Die politisch-historischen Spuren der braunen Vergangenheit sind, wie der verschmutzte sprachliche Kern des Völkischen, noch immer nicht vollständig überwunden. Die digitale Kunstinitiative Memory Gaps erinnert dieser Tage, im Rahmen des Österreichischen Nationalfeiertags, mit seiner aktuellen Ausstellung an zwei weibliche NS-Opfer und an eine Straße in Wien, die es längst geben sollte.

Franziska Appel (* 21. Februar 1892 in Wien; † 29. April 1943 ebenda) war eine österreichische Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus. Von Beruf Schneiderin, war sie ab 1931 Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs, nach dem Parteiverbot durch die Regierung Dollfuß ab 1934 Mitglied der Revolutionären Sozialisten sowie Bezirkskassierin der Roten Hilfe und der KPÖ im 8. Wiener Gemeindebezirk. Im Juli 1941 wurde sie von der Gestapo verhaftet, im November 1942 vom NS-Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Die NS-Vorwürfe betrafen: Vorbereitung des Hochverrats, Identifikation mit dem Bolschewismus und Verbreitung von Flugschriften. Franziska Appel wurde am Abend des 29. April 1943 im Wiener Landesgericht geköpft.

Bis zum heutigen Tag existiert keine Straße, die ihren Namen trägt. Hingegen ist nach Michael Haberlandt nach wie vor eine Gasse in Wien Donaustadt benannt. Haberlandt war Indologe, Volkskundler, habilitierter Völkerkundler sowie Gründer und Leiter des Volkskundemuseums in Wien. Als Museumsdirektor, als wissenschaftlicher Autor und Herausgeber bereitete er frühzeitig den Boden für die Verbreitung von antisemitischem, rassistischem, deutschnationalem und prokolonialistischem Gedankengut.

Die Nachfolge Michael Haberlandts in der Leitung des Wiener Volkskundemuseums – sowohl administrativ als auch im Geiste – trat dessen Sohn, der Volkskundler Arthur Haberlandt an. Bereits ab 1933 waren zahlreiche illegale NSDAP-Mitglieder im Volkskundemuseum beschäftigt. In den Museumsräumlichkeiten wurden NSDAP-Parteimitgliederkarten und schwarze Listen mit Namen politischer Gegner gelagert sowie zahlreiche getarnte Veranstaltungen und Schulungen der illegalen NSDAP abgehalten.

Die antisemitische Besetzungspolitik führte unter anderem auch dazu, dass der ehemaligen Studentin Haberlandts und Pionierin der Ethnographie, der jüdischen Ethnologin Eugenie Goldstern, eine Anstellung verweigert wurde. Goldsterns weltoffene volkskundliche Forschungen standen in diametralem Gegensatz zur damaligen deutschnationalen Volkstums-Ausrichtung des Museums. Eugenie (Jenja/Jenny) Goldstern wurde am 14. Juni 1942 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und vermutlich bereits kurz nach ihrer Ankunft ermordet.

Primo Levi schrieb: „In den Lagern vonSobibor, Treblinka oder Majdanekbetrug die durchschnittliche Lebensdauer eine oder zwei Wochen. Wenn von diesen Lagern nicht die Rede ist, so deshalb, weil von dort kein einziger Jude zurückgekehrt ist, um seine Geschichte zu erzählen.

Das dem 1940 verstorbenen Michael Haberlandt noch während der NS-Zeit gewidmete Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof wurde erst im Jahre 2011 vonseiten der Stadt Wien aberkannt.

Dominik Schmidt

Zur Ausstellung "Goldstern" von Memory Gaps ::: Erinnerungslücken

"Schrei 09:43 Uhr", 2017, Tusche auf Papier, ©: Konstanze Sailer https://www.memorygaps.eu/gap-november-2017/

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