Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht, sprich: alles geht gut - bis plötzlich nicht. Ob alte Wirtschaftstheoretiker der Österreichischen Schule wie Ludwig von Mises schon im 19. Jahrhundert wissen konnten welche Blüten ein überbordender Kapitalismus im 21. Jahrhundert so treibt lässt sich zwar nicht sagen, sicher ist aber, dass sie bereits damals präzise erkannten, dass das System dereinst an seinen unbehebbaren Kinderkrankheiten scheitern würde. Gründe dafür gäbe es so einige:
Da wäre zum einen das altbekannte Leid vom angestrebten ewigen Wachstum bei endlichen Rohstoffen. In der Anfangszeit des Kapitalismus konnte man über diesen Umstand noch getrost hinwegsehen: Die Landkarte hatte noch weiße Flecken, die Welt war groß, abenteuerlich und schien ein unendliches Potenzial zu haben. Überdies war die Weltbevölkerung noch zu klein um im kollektiven Fehlverhalten erkennbare globale Negativeffekte zu verursachen. Heute sieht die Lage grundsätzlich anders aus - würden etwa alle Planetenbewohner einen Lebensstil wie der durchschnittliche US-Bürger führen, so bräuchten wir mindestens fünf Planeten. Dabei ist dieser Lebensstil jenes Ideal, nach dem kapitalistische Gesellschaften letztendlich streben: Alle großen Entwicklungsländer, allen voran China, sind drauf und dran, ihre Gesellschaften zu industrialisieren - wenn dieser Wandel einen Energiehunger nach sich zieht, aus dem heraus beständig im Wochentakt neue Kraftwerke angeschlossen werden müssen, so kann man davon ausgehen, dass wir in wenigen Jahren bereits bei zwei benötigten Planeten pro Jahr ankommen werden. Derzeit sind wir (wie vor kurzem groß in allen Printmedien berichtet) bei etwa 1,5 Planeten. Zur Verfügung steht uns bloß Einer.
Um Missverständnisse aus dem Weg zu räumen: Es ist das gute Recht von Staaten, sich nach eigenem Ermessen zu industrialisieren. Dass dabei das autokratische China für die meisten neuen Mittelständler weltweit sorgt, wirft nebenbei eine spannende politische Komponente auf: Agrat diese Diktatur erweist sich als schlagkräfter und profitabler für seine Bewohner als ein demokratisches Entwicklungsland wie Indien.
Ein weiterer Faktor (der speziell den gerne praktizierten, keynesianischen Ableger von Politik im kapitalistischen Rahmen ausmacht) ist es, in unruhigen -sprich: rezessiven- Zeiten Geld für Arbeitsplätze locker zu machen. Das stärkt das BIP in der Regel nicht, da diese Arbeitsplätze eher von der Sorte "Patschenpicker bei der Eisenbahn" sind und in der Realität kaum eine Wertschöpfung nach sich ziehen. Der Effekt wird eher im dann gesteigerten Konsumverhalten gesucht. Das Problem dabei (und hier kommt der eingangs erwähnte Ludwig von Mises ins Spiel) ist, dass das neu gewonnene Geld der so gewonnenen Arbeitskräfte im Endeffekt Staatsgeld ist. Die Katze beißt sich also in den Schwanz. Oder um Herrn von Mises wiederzugeben: Wenn der Staat Schulden aufnimmt um Menschen Arbeitsplätze zu ermöglichen, dann müsste von diesen eine unmögliche Wertschöpfungssteigerung -also ein BIP-Wachstum- ausgehen, mit der diese Schulden getilgt werden können um erst rentabel zu sein. Dabei darf nicht übersehen werden, dass der Großteil der Wertschöpfung ohnehin bereits von Maschinen ausgeht - ein Trend, der Langfristig sogar bestens qualifizierte Facharbeiter zu Arbeitslosen werden lässt. Davor trifft es eine ganze Heerschar an Billigarbeitern - Taxifahrer und LKW-Fahrer zittern bereits vor Technologien wie autonom fahrenden Wagen. Das taten die zahlreichen Weber -wie viele davon gibt es heute?- zwar auch vor der Spinning Jenny, jedoch gab es damals noch alternative handwerkliche Tätigkeiten. Heute erleben wir, wie sie allesamt rationalisiert werden können und in der logischen Konsequenz rationalisiert werden. Eine kritische Frage am Rande: Trifft die von vielen Politikern vertretene Meinung, dass unsere alternde Gesellschaft in 20 Jahren auf viele ausländische Arbeiter angewiesen sein wird dann überhaupt noch zu? Oder werden diese dann selbst als Arbeitslose zur Belastung?
