In der Vergangenheit habe ich mich zu Dingen positiv geäußert, von denen im Laufe der Geschichte einige negative Entwicklungen ausgingen, die in ihrem Kern aber einem objektiven Denken und nicht einem Denken aus Hass entsprungen sind -so wie etwa Heinrich Kramer die Grundlage für europaweite Frauenverfolgung, den Hexenhammer, aus (sexuellem?) Frust und Hass auf die Frauenwelt schrieb-. Das tat ich nicht in der Absicht, sie wiederzubeleben, sondern um ihnen einen angemessenen Platz im menschlichen Denken zu schaffen. Wenn Phänomene generationen- und gesellschaftsübergreifend auftreten, so muss es sich dabei um Ausdrücke rein menschlichen Denkens handeln – wichtig ist dann, diese nicht zu unterdrücken, sondern sie in eine zukunftsweisende Richtung zu kanalisieren. Dabei bezog ich mich ganz bewusst auf den Rassismus, den Nationalismus und Religionen, da ihnen das Aussehen, die Herkunft und der Glaube von Menschen zugrunde liegt – maßgebliche Bestandteile menschlicher Identität.
Wer nun also verneint, dass es Unterschiede in diesen Dingen gibt, (oder diese Unterschiede überhaupt bekämpfen will, wie etwa Kommunisten) beabsichtigt damit, Menschen diese Möglichkeit zur Identifikation zu nehmen. Das kann durchaus in guter Absicht geschehen, aber es geht damit im Grunde darum, ob es für die Menschheit besser oder schlechter ist, wenn sich ihre einzelnen Bestandteile innerhalb des Ganzen identifizieren können – eine zugegeben widernatürliche Frage, da der Mensch eine Identifikation BRAUCHT um einen Bezug herstellen zu können, dann aber den Bezug braucht um Liebe aufkommen zu lassen. Man kann nur Lieben, womit man in einer Beziehung steht. [Das Extrembeispiel „Identifikation mit/Liebe für die ganze Menschheit/die ganze Welt“ tritt nur bei quasi unmenschlich integren Personen auf.] Die Unabdingbarkeit von Liebe für die menschliche Existenz dürfte bekannt sein. So also können wir mit Sicherheit sagen: Es ist gut für den Menschen, sich (mit Gruppen) zu identifizieren und ihm diese Möglichkeit anzubieten – Unterschiede sind notwendig, so wie sie naturgegeben sind (sie dürfen bloß nicht den Unterschied zwischen Leben und Tod machen).
Damit wird die Fragestellung um eine Stufe präziser: Sind alle Unterschiede so gut wie sie gegeben sind? Sollten wir Menschen nach ihrem Aussehen, ihrer Herkunft oder ihrem Glauben einteilen? Die Möglichkeiten es sogar noch tiefgreifender zu tun sind unerschöpflich: Nach Sprache, Geschlecht, Händigkeit, sexueller Orientierung oder Essgewohnheiten etwa; man käme leicht vom Hundertsten ins Tausendste – bloß geht von diesen Unterschieden nicht so sehr das Potenzial zur gesellschaftlichen Umwälzung aus, wie es das bei meinen drei Steckenpferden tut.
Am Schwierigsten ist die Sache beim Aussehen – den Phänotypen, den Rassen. Auch wenn es so manche Romantiker nicht und nicht wahrhaben wollen, aber dieser Punkt ist am offensichtlichsten. Ein Unterschied in der Körpercharakteristik wird von allen Unterschieden am allerschnellsten wahrgenommen – er ist offensichtlicher als alles andere, lässt an einem Zeitpunkt Gewissheit über eine Person entstehen, da deren Abstammung oder Glaube noch Bestandteil von Vermutungen sind. Weil dieser Unterschied so kinderleicht zu erkennen ist, bilden schon Kindergartenkinder aus Instinkt(!) (neben einer ebenso leicht vollziehbaren Geschlechtertrennung) die reinsten Apartheiten. [Da dies in einem gemeinsamen Umfeld verschiedenrassiger Kinder geschah, können wir ausgehend von dieser Faktenlage annehmen, dass der Umstand der Verschiedenrassigkeit alleine noch kein gutes Miteinander nach sich zieht.] Diese Rassengräben zu überwinden ist daher Aufgabe einer verantwortungsvollen Erziehung – erst so kann man in heranwachsenden Menschen die Ansicht festigen, dass es sich bei Vertretern einer instinktiv ausgegrenzten Gruppe ebenso um Menschen handelt. Es geht im Kern also um Empathie. Schwierig ist dieser Punkt aber vor allem deshalb, weil er sich bis dato nicht beeinflussen lässt – niemand kann etwas für die Rasse in die er hineingeboren wurde, und niemand kann etwas daran ändern. Ein Zukunftsproblem ergibt sich, sobald das durch Gentechnik anders wird.
