Ein Statement zur aktuellen Debatte.

Die von Memory Gaps eröffnete Diskussion um eine langjährige „Wiener Erinnerungslücke“ hat zu einer regen medialen Berichterstattung geführt, national wie international. Von Brasilien bis Panama und von der EU über Israel bis Australien haben sich zahlreiche Medien, Blogs und User zu Wort gemeldet; und auch wir von der Kunstinitiative Memory Gaps erhielten auf direktem Wege viele unterstützende wie auch kritische Stellungnahmen.

Einige Menschen wussten bereits vor unserer Intervention, dass Hitler nicht nur auf der Hofburg/Heldenplatz, sondern auch am 9. April 1938, gewissermaßen in der Sichtachse vis-à-vis, auf einem dafür eigens errichteten Balkon des Wiener Rathauses stand. Kaum jemand wusste, dass dieser Holzbalkon für Hitler und Goebbels aus 1938 danach auch in Stein “nachgebaut” wurde. Und so gut wie niemand wusste, dass dieser sog. “Hitler-Balkon” heute noch existiert.

Die digitale Kunstinitiative Memory Gaps, gegründet von der deutsch-österreichischen Künstlerin Konstanze Sailer, erinnert im Gedenkjahr 2018 an diese “Wiener Erinnerungslücke” und regt mehrere Arten des Umgangs mit dieser an:

(1.) Abriss und Rückbau des “Hitler-Balkons”, da dieser überdies – und das seit nunmehr 80 Jahren – brachial gegen die architektonische Linie des Rathaus-Hauptturmes verstößt.

(2.) Installation in der Turmloggia des Wiener Rathauses zum Gedenken an die während der NS-Zeit getöteten Mitglieder des Wiener Gemeinderates sowie an die zu Tode gekommenen Rathaus- bzw. städtischen Beamten (s.u. Beispielfoto, nach der „virtuellen“ Entfernung des sog. „Hitler Balkons“, © Memory Gaps 2017).

(3.) Letztmalige "Inbetriebnahme" des Balkons am 12. Nov. 2018, dem 100. Jahrestag der Gründung der Republik Österreich. Es könnte eine aktuelle oder historische Friedensrede als versöhnende Proklamation von diesem belasteten Balkon aus gehalten bzw. verlesen werden.

(4.) Die Stadt Wien könnte natürlich auch nur eine lapidare Hinweistafel installieren.

(5.) Die Stadt Wien könnte, was überaus begrüßenswert wäre, den Balkon temporär dem European Balcony Project zur Verfügung stellen.

Was auch immer geschieht, nur eine einzige Auswirkung sollte diese Diskussion möglichst nicht nach sich ziehen: dass nach 80 Jahren der sog. „Hitler-Balkon“ weiterhin unkommentiert an der Fassade des Wiener Rathauses verbleibt.

Dominik Schmidt

Memory Gaps ::: Erinnerungslücken https://www.memorygaps.eu/gap-november-2018/

Wiener Rathaus, Turmloggia. Gedenkinstallation, mit "virtuell" entferntem "Hitler-Balkon". Beispielfoto: Konzept betr. Installation/Projektion, © 2017 Memory Gaps

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