Nein, damit meine ich nicht die täglichen Meldungen über Wahnsinnigkeiten von Menschen. Ich meine damit viel mehr. Jeden Tag sollten wir uns bewusst machen, welches Geschenk dieses Leben an uns ist. Generationen von Menschen haben sich vor uns die Mühe gemacht, die Welt für uns zu erforschen, sie greifbarer zu machen - und doch wissen wir nichts. Alles was wir tatsächlich wissen, sind jene Dinge, die sich in der Welt unserer eigenen Gedanken, Vorstellungen und Konzepte erschöpfen. Damit sind wir beim sokratischen Nichts. Wir sind bei der Frage danach, ob alle unsere Eindrücke nur Gespinste unseres Selbst sind, also der Rationalität, oder ob sich die Welt nach unseren Messzahlen und Denkmustern erklären lässt, also der Empirik. Immerhin sind beide Denkmuster geeignete Grundlagen zur geistigen Erschließung der Welt.

Wenn wir harte Fakten -gemeinsame Nenner kollektiven Denkens- präsentieren, so bedienen wir uns stets einer der beiden. Alleine die Ratio ließ politische Modelle, Religionen oder Staatsverbände entstehen – die daraus entstehenden Begriffe sind heute Teil einer künstlich geschaffenen Realität, etwa wenn wir vom Kapitalismus oder wahlweise von Ich, Über-Ich und Es oder Ich-Bewusstsein und dem persönlichen Schatten sprechen. Alles sind samt und sonders geistige Konstrukte, die mit ihren Trägern zu existieren aufhören.

Die Empirik sollte uns da schon mehr kollektive Gewissheit geben – wir haben Zahlen zur Verfügung, die universell jedem Menschen eine Vorstellung von den Verhältnissen auf der Welt geben sollen. Mit diesen Zahlen können wir uns sehr viele Dinge erklären. Sie begründen Physik und Chemie und sind unabdingbar für Biologie und Kosmologie. Und obwohl handfeste Beweise (wie das Doppelspaltexperiment) uns zeigten, dass wir unsere Welt auch mit der normativen Kraft der Zahlen unmöglich klären können werden, so veranschaulichen sie uns zu äußerster Ehrfurcht und Demut veranlassende Verhältnisse.

Nicht nur in Regelmäßigkeiten, wie z.B. der in der Natur überall vorkommenden Fibonacci-Folge oder der Pareto-Verteilung, welche für sich genommen nicht bloß als mathematisches Phänomen ergründet und behandelt werden sollten, sondern als Bestandteil des „Betriebssystemes“ unseres Universums. Nein, auch in absoluten Zahlen: Man muss sich bloß vor Augen halten, dass jeder menschliche Körper aus 13.000.000.000 – 16.000.000.000 körpereigenen Zellen besteht, von denen jede pro Sekunde 30.000 bis 60.000 Signale abgibt. Jede dieser Zellen „weiß“ simultan, was jede einzelne andere Zelle des Körpers tut! In jedem Moment unseres Lebens. Dabei gibt es sogar noch mehr Zellen, die den Körper nur „bewohnen“ – etwa zehn Mal so viele.

Das Problem dabei ist, dass Menschen nicht fähig sind, in den Verhältnissen zu denken, in denen unser Universum funktioniert. Diese sind in den meisten Fällen quadratisch – unser Denken dagegen linear. Zu Deutsch: Niemand kann sich vorstellen, wie etwa aus dem Josephspfennig nach 2000 Jahren 200.000.000.000 Erdkugeln aus massivem Gold werden sollen – wer es nicht weiß, vermutet mitunter eine Pfennigvermehrung (nach besagten 2000 Jahren) auf eine Summe zwischen 1 – 100 €, was in der Realität eben der linearen Vermehrung entspricht; den Maßstäben in denen menschliches Denken funktioniert, für was es „geschaffen“ wurde.

