Wie immer gilt: Einfach dahinlesen, viele aufgeworfene Fragen beantworte ich im weiteren Verlauf dieses zugegeben überlangen Textes selbst. Es gibt angesichts internationaler Trends kaum ein kontroverseres Thema als Sex - ähnlich wie beim Thema Drogen werden hier Augen verdreht, Stirne gerunzelt, Mimiken der faszinierten Abscheu und Gesten der vorgeschobenen Abwehr vorgetragen. Tatsächlich geht von der Thematik ein gewisser Reiz aus, dem sich zunächst niemand aktiv widersetzen kann - der Mensch ist schließlich wie Bonobos oder Delphine ein durch und durch sexuelles Wesen; es sei denn man wurde bereits bis zur Frigidität mit negativen Erfahrungen gegeißelt, welche oft auch lediglich durch Traumata mit sexuellen Aspekten mit sich gebracht wurden. Dass kann eine vordergründig gewalttätige Misshandlung (mit der sexuelle Gefühle verbunden werden) im Kindesalter sein, aber auch eine psychisch geartete Inakzeptanz gegenüber dem eigenen Körper, etwa durch die Pubertät.

Ja, es gibt wohl auch kein Thema, bei dem so viele unausgesprochene Ängste mitschwingen - vordergründig jene der Frauen, aber jene der Männer sind in der breiten Masse bisher kaum ausgesprochen und liegen sehr tief. Das wiederum ist dem Umstand geschuldet, dass Frauen über ihre Probleme reden können, Männer dies gesamtgesellschaftlich aber erst noch lernen müssen (wie wäre es mal mit einer männlichen Emanzipation?). Ein Umstand der überaus viele Schattenseiten mit sich bringt. Nachfolgend werde ich mich also zuerst um Letztgenannte kümmern, erst dann komme ich zu den umso mächtigeren Lichtseiten zum Thema Sex. Davor aber noch etwas zu mir: Als Mann ist man dieser Tage dazu verdammt, eine schwere Bringschuld auf seinen Schultern zu tragen. So wird bisweilen von einigen Seiten das gesamte Geschlecht mit dem Vorurteil der Unbeherrschtheit und Triebhaftigkeit konfrontiert. Gefühle scheinen dagegen Nebensache zu sein. Ich muss jedem Leser daher nahelegen, sich unbefangen mit meinem Text zu befassen - auch wenn ich jenem Denkmuster nach einer von den Bösen bin.

Wenn Männer frigide werden suchen sie sich eine lebensbestimmende Passion, mit der sie ihre unterdrückte Sexualität kanalisieren können. Dann entstehen oft die tollsten Dinge - dass diese Männer innerlich leiden und anfällig für depressives Verhalten sind, ist dabei ein Begleitumstand, der sich wie ein roter Faden durch deren Biografien zieht. Paradebeispiel Anton Bruckner: Erzkatholisch erzogen, bleibt er zeitlebens als Unverheirateter ohne Sex. Ja, er masturbierte nicht einmal, sondern trug eine "Pollutionshose", die das Ergebnis feuchter Träume auffangen sollte. Dafür befasste er sich hinlänglich mit seinem Glauben und der Musik. Letztere ist dafür bekannt, sich zumeist langsam zu steigern, bis es zu Höhepunkten in überwältigend orgastischen Ausmaßen kommt. Ja, wer hat da wohl was wohin kanalisiert?, ist man geneigt zu fragen. Wie bereits erwähnt können Männer selten, wenn überhaupt, benennen, was sie dazu treibt so zu handeln. In Wahrheit geht es nämlich oftmals um das simple Gefühl der Wertschätzung, welches ein Mann am ganzheitlichsten durch erfüllenden Sex erfährt. Eine Frau erfährt es auf eine andere Art und kann den sagenhaften Antrieb von Männern daher kaum im vollen Ausmaß nachvollziehen. Frauen regeln ihre Probleme schließlich am liebsten (und effektivsten) per Kommunikation - selbst, und im fundamentalen Gegensatz zu Männern, die sexuelle Frustration. Das kann nur deshalb funktionieren, weil Frauen ihre sozialen Systeme -Familie, Freunde, Kollegen- nachgewiesenermaßen als Netzwerke betrachten, in denen die Interessen jedes Mitglieds grundsätzlich gleichwertig sind. Ein Problem wird für Frauen, noch während es besprochen wird, gelöst. Für Männer, welche sich zum überwiegenden Großteil eine Denkweise in Hierarchien angeeignet haben, funktioniert ein solches Kommunikationssystem nicht - schon gar nicht um Probleme zu lösen. Ich habe hier beschrieben, warum Frauen sich oft verzweifelt beschweren, dass sie "es dem Mann schon 10 Mal erklärt haben, und er den Fehler trotzdem immer wieder begeht". Na klar, er wird sie für Hierarchisch untergeordnet ansehen und von daher gar nicht auf sie eingehen - und wenn, dann nur vorgeschoben um den relativen Frieden zu erhalten. Danke liebes Patriarchat.

