In ganz Deutschland und Österreich gibt es 2018 nur noch eine einzige Straße, die nach Hitlers Lieblingsbildhauer Josef Thorak benannt ist: in Salzburg.

Wie die Vertreter der beiden Salzburger Stadtparteien ÖVP und SPÖ nun erklärten, möchte man sich mit den vielerorts üblichen „Zusatztafeln“ an den Straßenschildern der Josef-Thorak-Straße begnügen. Und das, trotz des Vorschlags der Kunst-Initiative Memory Gaps, die Thorak-Straße nach der von den NS-Schergen ermordeten Malerin Helene Taussig, die in Salzburg lebte und arbeitete, umzubenennen.

Das wäre doch nicht schwer, meint Memory Gaps. Es wäre geradezu einfach, die 1963 vorgenommene Ehrung der Stadt Salzburg jetzt, im Gedenkjahr 2018, von Hitlers Lieblingsbildhauer auf ein NS-Opfer übergehen zu lassen. Und es wäre auch eine politische Geste zum 80. Jahrestag des Anschlusses vom März 1938. Was genau ist denn so problematisch daran, die etwa 300 Meter Asphalt umzubenennen?

Helene Taussig (* 10. Mai 1879 in Wien; † 21. April 1942 im Transit-Ghetto Izbica) war eine österreichische Malerin. Nach dem Tod ihres Vaters, des Gouverneurs der Bodencreditanstalt Theodor von Taussig, widmete sie sich ab 1910 gänzlich der Malerei. Sie lebte und arbeitete seit 1919 in Anif bei Salzburg, Ausstellungen ab 1927 folgten, 1934 ließ sie sich ein Atelier in Anif errichten. 1940 wurde sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft aus Anif ausgewiesen, 1941 enteignet und am 9. April 1942 in das Transit-Ghetto Izbica deportiert. Helene Taussig wurde am 21. April 1942 von Izbica als verstorben gemeldet, vermutlich aber bereits davor in einem der NS-Vernichtungslager Belzec, Sobibor oder Majdanek ermordet.

Bis zum heutigen Tag existiert in ganz Salzburg keine Straße, die ihren Namen trägt. Nebenbei sei die Frage gestattet: Wieso wurde 1963 überhaupt eine Straße im Salzburger Stadtteil Aigen nach Josef Thorak benannt? Thorak war Bildhauer, NSDAP-Mitglied und sowohl durch die NSDAP als auch von Adolf Hitler persönlich gefördert und unterstützt. Albert Speer wurde 1938 von Hitler beauftragt, in Baldham bei München ein monumentales Atelier für den Bildhauer zu planen und errichten zu lassen. Allein die drei Eingangstore des für riesige Arbeiten ausgelegten Ateliers hatten eine Höhe von etwa 11 Metern. Thorak stand ab 1944 nicht nur auf Hitlers „Gottbegnadeten-Liste“, sondern auch auf dessen sog. Sonderliste der zwölf wichtigsten „unersetzlichen“ bildenden Künstler.

Memory Gaps erinnerte bereits im Februar 2016 daran und empfahl seither laufend, anstelle von Josef Thorak künftig in Salzburg an Helene Taussig zu erinnern. Denn Ehrungen, die Kommunen mit Straßennamen kundtun – und insbesondere international renommierte Städte wie Salzburg – meinen immer den gesamten Menschen. Helene Taussig, Künstlerin und NS-Opfer, scheint diese Ehrung vorerst nicht zuteil zu werden. Während Josef Thorak also (vermutlich mit Zusatztafel) bleibt, bleibt Helene Taussig (vermutlich vergessen). Gedenkjahr 2018.

Dominik Schmidt

Zur aktuellen Intervention der Kunstinitiative Memory Gaps ::: Erinnerungslücken: "von Taussig - von Neuem"

Hier gelangen Sie zum (kostenlosen) Download des E-Books "Die braune Gegenwart", München/Wien 2017, in dem die digitale Kunstinitiative Memory Gaps ::: Erinnerungslücken von 2015 bis Herbst 2017 zusammenfassend enthalten ist, Formate: mobi (Kindle), epub und PDF (Umfang 70 S., mit 32 Abb.).

"Aufschrei 21:57 Uhr", 2015, Tusche auf Papier, 48 x 36cm, ©: Konstanze Sailer https://www.memorygaps.eu/gap-februar-2018/

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hagerhard

hagerhard bewertete diesen Eintrag 28.01.2018 20:04:48

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