Sie fürchten sich davor, dass die Flüchtlinge unsere Werte nicht kennen. Ihre Werte haben hier nichts verloren, sie passen nicht zu uns: Unterdrückung von Frauen, Diskriminierung von Homosexuellen. Dabei sind hier doch schon alle katholisch.
So oder so ähnlich könnte man die Idee von Wertekursen für Flüchtlinge von unserem Integrations- und Außenminister Kurz zusammenfassen. Fans des Geilomobil-Ministers mit Hang zu übermäßig viel Haargel wurden ja schon durch seine Fähnchen-im-Wind Haltung in der Außenpolitik schnell desillusioniert. Der Vorschlag von verpflichtenden Wertekursen zeigt aber, dass es nicht nur von politischem Rückgrat, sondern auch noch von Glaubwürdigkeit nach kurzer Zeit in der Politik bei MFA-Short nicht mehr viel übrig ist.
Sich als Flüchtling von der ÖVP die Gleichbehandlung der Geschlechter beibringen zu lassen ist in etwa so wie sich als Österreicher von einem Kenianer Schiunterricht geben zu lassen. Das Frauenbild der ÖVP sieht man in der Landesregierung von Oberösterreich ziemlich gut. Sogar in der türkischen Regierung sind mehr Frauen als in der oberösterreichischen. Immerhin hält man sich mit Saudi-Arabien die Waage, man wird ja bescheiden.
Aber der Islam und Homosexuelle! Das geht ja gar nicht, dort haben die ja gar keine Rechte, das muss man Flüchtlingen doch beibringen! Das erkennt Minister Kurz natürlich messerscharf. Natürlich sollte man das Flüchtlingen beibringen. Flüchtlinge sollen schließlich wissen, dass man sich bei der Diskriminierung von Homosexuellen gefälligst auf die Bibel zu berufen hat. Wenn man schon diskriminiert, dann zumindest katholisch. Jeder gelernte ÖVPler weiß das.
Aber machen wir nicht alles schlecht was Kurz fordert. Werteschulungen für Flüchtlinge könnten durchaus etwas positives sein. Man könnte ihnen Sparsamkeit anhand der Hypo-Verstaatlichung durch Josef Pröll beibringen. Und Gesetzestreue zeigen wir ihnen anhand des verurteilten ÖVP Agenten Ernst Strasser und anhand der laufenden Verfahren seines Kameraden Grasser.
Schon morgen wissen Flüchtlinge, dass Frauen alles werden können, wenn sie nur wollen. Außer Pabst, und ÖVP-Obmann, und Priester, und Mitglied in einer CV. Und natürlich Landesrätin in Oberösterreich, das können sie auch nicht. Aber sonst können sie alles tun, echt. Zum Beispiel kochen oder putzen, aber bitte ohne Kopftuch.
Und wir könnten ihnen die Religionsfreiheit beibringen, auch mit diesem Wert können Flüchtlinge ja nichts anfangen. Wir zeigen ihnen, dass bei uns alle Religionen gleichberechtigt sind, dass bei uns alle Religionen, egal ob Christentum, Judentum oder der Islam ein Kruzifix im Klassenzimmer anbringen können. Und alle dürfen Gotteshäuser bauen. Natürlich solange sie einen Kirchturm haben, und der Muezzin gefälligst nicht am Freitag "la-illaha-IlAllah" ruft, sondern stündlich mit der Glocke läutet.
Aber doch, eigentlich taugen die Kurz'schen Wertekurse ja doch für etwas. Nämlich dafür, die Heuchelei und Unglaubwürdigkeit der ÖVP aufzuzeigen.
Aber das was man in der Flüchtlings"krise" am wenigsten erwartet, sind ja schließlich konstruktive Vorschläge. Alles was von der ÖVP zur Lösung beigetragen wird, dient ja schließlich nicht dazu, die Flüchtlings"krise" möglichst problemlos zu bewältigen, sondern dazu, jeden verbalen Brechdurchfall der FPÖ mit noch heißerer Luft zu erwidern. Politik dient schließlich nicht der Problemlösung, sondern dem Wählerfang. Und was passt da besser ins Bild, als Flüchtlinge, die sich nicht integrieren wollen und unsere ach so tollen "christlichen und abendländischen Werte" nicht schätzen lernen. Da stört es dann auch nicht, wenn man Wertekurse fordert, aber nicht mal im Stande ist, ausreichend Deutschkurse anzubieten. Und es stört nicht, dass ein Zaun in Spielfeld den Syrienkrieg vermutlich nicht beenden wird und die einzig sinnvolle bauliche Maßnahme in Österreich vermutlich das Niederreißen der Mauern in den Köpfen der Fahnenschwenker und Heimatliebe heuchelnden Patrioten wäre.
Wie wäre es stattdessen einmal mit konstruktiven Vorschlägen Herr Kurz, Frau Mikl-Leitner?
Jemandem Werte beizubringen, an die man selber nicht glaubt, ist jedenfalls kein solcher Vorschlag. Stattdessen bräuchte es vielleicht einmal die Erkenntnis, dass Integration kein einseitiger Prozess ist. Für Integration braucht es mehr. Zum Beispiel eine Politik, die Probleme löst und handelt, anstatt das Volk mit Pseudo-Lösungen zu entzweien und aufeinander zu hetzen.