Doch, um den Gedanken weiterzuspinnen: "Männer, die sich diese Wertschätzung per Sex nicht irgendwoher holen können, beginnen, sie woanders zu suchen." Finden sie diese nicht, so werden sie entweder depressiv (und im Vergleich zu Frauen die konsequenteren Selbstmörder), oder sie beginnen, diese Wertschätzung einzufordern wie ein Kind die Aufmerksamkeit seiner Eltern. Eine Forderung nach Anerkennung. Hat ein Mann keinen Sex, so erwacht in ihm das alles überlagernde Bedürfnis, in etwas der Beste zu werden, oder zumindest so gut um dafür wie "ein g'standener Mann" behandelt zu werden. Und sei es in der schieren Verbreitung von Angst und Gewalt als letztem Ausweg, bevorzugt in der Horde. Schließlich erfährt ein Mann auch in der Horde Wertschätzung in einem zufriedenstellenden Ausmaß. Horden bilden sich überall dort, wo verzweifelte Männer zusammenkommen - und sie eint, man kann es schon erahnen, die Unfähigkeit ihr Dilemma zu kommunizieren. Für Frauen daher absolut unverständlich und abstoßend. Es geht noch weiter: Sieht sich ein Mann weder über eine Horde, noch über seine Talente in der Lage, Anerkennung zu bekommen, so wird er tendenziell zum Vergewaltiger oder Amokläufer. Ja, im Gegensatz zu den mannigfaltigen weiblichen Lebensproblemen die sich bei Nichtbehandlung zumeist in stummen Hilfeschreien äußern (etwa Autoaggression bis hin zu Selbstmorversuchen) basieren die meisten des testosterongesteuerten Geschlechts auf simplen Aktion-Reaktion-Prinzipien. Die durchgemachten Leiden unterscheiden sich hierbei nur unwesentlich, der Unterschied liegt im Umgang damit. Gewalt als der letzte Ausweg muss aber immer als traurigstmöglicher Hilferuf des Täters gelten. Viele Traumata sitzen gerade bei Männern derartig tief, dass sie sich an völlig Unschuldigen, zumal Unbeteiligten auslassen. Es gibt eine ungeheure Spirale der Gewalt, die Generation für Generation einen Großteil der Männer erfasst und gesamtgesellschaftliche Friedens- und Harmoniebemühungen zermalmt. 90% der Gewalt von Männern richtet sich dabei gegen andere Männer - und wir haben mehr als genug häusliche Gewalt und Vergewaltigungsdelikte gegenüber Frauen. Danke liebes Patriarchat.

Soviel zu den Extremformen, nun zum "Durchschnitt": Schaffen es Männer nicht, Anerkennung für ihr Wirken zu bekommen, so versuchen sie es über das Aufzeigen der Auswirkung davon. Herabgebrochen auf "einfache Arbeiter" oder, wie man es früher nannte, "das Proletariat", hieße das folgendes: Kaum jemand wird die immergleiche Fließbandarbeit würdigen, zumindest nicht für (heiß erstrebte) herausragende Leistungen -ich möchte hier einstreuen, dass ein Mann gerne Heldentaten vollbringt für die er anerkannt wird, und einem das im gegebenen Fall schlichtweg beruflich verwehrt bleibt-. Die Heldentaten verlagern sich daher auf die Früchte der Arbeit, etwa ein tolles Auto oder ein schönes Haus. Wer mehr arbeitet kann sich auch das bessere Auto leisten - Männer mögen einfache Prinzipien, und was sich zumindest danach anhört wird gerne für Jahrzehnte bis zur Selbstverwahrlosung verfolgt. Tatsächlich lassen sich Männer beinahe mit Freude vor einen Karren spannen, solange sie dadurch auch das Gefühl haben ihre eigenen Interessen verfolgen können. Frauen können auch das nicht verstehen, sie durchschauen solche Mechanismen dank einer anders gelagerten sozialen Wahrnehmung tendenziell mit Leichtigkeit und sind erst dann bereit, sich für etwas zu vernachlässigen, wenn es wirklich erforderlich ist - nicht unbedingt wenn sie sich damit (lediglich) erhoffen können, in eine starke Position zu gelangen. Ein Streben, das schließlich nur in Hierarchien Sinn macht - und wie erwähnt, Frauen denken in Netzwerken. Während Frauen im Durchschnitt "intelligenter" -ich mag das Wort eigentlich nicht, verwende es aber um auszudrücken was ohnehin jeder darunter versteht- sind als Männer, sind es die Männer die prozentuell mehr Spitzendenker hervorbringen (aus einem einfachen Biologischen Grund, hat mit dem y-Chromosom zu tun, ist aber nicht Teil dieser Auseinandersetzung). Diese Spitzendenker durchschauen das System zwar ebenso, haben aber aufgrund ihrer hierarchischen Denkweise die Tendenz, das System skrupellos für sich nutzbar zu machen. Viele klassische Wall-Street- und CEO-Karrieren sind das Resultat davon. Es darf nicht erstaunen, dass diese Männer es sind, die andere Männer für sich schuften lassen - wobei letztere nie das Gefühl haben (dürfen) gegen den Chef, sondern gegen den Nachbarn oder einkommensmäßig Ebenbürtigen zu konkurrieren. Natürlich mittels vorhin beschriebener "Heldentaten" um letztendlich die Gunst des besseren Weibchens zu erobern und in der Hierarchie aufzusteigen. An das dem Chefs "zustehende" Weibchen kommen sie aber unmöglich heran, also entfällt dieser Anspruch. Männer konkurrieren nur, wo es ihnen auch sinnvoll erscheint. An dieser Stelle wird es für Frauen besonders krude und absurd - aber ja, so weit laufen die Verstrickungen des im Prinzip einfach strukturierten männlichen Denkens. Danke liebes Patriarchat.