Und so kann ich auch hergehen und theoretisch willkürlich 100.000.000.000 statt wissenschaftlich korrekten 90.000.000.000 angeben, es vermag sich praktisch ohnehin niemand vorzustellen, um welche Summe es sich dabei handelt – alles was wir davon haben, sind Verhältnisse, in denen wir glücklicherweise doch halbwegs vernunftbasiert zu denken in der Lage sind. Davon ausgehend können wir gewisse Wahrscheinlichkeiten ableiten. Wir können uns etwa gut vorstellen, wie lange es uns nun auf dem Planeten gibt, wenn wir die Dauer seiner Existenz in 24 Stunden angeben, und daraus schließen können, dass es den sesshaften, also kulturell strebsamen Menschen erst mit den letzten 0,2 Sekunden dieses Tages gibt.

Und damit zum eigentlichen Kern dieses Artikels: Wir Menschen neigen nach wie vor dazu, uns absolut zu überhöhen. Wir halten uns für die Krone der Schöpfung, für überlegen und nicht zuletzt evolutionär auf der letzten Stufe befindlich. Wir gehen sogar so weit zu glauben, dass Gott selbst uns heimgesucht hat, uns nach seinem Ebenbild geschaffen hat und uns die Erde gab um sie uns untertan zu machen. Wir sind eine Spezies, die Jahrmilliarden seit dem Bestehen des Universums auf sich warten lassen hat. Wir haben keine 6000 Jahre der bewussten Geschichtsschreibung vorzuweisen. Wir bewohnen einen Trabanten eines Sternes. Eines Sternes von wirklich sehr vorsichtig (entsprechend der kleinsten Annahme) geschätzten 10.000.000.000.000.000.000.000 Sternen, wobei es wahrscheinlich noch ein Vielfaches davon an Planeten gibt. Mit den ersten Protisten, der auf anderen Einzellern wurzelnden Kambrischen Explosion und dem erneuten Neustart mit dem Neozoikum haben wir gleich drei eigenständige Versuche des Lebens selbst, sich zu bilden – auf nur einem habitablen Planeten von Myriaden. Dabei ist alleine die DNS wiederum derartig komplex, dass sie sich unmöglich durch die Blitzschlag-auf-Ursuppe-Theorie erklären lässt.

Und dann gibt es doch tatsächlich noch Milliarden von Menschen, die glauben, Gott selbst hat uns exklusiv nach seinem Ebenbild geschaffen, und hat uns dann besucht. An ein, zwei, drei willkürlich von ihm ausgewählten Zeitpunkten, in genau diesem winzigen Winkel des Universums. Diese Verhältnisse sind derartig lächerlich, dass sie aus dem Standpunkt der heutigen Erkenntnis jeder Vernunft entbehren. Dazu soll dieser Gott sich laut AT und Koran sogar in die Irre führen lassen, eigene Aussagen revidieren, sich in Dingen widersprechen oder emotional werden – weil ihn das ach-so-bedeutungsvolle Treiben auf dieser winzigen Erde u.a. in Rage versetzen soll.

Etwas anderes machen mir die ganzen Zahlen (und wie all das bis in das kleinste Detail abgestimmt ist) jedoch schon deutlich: Dass all diese Dinge auf einem reinen, puren Zufall beruhen, dass all das von Nichts kommt, kann kaum möglich sein. Tatsächlich gibt es eine große Schar an Wissenschaftlern, die Kraft ihrer Erkenntnisse nicht mehr agnostisch sein können, schlichtweg weil sie es wortwörtlich nicht können. Eine Intelligenz, die unsere bei Weitem übersteigt, womöglich noch viel höher als nur quadratisch zu denken fähig ist, würde all der in sich geschlossenen Logik unseres Universums die Schönheit des Sinnes verpassen. Daher glaube auch ich an einen Schöpfer, einen Gott. Eine raum- und zeitlose Konstante, die über die Gegebenheiten der 3. Dimension erhaben ist.

Das sollte natürlich nur eine mögliche Schlussfolgerung sein, der man gerne widersprechen darf, sofern man es nachvollziehbar kann. Ich will niemanden bekehren. Ich möchte nur zum Ausdruck bringen, dass ich weiß, dass ich nichts weiß.

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Spinnchen

Spinnchen bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:16

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