Nicht ganz so schwer ist die Sache bei der Herkunft – der Sozialisation, der Nationalität. Dieser Teil von Identifikation beruht im Grunde auf dem individuellen Lebensgefühl: Wenn sich jemand eher mit Bewohnern eines anderen Landes identifizieren kann als mit den Bewohnern des Landes in dem er geboren wurde, so steht ihm frei, sich als Bewohner eines solchen Landes zu bezeichnen. Dieses Verhalten lässt sich unter anderem bei vielen Menschen deutscher Staatsbürgerschaft feststellen, die sich z.B. als Türken ausgeben. Die wenigsten Gesellschaften des Planeten lehnen Einwanderer ab, die ihre Sprache sprechen (wollen), ihre Gebräuche ausüben (wollen) und ihre Kultur wertschätzen. Im Gegenteil, ist Assoziation mit Gleichgesinnten ein zu menschliches Verhalten, als dass dem ein „Blut und Boden-Denken“ effektiv entgegenstehen könnte (wohingegen Segregation zwangsläufig zu Konflikten führt). Ein Problem ist die Nationalität allerdings, wenn sie sich über eine Konkurrenz oder gar einen Hass auf eine andere Nation definiert. Diese Ausartung beruht im Regelfall auf einem Anspruchsdenken (z.B. auf Großfinnland) und ist von daher zweifelsfrei auf ihre Legitimität überprüfbar. Nationen können nur dann dauerhaft friedlich koexistieren, wenn illegitime Ansprüche entfallen und legitime Ansprüche (z.B. Österreichs auf Süd-Tirol) angehört werden. Nachdem eine Koexistenz gelingt, kann man zu einer Zusammenarbeit übergehen – alles andere wäre in einer solchen Situation ein Stillstand und Eingeständnis dafür, dass man das friedliche Miteinander aller Menschen unter den gegebenen Bedingungen in Abrede stellt, theoretisch also über Leichen zu gehen gewillt sein muss.
Am Leichtesten ist die Sache endlich bei Religion, denn sie ist nicht angeboren - wird also von jedem Menschen nach seinem eigenen Gutdenken praktiziert, so sehr die Frage nach Transzendentem auch in den Instinkten verankert sein mag. Wenn Religionen wie das Judentum oder der Islam sich zum unverrückbaren Glaubensinhalt machen, dass man dennoch als ihr Angehöriger (vorherbestimmt!) geboren wird, so bringen sie damit ein Unverständnis für (sowie eine Unvereinbarkeit mit) europäische(n) Wertvorstellungen zum Ausdruck. Darin kann ein Mensch sich seiner „Vorherbestimmung“ immer noch widmen, sobald er gesetzlich für mündig befunden wird, zumindest aber sich aus eigenen, freien Stücken dazu entscheidet. Nach der guten, alten, logischen Griechischen Denkschule ist es für ein über Raum und Zeit erhabenes Wesen unwesentlich, ob ein Mensch sich zu einem Glauben bekennt oder sich mit Transzendentem befasst. Das wozu der Mensch Gott dann noch ganz konkret braucht, nämlich um ins Paradies zu kommen, das muss der Mensch ergo auch ohne der Deklaration seiner Glaubenszugehörigkeit (als Vorherbestimmung) schaffen können. Somit bleibt, dass Religion dem Menschen eine Möglichkeit zur Identitätsstiftung anbietet, prinzipiell also erhaltenswert ist – es sei denn, sie spricht Außenstehenden das Mensch-Sein ab oder versagt ihnen jegliche Heilsbotschaft, was Religionen gemeinhin von Sekten unterscheidet. Religion nach außen zu tragen und zu zeigen ist ein Zeichen für gelebte Spiritualität. Das ist so lange nicht verwerflich, so lange es zu bewussten Anlässen geschieht und nicht zum Einzigen, alles verdrängenden Aspekt der eigenen Identifikation -des eigenen Daseins- wird – ein Verhalten also, das im einzig korrekten Fall Mündigkeit voraussetzt (und nicht, so wie manche vermuten, ein Beweis für das Fehlen derselben ist).
Zu guter Letzt möchte ich mich noch auf die Identität selbst beziehen: Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, wird feststellen, dass es so einige Stellen gibt, von denen, ob bewusst oder unbewusst, eine identitätsvernichtende Kraft ausgeht. Das kann durch bloße Abrede geschehen („Frauen sind Männer in einem anderen Körper“/“Frau und Mann sind GLEICH“), aber auch indirekt, durch Begriffsverwirrungen. Wenn etwa Linke, Kommunisten, Anarchisten, Antifa und Grüne in einen Topf geschmissen werden ebenso, wie wenn dies bei Rechten, Rechtsextremen, Nationalisten, Rassisten und Sozialdarwinisten gemacht wird. Diese Begriffsverwirrungen gehen außerhalb politischer Termini genauso munter weiter. Man tut damit nur niemandem etwas Gutes. Heutzutage ist dieser Trend bereits sehr weit fortgeschritten und von der Gesellschaft verinnerlicht – die Intention dahinter, dass sich Menschen durch gar nichts mehr als durch die Wahl ihrer Marken [nicht zufällig so leicht erkennbar wie etwa die Rasse] unterscheiden, mag eine gute sein, aber gebracht hat sie nichts als eine moralische Orientierungslosigkeit, Oberflächlichkeit und letztlich Unmündigkeit. Natürlich ganz abgesehen davon, dass eine Marke immer auch für eine finanzielle Entscheidung steht, der Unterschied durch das Einkommen also dort als erstes entsteht, wo er in einer Wertegesellschaft als letztes entstehen sollte. Würden wir uns sicher sein können, dass es im Sinne des Pluralismus geschätzt wird, sich seine Identität so gut wie möglich bewusst zu machen und auszuformen, so würden wir mit einer Sicherheit als Individuen auftreten, die mit dem heute kollektiv schwachen Selbst-bewusst-sein gar nichts mehr gemeinsam haben würde. Beziehungs-, Intelligenz- und Lerntypentests sind zur Selbstfindung schließlich bei Weitem nicht so geeignet als ein mutiges Sich-Selbst-Hinterfragen und sich mit seinen Interessen in Bezug zu setzen.