneten Denkverlaufs“ lautet der Titel des bereits 1913 erschienenen Werkes, in dem Otto Selz u. a. denk- und bewusstseinsspezifische Aspekte der Wissensaktualisierung untersuchte. 1934 wurde Selz aufgrund des sogenannten Berufsbeamtengesetzes von 1933, welches der NSDAP erlaubte, jüdische und politisch missliebige Beamte willkürlich aus dem Dienst zu entfernen, im Alter von 53 Jahren zwangsweise in den Ruhestand versetzt.
Werner Egk der Komponist und Dirigent hieß eigentlich Werner Joseph Mayer, das Akronym „Egk“ sollte angeblich „ein guter Komponist“ bedeuten. Egk vertonte unter anderem 1933 das NS-Festspiel „Job, der Deutsche“, komponierte aus Anlass der Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin das prämierte Orchesterwerk „Olympische Festmusik“ und 1941 die Filmmusik zum HJ-Film „Jungens“.
Im Jahr 1981 wurden zwei Personen Ehrenbürger Münchens: Franz Josef Strauß und Werner Egk – der erste der beiden Namen erscheint zumindest nachvollziehbar.
Die Kunstinitiative der Malerin Konstanze Sailer wird mit einer weiteren Ausstellung von Tuschen auf Papier in virtuellen Räumen eröffnet. Die Galerien befinden sich ausnahmslos in Straßen oder an Plätzen, die es nicht gibt, die es jedoch geben sollte: solche mit Namen von Opfern der NS-Diktatur. Monat für Monat wird so das kollektive Gedächtnis erweitert. Monat für Monat werden damit Erinnerungslücken geschlossen.
Dominik Schmidt
Zur Dezember-Ausstellung „Denkverlauf“ von Memory Gaps ::: Erinnerungslücken
Hier gelangen Sie zu Memory Gaps: "Die braune Gegenwart", München/Wien 2017, dem (kostenlosen) E-Book zum Download in den Formaten: mobi (Kindle), epub und PDF. (Umfang 70 S., mit 32 Abbildungen).
„Aufschrei 11:38 Uhr“, 2017, Tusche auf Papier, 48 x 36cm (Ausschnitt); ©: Konstanze Sailer www.memorygaps.eu