Soviel zum Groben Schema "Mann". Da wir heute davon ausgehen können, dass sich ca. 1/3 aller Menschen nicht eindeutig dem Rollenbild "Mann/Frau" zuordnen lassen, können wir von einer ganzen Reihe von Abstufungen und Zwischenformen ausgehen, die es noch im Detail zu erforschen gilt - wir Menschen streben doch danach, uns zu begreifen. Streng genommen passe ich selbst nicht in das klassische Männerbild. [Vereinfacht gesagt sorgt bereits meine Linkshändigkeit alleine dafür, dass ich mein Gehirn ähnlich vernetzt benutze wie eine Frau, der männliche Rest von mir aber ermöglicht mir eine Spezialisierung auf einzelne Areale, ähnlich der neuronalen Funktionsweise eines Mannes. Auch wenn mir dies tolle Möglichkeiten eröffnet, so bringt es, wie alles, doch ein Wider mit sich, aber auch das ist nicht Teil dieser Auseinandersetzung.] Ich will aber damit eigentlich nur aussagen, dass in dieses 1/3 auch Menschen fallen, denen man es von außen wenig bis gar nicht ansieht -was ich umso schöner finde, da es den Aufbau von Ressentiments gegenüber "den Anderen" so gut wie unmöglich macht-. Weiterhin gehe ich davon aus, dass ich aus guten Gründen dennoch für einen "Vollmann" gehalten werde, also von anderen zweifellos in das männliche Drittel der Menschheit eingeordnet werde. Ich schlussfolgere, dass sowohl im männlichen, wie auch im weiblichen Drittel viele unentdeckte Zwischenformen schlummern, die eine Zuordnung noch einmal erschweren. Also: An dieser Stelle nicht verzweifeln, denn ich habe nichts vom vorhin Angeführten relativiert - ich wollte mit dem Anführen der Existenz von "allem dazwischen" viel eher ausführen, dass es "den Mann" und "die Frau", über die ich hier schreibe, sehr wohl gibt, dass die ganzen Abstufungen und Zwischenformen aber eine definitive Einteilung von Individuen in diese Kategorien praktisch kaum möglich sowie belanglos macht. Das Problem ist nicht das tatsächliche Vorhandensein von Unterschieden zwischen Männlich und Weiblich, allen Ausformungen, sowie deren verschieden ausgeformte Denkmuster, sondern was wir daraus machen, indem wir diese Denkmuster zu WERTEN beginnen. Am Ende gilt nämlich: Je Testosterongeladener, desto Hierarchischer veranlagt - logisch bekommt der Vollmann mehr Testosteron als die Vollfrau ("Vollweib" wäre schon ein gängigerer Begriff) und so sind es Männer, die sich bevorzugt in Seilschaften die Hierarchieleiter hochhieven und automatisch das Entstehen von Patriarchaten erwirken. Jedoch vereinnahmt das Patriarchat selbst (schwächere, ergo weniger durchsetzungsfähige) Nicht-Männer und zwingt sie in ein unbequemes Denkkorsett, der andere Teil der Bevölkerung hat unter den Konsequenzen einer tendenziellen Vernachlässigung des breiten unteren Endes der (hierarchischen!) GesellschaftsPYRAMIDE zu leiden - so betrifft es letztlich alle, das Patriarchat. An dieser Stelle noch ein letztes Danke, liebes Patriarchat.

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Mephistopheles

Mephistopheles bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:13

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