Sie waren ehrgeizig, musisch und bildnerisch begabt, die beiden Schwestern Wojtek. Und vor allem: politisch überaus anpassungsfähig, insbesondere zwischen 1932 und 1945.
Poldi (Leopoldine) Wojtek (1903-1978) war Grafikerin. Sie gestaltete u. a. 1928 ein Sujet, das als Plakat vergangener Festspiele und auch heute noch als "Logo" der Salzburger Festspiele Verwendung findet.
Von 1932 bis 1941 war sie mit Kajetan (Kai) Mühlmann, einem Kunsthistoriker, SS-Offizier und späteren NS-Kunsträuber verheiratet. Dieser knüpfte bereits im Laufe der 1930er Jahre maßgebliche Kontakte in die NSDAP, u. a. zu Hermann Göring.
Gobelin mit NS-Reichsadler- und Hakenkreuzmotiv
Durch Kai Mühlmann erhielt Poldi Wojtek während der NS-Zeit zahlreiche Aufträge. Sie nannte sich abwechselnd Poldi Wojtek, Poldi Mühlmann oder Poldi Wojtek-Mühlmann, je nach Auftrag oder Anlass. Einen besonderen Auftrag erfüllte Wojtek 1938, als sie einen Gobelin mit NS-Reichsadler- und Hakenkreuzmotiv samt Hitler-Zitat aus dessen Linzer Rede, vom 12. März 1938, für das Ärztehaus in Linz entwarf. Wie die "Kleine Volkszeitung" vom 22. Jan. 1939 berichtete, wurde dieser in der Gobelinmanufaktur in der Wiener Hofburg angefertigt, ein „Bildteppich für die Wirtschaftsorganisation der Ärzte in der Patenstadt des Führers“.
Zwei Jahre davor, 1936, illustrierte sie als Poldi Mühlmann, ein propagandistisches Kinderbuch, das die Lebensgeschichte Adolf Hitlers idealisierte. Das Kinderbuch erschien 1936 unter dem Titel "Eine wahre Geschichte. Worte und Bilder von zwei Deutschen aus dem Auslande", ein Kinderbuch-Bestseller, bereits 1937 in der 18. Auflage (!) verfügbar.
Der Text zu Wojteks Illustrationen stammte von Karl Springenschmid, jenem völkischen NS-Schriftsteller, NSDAP-, SA- und SS-Mitglied, der als Leiter des Salzburger Schulwesens und des NS-Lehrerbundes einer der Hauptverantwortlichen für die Bücherverbrennung auf dem Salzburger Residenzplatz, am 30. April 1938, war.
Josef Wojtek, Vater, Schwiegervater, Hofrat in Salzburg
Der Vater von Poldi Wojtek-Mühlmann, Hofrat Ing. Josef Wojtek, schenkte seiner Tochter Poldi 1943 das "arisierte" Atelierhaus der Malerin Helene Taussig in Anif, das er 1941 "erworben" hatte. Helene Taussig war 1941 enteignet, 1942 deportiert und ermordet worden.
Hofrat Josef Wojtek war u. a. zuständiger Beamter für "konfiszierte Repräsentationsgebäude" in Salzburg; so wurde er etwa im Frühjahr 1938 zum kommissarischen Leiter des Schlosses Leopoldskron – Max Reinhardt war gleichfalls enteignet worden – bestellt. (Salzburger Volksblatt, 6. Mai 1938) Die "Illustrierte Kronen-Zeitung" vom 31. März 1938 höhnte dazu: "Die Frage nach dem Aufenthaltsort des Schmocks Reinhardt scheint uns aber weit weniger wichtig zu sein als die Tatsache, daß er nicht mehr da ist. Mehr wollten wir doch gar nicht ... !"
Tonia Wojtek, Schwester, Tänzerin, Reichshochschulprofessorin
Grete Wiesenthal war eine Koryphäe der österreichischen Tanzszene während der Ersten Republik. Sie tanzte und choreographierte u. a. in Salzburger Produktionen von Max Reinhardt. Ab 1934 leitete sie den Meisterkurs für künstlerischen Tanz an der Staatsakademie in Wien (Name der Universität für Musik und darstellende Kunst zwischen 1919-1938). Nach dem Anschluss 1938 übernahm die Schwester von Poldi Wojtek, Tonia (Antonia), eine Absolventin der Wigman-Schule in Deutschland und seit 1933 Mitglied in der Reichstheaterkammer, die Leitung der Abteilung Tanz von Grete Wiesenthal an der sog. Reichshochschule (Name der Universität zwischen 1938-1945).
Poldi Wojtek war, wie ihre Schwester und wie zahlreiche andere Künstler, etwa Josef Thorak, der Lieblingsbildhauer Hitlers, auch eine Profiteurin der Zeit und des NS-Regimes.
Bildausschnitt "Skeletat 12", 1999, Öl auf Leinwand, 170 x 170cm; ©: Konstanze Sailer https://www.memorygaps.eu/