Sei es wie es sei, ich nannte eben Faktor Nummer zwei: Eine Vollbeschäftigung ist à la longue utopisch - darauf abzuzielen, so wie es etwa der amtierende LH von Oberösterreich (Josef Pühringer) tut, ist eine Energieverschwendung. Energie, die von niemand anderem als den Steuerzahlern kommt. Beide Leitmotive, das Schaffen von Arbeitsplätzen und (ewiges) Wirtschaftswachstum sind zentrale Aspekte des Kapitalismus. Nicht umsonst zieht sich ihre Erwähnung wie ein roter Faden durch die Parteibücher aller Fraktionen. Nicht umsonst hört man davon im Wochentakt in den Medien als wäre es ein lebensbestimmendes Mantra. Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze, diese beiden Dinge versprechen die Lösung für alle unsere großen Probleme zu sein. Zumindest versprechen uns das entscheidende Teile der Politik.
Gerne nimmt man dafür in Kauf, die geplante Obsoleszenz auf einen Gipfel zuzutreiben, gewaltige Warenüberschüsse zu produzieren, diese Dinge anschließend wieder zu vernichten noch bevor sie einen Zweck erfüllten oder mitsamt ihnen ganze Ernten im Meer zu versenken, die vorher in zerstörerischer Monokulturhaltung gezogen wurden. Es ist kein Ding, milliarden Tonnen an Waren um die halbe Welt zu transportieren anstatt sie vor Ort herzustellen. Der Vertrieb von Produkten die niemand braucht gilt als unternehmerisch und wird als kreativ bewundert - dass man für deren Absatz die Werbebranche zu einer eigenen, mächtigen Wirtschaftssparte erhebt, die uns keinen Tag mit ihren Slogans und pseudomoralischen Botschaften verschont, lässt das verwöhnte Kapitalistenherz noch mehr frohlocken. Die Liste der aus kapitalistischen Gründen motivierten Sünden gegenüber dem Planeten und den ihn bevölkernden Lebewesen würde Stoff für ein dickes Buch hergeben. Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze wurden mit diesen Trends pervertiert und zum reinen Selbstzweck degradiert. Die Gesellschaft am Laufen zu halten ist heute in Wahrheit nur die Aufgabe von einigen Wenigen. Hätten wir diese wahnwitzige, weil exponentiell gestaltete Entwicklung nicht bereits bis an die Grenze getrieben, so würden wir alle bestimmt mit weniger als einem Planeten, garantiert aber mit weniger als 1,5 Planeten auskommen - diese meine Mutmaßung möchte ich einfach so stehen lassen. Tatsache bleibt, dass momentan ein enormes Ausmaß an viel zu billiger Energie viel zu opportunistisch verschwendet wird - Energie, die großteils Jahrmilliarden im Erdreich schlummerte und uns so nie wieder zur Verfügung stehen wird.
Damit komme ich abschließend zum großen Bild: Der Kapitalismus ist eine Ideologie. In seinem Ideal -dabei handelt es sich bewusst um den unerreichbaren, perfekten Zustand, auf den eine Ideologie nunmal abzielt!- gibt es eine globale Vollbeschäftigung, sowie ein Wachstum bis in alle Ewigkeit. Erst dann will der Kapitalismus dafür garantieren können, dass jeder Erdenbewohner ein ideales, also erfülltes Leben hat. Würde er nicht nach diesem Zustand streben, so würde er eine grundelegende Voraussetzung für das Konzept einer Ideologie nicht erfüllen. Da diese Vorstellung nicht nur unrealistisch ist, sondern meines Erachtens am Wesen des Menschen vorbeigeht, wird sich das ganze System im Laufe der Zeit aufblasen um in einer finalen chaotischen Phase zu platzen. Mini-Krisen, so wie wir sie 2007/2008 erlebten sind nicht nur ein im System implementierter Fehler, der alle Jahre zwangsläufig wieder schlagend wird -wer kann das langfristig wollen?- sondern sie sind auch noch fähig, im Verband -also wenn nicht >nur< eine Immobilienblase platzt, sondern etwa gleichzeitig eine Energiekrise daherkommt etc.- die gesamte gesellschaftliche Ordnung über den Haufen zu werfen. Dieser Umstand ist derartig offenkundig, dass selbst in einem Ö1-Beitrag in diesem Zusammenhang von Systemischen Risiken berichtet wurde. Bloß wenn er einmal eintritt ist es bereits zu spät. Bis dahin sollten wir uns tunlichst damit befassen ein zukunftstauglicheres, nicht-exponentiell geartetes System zu entwickeln. Es gilt diesen Artikel als einen Anreiz für die mit wesentlichen Gesellschaftsthemen offenbar überforderte Politik zu verstehen - Politik, die alle Bürger angeht! Vielleicht sollten aber auch bloß gewisse Personen Ludwig von Mises lesen.